Die großen Expeditionen der Vergangenheit – von Alexander von Humboldt über Roald Amundsen bis zu Ernest Shackleton – gelten heute als legendär. Doch auch die Gegenwart hat ihre Entdeckerinnen und Grenzgänger: Wissenschaftsteams wie bei MOSAiC oder CONTRASTS trotzen dem Klimawandel auf dem Eis, Tiefseeforscher in der Hadal-Zone entdecken unbekannte Lebensformen, Abenteurer wie Ash Dykes machen sich auf ins unkartierte Herz des Amazonas.
Was all diese Unternehmungen eint: der Wille, hinauszugehen, dorthin, wo Wissen aufhört und Erfahrung beginnt. Manche dieser Expeditionen enden im Erfolg, andere im Desaster, viele in Erkenntnis. Sie zeigen, dass der Entdeckergeist lebt, nur die Werkzeuge haben sich geändert.
Legendäre Expeditionen
Andrées Polarexpedition (1897): Mit dem Ballon zum Nordpol
Der schwedische Ingenieur S. A. Andrée versuchte, den Nordpol per Wasserstoffballon zu erreichen. Nach nur zwei Tagen stürzte der Ballon ab. Die drei Expeditionsteilnehmer starben später auf der Kvitøya-Insel. Ihr Schicksal blieb 33 Jahre lang ein Rätsel.
Gonzalo-Pizarro-Expedition (1540–1542): Auf der Suche nach Eldorado
Gonzalo Pizarro durchquerte das Amazonasgebiet auf der Suche nach dem sagenumwobenen Goldland Eldorado. Die Expedition endete in einem Desaster: Von den ursprünglich 4.000 Teilnehmern überlebten nur wenige.
Alexander von Humboldts Südamerika-Reise (1799–1804): Wissenschaft trifft Wildnis
Humboldt erforschte über fünf Jahre den südamerikanischen Kontinent, durchquerte das Orinoco-Delta, bestieg Vulkane und legte den Grundstein für moderne Naturwissenschaften – mit einem Gepäck voller wissenschaftlicher Instrumente und revolutionärer Ideen.
Ernest Shackleton – Endurance-Expedition (1914–1917)
Die Endurance wurde vom Packeis zerquetscht. Die Crew lebte fünf Monate auf Eisschollen, bevor Shackleton mit fünf Männern in einem Beiboot nach Südgeorgien segelte – und Hilfe holte. Überraschenderweise ist niemadn gestorben. Die Rettung ist eine der größten Führungsleistungen der Expeditionsgeschichte.
Naomi Uemura (1978): Allein zum Nordpol
Der japanische Abenteurer war der erste Mensch, der den Nordpol allein mit Hundeschlitten erreichte – ohne Funkverbindung und bei Temperaturen bis zu −40 °C. Seine Expedition bleibt ein Symbol für extreme Einsamkeit und mentale Stärke.
Wichtige Expeditionen der jüngeren Vergangenheit
CONTRASTS-Expedition 2025
Mit dem neu entwickelten Forschungscamp Tara Polar Station driftete ein internationales Team über das arktische Packeis, um dort Schmelzprozesse, Eisstrukturen und Meeresströmungen zu untersuchen. Die Besonderheit: Je nach Alter des Eises verhalten sich Schmelz und Wärmeleitung fundamental unterschiedlich – mit Folgen für Klimamodelle weltweit.
GoNorth-Expedition 2022-2024
In entlegenen Regionen nördlich von Spitzbergen und Nordgrönland nahmen Teams Sedimentkerne, kartierten Meeresböden und untersuchten biologische Lebensräume. Ihre Erkenntnisse über die ozeanische Kruste im Nansen-Becken werfen neue Fragen zur geologischen Entstehung des arktischen Meeresbodens auf.
MOSAiC‑Expedition 2019–2020
Die wohl bekannteste und wichtigste Polar‑Expedition dieser Zeit: Die Polarstern ließ sich im zentralen Arktischen Ozean einfrieren und driftete über ein Jahr mit dem Eis. Ziel war es, Prozesse zwischen Atmosphäre, Meereis, Ozean und Ökosystemen in situ zu beobachten – über den gesamten Jahreszyklus hinweg. Beteiligte Forscherinnen und Forscher aus über 20 Ländern sammelten Daten, die in Klimamodelle und das Verständnis des arktischen Systems weltweit einfließen. Spektakuläre Aktion: Am 19. August 2020 erreichte die Expedition den Nordpol, als Teil eines Umwegs (bedingt durch ungewöhnlich dünnes Eis).
Ash Dykes Südamerika 2024
Der britische Abenteurer Ash Dykes durchquerte den unkartierten Regenwald Surinames, um die Quelle eines bislang unbekannten Amazonas-Nebenflusses zu finden. Begleitet von einem kleinen Team und immer wieder verfolgt von Wildtieren wie Jaguaren, dokumentierte er die Expedition mit GPS und Kameras. Das Ergebnis: Zwei neue Wasserfälle, ein Quellfluss – und der Beweis, dass es auch im 21. Jahrhundert noch echte "White Spots" gibt.
TS21 – Mariana Trench Deep Sea Expedition 2021
Forscher führten zwischen 6.000 und 10.900 m Tiefe über 33 Tauchgänge durch, sammelten Sedimentproben und Organismen – ein sehr umfassendes ökologisches Datenset der Tiefsee. Die TS21‑Expedition liefert das bislang umfassendste Datenset zur Biologie, Ökologie und Geochemie der hadalen Zone im Marianagraben. Die hohe Rate neuer mikrobieller Arten unterstreicht, wie wenig wir über die tiefsten Meere wissen.Die Daten helfen, ökologische Anpassungsstrategien von Organismen unter extrem hohem Druck, Kälte und Nährstoffarmut besser zu verstehen. Auch Gesteins‑ und Sedimentanalysen liefern Hinweise auf Tiefseeprozesse wie Subduktion, chemische Austauschvorgänge und Karbonatverwertung im Tiefenschluchten-System.