Mitten in Europa und doch Neuland

Bouldern in Albanien
Mitten in Europa und doch Neuland

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Zuletzt aktualisiert am 20.05.2011
KL Albanien Bouldern
Foto: Gentsch
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Die Täler um Thethi wirken wie aus einer anderen Zeit. Ich bin im Auftrag der GTZ (Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) hier im Norden von Albanien, "nachhaltiger Tourismus" steht auf dem Programm. Ich erforsche also die Gegend für zukünftige Reisende.

Ich bin nicht der erste, der hier Bergsport-Potenzial verortet, aber der erste, der Boulder putzt. Mein Ausgangspunkt ist das Dorf Thethi, über dem auch die 800-Meter-Wand des Arapi als Abschluss des Shala-Tals thront.

Der Morgen nach meiner Ankunft verspricht gutes Wetter, und so beschließe ich, die entferntesten Areale zuerst in Augenschein zu nehmen. Der Abschnitt des Tals zwischen Thethi und dem Ortsteil Nderlysa scheint mir die meisten Blöcke zu bieten. So wandere ich mit Crashpad los. Begleitet werde ich von Roza, die mehrsprachig ist und für Besucher Unterkünfte, Transport und Co. organisieren kann. Der Wanderweg durchs Tal umgeht den Canyon des Shala Flusses und am unteren Talabschnitt findet man bald die ersten Blöcke links am Hang sowie am Flussufer.

Nach einer knappen Stunde befinden wir uns dann schon beim Aufstieg in einer Rinne östlich oberhalb von Nderlysa. Das Panorama ist fantastisch, ich bouldere oberhalb des Dorfes, umgeben von steilen Bergflanken. Ab den mittleren Graden aufwärts würde das Potenzial mindestens einen Tag füllen und trotz der Lage am Hang reichen meist ein bis zwei Matten für eine sichere Landung. Von Dach bis Reibung gibt‘s alles. Da ich weder mit Spottern noch mit adäquater medizinischer Versorgung rechnen kann, bin ich vorsichtig.

Im Anschluss wandern wir Richtung Dorf, wo es dank Rozas Bekanntschaften einen Kaffee gibt. Der kräftige Mokka belebt die müden Glieder. Ausgeruht beschließen wir, das nordöstliche Seitental mit der Siedlung Kaprea nach weiteren Bouldern zu erkunden. Der Weg führt an einem Bach entlang, der kurz hinter dem Ort sich durch eine Schicht roten Marmors gespült hat. Je nach Wasserstand kann man hier in Gumpen baden oder man bewundert einfach nur die von tosendem Wasser umgebenen bizarr ausgewaschenen Formen.

Bevor der Weg den Bach verlässt, sehe ich am Ufer noch ein paar Blöcke. Wir folgen dem Weg oberhalb einer Schlucht zum „Blauen Auge“, einem runden Pool im Bach, der von einem Wasserfall gespeist wird. Nicht nur die Farbe passt, auch sieht ein dunkler Stein in der Mitte wie eine Pupille aus. Auch wenn hier keine Boulder zu finden sind, ist es doch ein sehenswertes Ziel ebenso wie der oberhalb gelegene Talboden.

Für den Rückweg nach Thethi wählten wir die Schotterpiste, denn dort war oberhalb des Weges noch einiges zu erwarten. Auf einer Terrasse gleich am Weg reckt sich ein Kalksporn gen Himmel. Seine überhängende Seite bietet einen genialen Sitzstart. Leider zu schwierig für mich, es wird ein Hockstartversuch und schließlich doch nur ein Stehstart. Naja, ich werde wiederkommen! Immerhin entdecke ich noch ein paar schattige Boulder im Wald nahe der Straße.

