Wir, damit meine ich die "Royal Gurkha Rifles" der britischen Armee, waren gerade auf einer Fuß-Patrouille mitten in Afghanistan, als es plötzlich knallte. Ich bin auf eine Sprengfalle getreten.
Mein rechtes Bein habe ich gar nicht mehr gesehen, mein linkes baumelte nur noch so unten herum. Mein großes Glück war, dass der Sprengsatz nicht vollständig explodierte, sonst wäre ich gestorben.

Ob Armut, Krieg, die Amputation seiner Beine oder Depression: Hari Budha Magar (47) musste sich in seinem Leben immer wieder hochkämpfen. Hier auf den 6476 Meter hohen Mera Peak in= der Khumbu Region.
Meine Truppe hat wirklich unfassbar tolle Arbeit geleistet. Sie gaben mir die Möglichkeit, mein Leben noch einmal zu leben.
Amerikanische Spezialeinheiten flogen mich sofort mit einem Hubschrauber aus. Sie brachten mich erst in ein Feldlazarett nach Camp Shorabak, dann zur "Balad Air Base". Dort wurde ich drei Mal operiert, in England zwei weitere Male.
Erst bin ich fünf Tage schwer verletzt durch die Welt geflogen, anschließend war ich fast einen Monat im Spital, dann dreieinhalb Jahre auf Reha. Eine lange Leidensgeschichte.
Das war ein Teufelskreis. Trank ich, weil ich depressiv war? Oder wurde ich depressiv, weil ich trank? Fest stand auf jeden Fall zu der Zeit nur eines: Ich benutzte den Alkohol, um mit meinem Schmerz, meinen Emotionen fertig zu werden. Das ist bis heute wirklich nicht einfach für mich, darüber zu reden, weil ich in der Zeit leider kein guter Vater war. Mein einziger Freund war der Whisky.

Bodenhaftung: Die Verantwortung für seine Familie bewahrt den 47-Jährigen vor allzu riskanten Höhenflügen.
Ich wäre tot, wenn ich sie nicht hätte. Sie müssen wissen: Nicht nur mein Leben wurde durch den Anschlag beeinträchtigt, sondern auch das meiner Familie. Ich konnte ja nicht mehr die einfachsten Sachen machen. Fußball spielen mit meinem Sohn? Ging nicht mehr. An einen besonderen Tag kann ich mich noch wie heute erinnern. Mein Sohn war drei Jahre, als ich in sein unschuldiges Gesicht sah. In dem Moment war mir klar, dass ich mit dem Trinken aufhören musste.
Mein Vater hat immer gesagt: "Wenn wir sterben sollen, sterben wir. Das kann auch dann passieren, wenn wir zu Hause die Treppe runterfallen. Wenn wir aber nicht sterben sollen, sterben wir auch nicht." Im Ernst: Wenn wir immer und überall Angst haben, dann dürfen wir auch unser Haus nicht mehr verlassen.

Abgehoben: Mit etwas Vorbereitung und dem richtigen Begleiter sind auch Fallschirmsprünge ohne Beine möglich.
Nein, ich bin ein leidenschaftlicher Bergsteiger und Abenteuer-Fan.
Wirklich nicht. Ich bin eher ein vernünftiger und verantwortungsbewusster Typ. Das, was ich mache, mache ich ja nicht nur für Ruhm, Geld oder Ehre. Ich mache das, weil ich denke, dass es unbedingt notwendig ist, anderen Menschen zu helfen, andere zu inspirieren.
Ich bin nicht bereit zu sterben, ich bin auch nicht bereit, meine Familie und meine Freunde im Stich zu lassen. Ich bin mit mir im Reinen. Ich hatte zwar diesen fürchterlichen Unfall. Dafür habe ich jedoch in meinem Leben viel mehr erreicht, als ich mir jemals hätte erträumen können. Nun bin ich eben da, um das Bewusstsein für Behinderungen zu schärfen. Ich hoffe, dass meine Erfolge auf den höchsten Bergen dieser Welt andere Menschen dazu ermutigen, ihre eigenen Berge zu erklimmen, ihre eigenen Träume zu verwirklichen. Wie auch immer diese für jeden Menschen aussehen mögen.

In dünner Luft: Auf dem Mount Everest kann sogar das Gipfelfoto zur großen Anstrengung werden.
Was uns einschränkt, ist unser Verstand. Denken Sie doch nur an die menschliche Revolution. Wir sind es doch, die unmögliche Dinge möglich gemacht haben. Früher konnten wir nicht schnell genug laufen. Also, was haben wir getan? Wir haben Dinge entworfen, mit denen wir an Land, zu Wasser und in der Luft schneller vorankommen. Jetzt sind wir sogar im Stande, auf andere Planeten reisen zu können. Wer hat das möglich gemacht? Wir Menschen! Wenn wir laufen können, laufen wir. Wenn wir aber nicht laufen können, dann suchen wir uns eben Möglichkeiten, Auswege, wie wir da hinkommen.
Die Frage ist falsch formuliert.
Ich frage Sie: Wie kann man immer so negativ sein? Ganz im Ernst. Das frage ich die Menschen, die ich auf dieser Welt treffe, immer. Wir haben doch fast alle auf dieser Welt die Wahl, wie wir unser Leben leben möchten. Wir bestimmen unser Leben, bestimmen, zu welchem Ziel wir es führen möchten. Ich wurde beispielsweise in einem Kuhstall in Nepal geboren, ging barfuß zur Schule, lernte mit Kreide auf einem Holzbrett schreiben, wurde mit elf Jahren zwangsverheiratet, wuchs im Bürgerkrieg auf. Denken Sie immer daran: Einige Menschen haben in ihrem Leben keine Wahl. Ich gehörte dazu, habe trotzdem was draus gemacht.