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Am nächsten Tag folge ich wieder dem Weg hinab in die Gegend unterhalb des Canyons. Erstes Ziel ist eine ausgespülte große Rinne mit reichlich Bouldern, die vom Wanderweg gequert wird. Der Fels ist hier nicht nur sehr kompakt und fest, sondern auch meist absolut sauber. Zudem finden sich hier wohl die meisten Probleme innerhalb eines Sektors. Los geht‘s im oberen Teil mit einigen recht ansprechenden Problemen im sechsten Fontainebleau-Grad.

Ich bouldere von Block zu Block und suche mir nur die schönsten Linien aus. Mit zunehmendem Sonnenstand sinkt allerdings die Leistungskurve. Als die Sonne irgendwann richtig heftig brennt, gibt es nur noch einen rettenden Gedanken: zum Fluss! Das Wasser ist glasklar. Heute ist der Wasserstand niedrig, man kann entspannt zur anderen Seite gelangen, wo auch noch einige Boulder warten.

Direkt in der Nähe des Dorfes, in Sichtweite des Blutracheturmes (keine Panik, ist heute Museum, umgeben von Campinggelände), liegen auf recht ebenen Wiesenterrassen auch noch einige Blöcke. Es sind nicht allzu viele, für ein paar Stunden kann man sich aber beschäftigen. Auch braucht man von den meisten Gästehäusern nur wenige Minuten bis hierhin.

Satt geklettert gönne ich mir erst mal Kaffee in der Sonne vorm Haus. Danach wate ich durch den Fluss und erreiche zwei recht interessante Blöcke mit steilen Kanten. Die eine gelingt ohne Putzen, die andere ist recht hoch, die Landung würde noch ein paar Crashpads vertragen. Schade! Doch nach kurzer Suche finde ich im Wald noch ein ansprechendes Problem. Wenig später hänge ich an einem heiklen Ausstieg in etwa drei Metern Höhe und versuche, die aufkommende Panik zu unterdrücken. Es gelingt. Jetzt reicht‘s für heute!

Auf dem Rückweg kühle ich meine weichen Knie im Bach. Abends gibt es Maisfladenbrot, frischen Joghurt, Käse und alles, was der Garten hergibt. Und ein Raki ist natürlich auch immer zur Hand.

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Informationen rund ums Bouldern in Albanien

Albanien bietet viel unberührte Landschaft zwischen Hochgebirge und Mittelmeer-Klima. Die Berglandschaften im Norden des Landes umfassen die "albanischen Alpen" die einige Gipfel über 2000 Metern aufweisen.

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Burmester / Lencer (GNU & CC 3.0)

Anreise:
Flug nach Tirana (ab 180€) von Deutschland. Von dort mit dem Bus, Zug oder Mietwagen nach Shkodra (dauert circa anderthalb Stunden), auch per Taxi für ca. 60 € möglich. Wer eine Übernachtung in Shkodra vermeiden will, sollte die Weiterreise im Voraus organisieren. Alternative Anreise mögich über Podgorica (Montenegro) und dann über die Grenze nach Shkodra. Für EU-Bürger genügt ein Reisepass.

Nach Thethi:
Weiterreise von Shkodra per Minibus (dauert circa vier Stunden), fährt fast täglich, Fahrer spricht English: Pashko Pisha (Tel.: +355 69 32 56 415). Weitere Minibusse fahren fast täglich in Shkodra ab, Treffpunkt ist die große Kreuzung am Ende der Geschäftsstraße in Richtung Koplik/Montenegro (Tel.: +355 22242897 +355 692087280, info@shkodratravel.com.

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Bergsteigen:
Besteigungen der vielen zweitausend Meter hohen Berge (circa 50). Der höchste Berg Albaniens, der Jeserze (2692 m), ist am besten in zwei Tagen zu machen. Herausragende Berggipfel sind der Maja e Arapit, Maja Rosit, Maja e Radohimes, Maja e Kolajet.

Am Arapi lockt Albaniens höchste Steilwand mit 800 Metern Wandhöhe. Der Zustieg vom Dorf dauert eine bis eineinhalb Stunden. Im Winter und Frühjahr warten hervorragende Skitourenmöglichkeiten in einsamer Landschaft. In zahlreichen Höhlen gibt es vermutlich gute Canyoningmöglichkeiten.

Bouldern:
Unterhalb von Thethi nahe Nderlysa finden sich auf der linken Talseite reichlich Bouldermöglichkeiten. Dem markierten Weg, der beide Ortsteile verbindet, folgen – die Blöcke befinden sich unterhalb des Canyons am Weg und am Hang. Gutes Potenzial, Quartiere in Nderlysa nutzen, da von hier der Weg kürzer ist (5-15 min.). Weitere Möglichkeiten am Hang oberhalb des Ortes.

Beste Zeit:
Von Ende Oktober bis März ist der Pass meist unpassierbar wegen Schnee. Da Hochgebirgsklima herrscht, kann im Gegensatz zu Shkodra das Wetter kühler und regnerischer sein. Im Frühjahr kann auf den Pässen und Bergen noch viel Schnee liegen. Generell ist es im Herbst trockener als im Frühjahr.

KL Wanderkarte Nordalbanien

Anbieter, Führer, Kartenmaterial:
Es empfiehlt sich, eine Tour organisieren zu lassen. Anbieter wären SHASH (ein privater Alpinclub, der auch gutes Infomaterial hat) E-mail: onuzi@yahoo.com (deutsch/englisch). Outdoor Albania, ein Anbieter von Spezialreisen, auch Kajak, Trekking, etc. E-mail: http://www.outdooralbania.com, info@outdooralbania.com
Ein Wanderführer, der einige der genannten Touren beinhaltet, heißt: 'Nordalbanien Wanderführer - Thethi und Kelmend' von Christian Zindel und Barbara Hausammann (ISBN 9783936990478). Die Wanderkarte dazu: 'Nordalbanien Wanderkarte, 1 : 50 000: Thethi und Kelmend' (ISBN 978-3936990461).

Wildes Albanien

Mit dem Auto:
Wer selbst hinfahren möchte, sollte ein geländetaugliches Gefährt mitbringen. Am besten einen Geländewagen oder Transporter mit entsprechend Bodenfreiheit.
Im Norden Albaniens nach Koplik und dann rechts nach Boga. Im Ort hört die Teerstraße auf und ein dreistündiges Stück Schotterstraße beginnt. Meist kommt man über den ersten und zweiten Gang nicht hinaus. Der Pass erreicht circa 1600 Meter Höhe und ist (meist) ab Mitte Mai bis Oktober offen.

Unterkunft:
Der Fahrer kennt die Gästehäuser in Thethi – sieben Stück mit rund 80 Betten. Sie sind durch ein Schild mit Piktogrammen am Grundstückseingang gekennzeichnet. Einfache Ausstattung, Bad mit Dusche u. WC für ein bis zwei Zimmer jeweils, Preise circa 2000 Lek (18 €) mit Voll/Halbpension. Es gibt keinen richtigen Laden im Ort (eine Art Kiosk am Ortseingang) und kein regelmäßig offenes Gasthaus.

Fürs Bouldern bieten sich auch die beiden Gästehäuser in Nderlysa an. Vorbestellung möglich über Roza Rupa (Deutsch, Englisch und Italienisch) +355682003393

Essen und Trinken:
Auf den Tisch kommt alles, was Feld, Garten und Tiere hergeben. Alles, was man sonst gern hätte, muss man mitbringen! Für Wasser gibt‘s Quellen bei den Häusern.

Aktivitäten:
Wanderungen / Trekking zum Qafa e Pejes und nach Montenegro (Vusanje), Jeserze (höchster Gipfel des Gebirges, zweithöchster Albaniens), Valbona Pass/ Valbona, Vermosh, das Tal hinab nach Nderlysa zu den Wasserfällen sowie dem „Blauen Auge“, einer Karstquelle, und zum Pass nach Boga. Wer sein Mountainbike mitbringt, wird einige hübsche Strecken finden.

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