Im Mai 2023 bestieg Hari mit seinem Team den Mount Everest.
Ich gehe jeden Tag zwei bis drei Stunden ins Fitnessstudio, mein Training besteht aus einer Mischung aus Fitness, Schwimmen, Sauna und Eisbaden. Unter dem Strich: viel Ausdauer, viel Krafttraining, viel Yoga, eine ganze Menge Meditation. Mehr ist es ja nicht (lacht).
Das hängt vom Berg ab. Es sind mindestens vier, maximal 26 Personen.
Sie machen sich völlig falsche Vorstellungen von meiner Leidenschaft. Mich hievt da niemand hoch, noch trägt mich irgendjemand dort hinauf.
Das kann ich mit einem selbstbewussten Nein beantworten.

Wie die meisten Bergsteiger ist Hari auf Sponsoren angewiesen, das fängt beim Rechner an.
Der Unterschied zu anderen ist, dass ich nicht so schnell gehen kann, in manchen Situationen vielleicht nicht so schnell reagieren. Ansonsten bin ich ein ganz normaler Bergsteiger.
Wenn alles nach Plan läuft, bis spätestens Januar 2026. Wenn ich jedoch mehr Geld zur Verfügung hätte, wäre ich früher fertig. Aber so viel Geld habe ich leider nicht.
Der Mount Everest. Er war auch echt sehr gefährlich. Man kann dort oben so viel Sauerstoff verbrauchen, das hätte ich wirklich nicht gedacht. Und wenn der einem da oben ausgeht, dann stirbt man. So ist das eben. In der Saison 2023, in der ich auf den Mount Everest gestiegen bin, sind insgesamt 17 Menschen gestorben. Das macht mich bis heute traurig. Deswegen bin ich mit meinem Team glücklich, dass wir den Everest erklommen haben, sicher unten angekommen sind. Denn von 478 Bergsteigern und Bergsteigerinnen waren nur etwa 250 erfolgreich. Nun stand ich dieser Tage auf dem Aconcagua in den argentinischen Anden. Dann fehlen noch der Puncak Jaya – auch Carstensz-Pyramide genannt – in Ozeanien und der Mount Vinson in der Antarktis. Und das alles mit dem Support des deutschen Orthopädietechnik-Unternehmens Ottobock aus Duderstadt. Es hat meine Bemühungen großartig unterstützt, sodass wir gemeinsam Menschen helfen können, ihr Potenzial auszuschöpfen. Sie helfen mir finanziell bei der Verwirklichung meiner Träume, ich ihnen bei der Forschung und Entwicklung der besten Prothesen und Orthesen auf dieser Welt.
Hallo? Ich bin Profi (lacht). Im Ernst: Es dauert nur Sekunden. Das kann man sich fast so schnell wie einen Reifenwechsel in der Formel-1 vorstellen.
Nicht wenn ich ins Bett gehe (lacht).
Ich bin kein Vorbild, ich bin ein Typ ohne Beine, der sein Bestes gibt, um auf Behinderungen aufmerksam zu machen. Eine Behinderung mag vielleicht unsere Schwäche sein. Das bedeutet dann aber nicht, dass wir nichts tun können. Es gibt niemanden auf der Welt, der perfekt ist. Wir alle haben unsere Schwächen. Nicht jeder Mensch, der körperlich eingeschränkt ist, steigt auf die höchsten Gipfel. Wenn die eigene Mission größer wird als man selbst, braucht man keine Angst zu haben vor dem, was man erreichen will. Nichts kann mich erschrecken. Einerseits.

Mit 6961 Metern ist der Aconcagua der höchste Berg des amerikanischen Doppelkontinents.
Viele meiner Freunde sagen: "Hari, du bist nicht verrückt, du bist total verrückt!"
Ich habe gesagt: "Okay, Leute, vielleicht ein bisschen verrückt, aber nicht dumm!" Denn wenn ich dumm wäre, würde ich mich und meine Teammitglieder umbringen. Und das tue ich nicht.
Natürlich! Man kann Menschen nicht einfach etwas verbieten, nur weil sie es scheinbar nicht können oder anders sind. Das ist ja genau das Stigma rund um eine Behinderung.

Der Khumbu-Eisfall gilt als eine der Schlüsselstellen am Mount Everest.
Wir haben es erst mit diplomatischen Mitteln versucht, das hat aber nicht funktioniert. Also hatten wir keine andere Wahl, als vor dem Obersten Gerichtshof zu kämpfen und zu siegen. Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich schon 2019 auf dem Everest stehe. Nun hat es fast sechs Jahre gedauert. Ist aber egal: Wir haben einfach nicht aufgegeben, wir haben einfach weitergemacht, bis wir gewonnen haben.
Wir erreichen erstaunliche Dinge nur dann, wenn wir es versuchen. Wenn wir es hingegen nicht versuchen, werden wir nie wissen, was möglich ist.

Der Aconcagua ist technisch nicht besonders anspruchsvoll, hat durch lange Gehdistanzen aber seine eigenen Härten.
Nein, auf der einen Seite. Aber auf der anderen Seite ja. Denn durch meine Erfolge habe ich natürlich schon etwas Selbstvertrauen gewonnen. Es hat mir am Ende den Mut gegeben, den Everest zu besteigen und zu beweisen, dass nichts auf dieser Welt unmöglich ist. Ich ermutige mich dadurch, einfach jeden Tag andere Menschen mit Behinderung zu inspirieren, damit sie auch endlich das tun, was sie gerne tun wollen.