"Kann ich schwanger klettern?"

Klettern und Schwangerschaft
„Kann ich schwanger klettern?“

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Zuletzt aktualisiert am 30.03.2010
KL Schwangerschaftsbauch
Foto: © Mandy Bremse / Pixelio

Mit freundlicher Erlaubnis von UKClimbing.com//

Manche Fragen beschäftigen Kletterer immer wieder. Wie eng müssen Kletterschuhe sein, wann fahre ich am besten wohin, und gibt es in Rumänien gute Klettergebiete - all dies sind durchaus berechtigte Fragen. Doch dann gibt es noch eine Frage, die besonders weibliche Kletterer interessieren dürfte: "Kann ich schwanger klettern?"

Nachdem ich dies gerade erlebt habe, dachte ich, teile ich meine Erfahrungen mit. Vorweg: Ich bin kein Arzt und hier gibt es keine medizinischen Tipps, nur meine Meinung und Gefühle. Vermutlich wird jeder andere Erfahrungen machen, aber dennoch wird jeder das Beste für sich und das Kind wollen. Daher sollte jeder sich selbst informieren, medizinischen und sonstigen Rat einholen, und eine eigene Entscheidung treffen.

Würde ich noch klettern können?

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Anfang November fand ich heraus, dass ich schwanger war. Natürlich war ich sehr aufgeregt, aber gleichzeitig war ich etwas traurig, weil Klettern mein Leben ist. Würde ich noch klettern können? Würde ich mich so schrecklich fühlen, dass ich nicht mehr klettern könnte? Würde ich noch rauskommen, nachdem mein Baby geboren war?

Der erste Schritt war, den Alkohol dranzugeben, ohne dass die üblichen Verdächtigen dies merkten. Glücklicherweise hat mein Mann und Langzeit-Kletterpartner auch den Alkohol aufgegeben, mit der Begründung, dass er vor dem Thailand-Urlaub über Weihnachten fit werden wollte. Das war also kein Problem. Ich hatte das Glück, in keiner Phase an Schwangerschaftsübelkeit zu leiden, so dass es anfangs kaum einen Unterschied gab - obwohl ich mich müder fühlte als normalerweise. Gute Bedingungen zu Beginn des Winters erlaubten mir, in der achten Schwangerschaftswoche noch eine meiner Traumrouten zu klettern: Central Buttress am Beinn Eighe. Der gute Winter ermöglichte es mir, noch ein paar Klassiker in Schottland abzuhaken, wie North Buttress am Buachaille Etive Mor oder Stirling Bomber in Invernesshire.

Emotionale Achterbahn

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Über Weihnachten und Neujahr waren wir mit Freunden in Thailand. Beim ersten Abendessen verkündete ich, dass ich schwanger sei. Alle dachten, es sei ein Witz! Vor der Reise hatte ich mir Sorgen gemacht, ob ich in dem schrecklichen Zustand sei, in dem sich jeder fragt, ob man nun schwanger ist oder nur pummelig; aber wie sich herausstellte, sah man nicht wirklich etwas.

Während der Reise bin ich wie normal auch weiter vorgestiegen. Meine Hauptsorge war, dass ich beim Fallen mit dem Bauch anstoßen könnte und so achtete ich darauf, dass ich keine großen Stürze im Vorstieg machte. Ich senkte meinen Schwierigkeitsgrad etwas, und meine Kletterpartner hängten die Sicherungen ein, mit Verlängerung bei größeren Abständen. Das funktionierte gut und ich konnte einen vollwertigen Klettertrip verbringen. Mittlerweile war ich etwas weniger selbstsicher und hatte einige Momente emotionaler Achterbahn erlebt, aber im Allgemeinen klappte das Klettern noch ausgezeichnet.

Ende Januar kam der Bauch

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Ende Januar kam der Bauch. Dadurch wurden Mixed- und Winter-Routen etwas schwerer, weil der große Bauch einen nach außen zwingt. Interessanterweise schien ein bisschen Zusatzgewicht und Bauch keinen besonders schlechten Einfluss auf die Leistung beim Eisklettern zu haben, also keine Ausrede für etwas Fülligere mehr! Meine Überhose konnte ich nicht mehr ganz schließen, aber mit Reißverschlüssen auf ganzer Länge konnte ich das obere Ende offen lassen; und das klappte gut. Mich nach vorne zu beugen, um meine Gamaschen zu schließen, war schwieriger. Nun wurde auch der schwere Rucksack zum Problem, also trug mein Mann die Ausrüstung. So verblieb mir nur mein persönliches Zeug den Berg hochzuschleppen.

Ich durfte nicht fallen

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Auch beim Vorsteigen ließ ich es etwas langsamer angehen. Beim Winterklettern wie auch in der Schwangerschaft galt die Regel, dass ich nicht fallen durfte. Wir verbrachten eine großartige Woche in La Grave, kletterten jeden Tag und ich stieg noch bis WI 4+ vor. Am letzten Tag schneite es stark, so dass wir gezwungen waren, Skifahren zu gehen, weil die Lawinengefahr zu groß war. Dabei hatte ich viel größere Angst, ich hatte das Gefühl, dass ich jeden Moment schlimm stürzen könnte oder dass jemand in mich reinfahren und Junior verletzen könnte. Es könnte auch sein, dass es einfacher ist, mit gewohnten Tätigkeiten fortzufahren als etwas zu machen, das man nicht so oft tut.

Das größte Problem waren die Zustiege

Ich fuhr fort, jedes Wochenende in diesem Winter zu klettern, wenn die Bedingungen es zuließen. Das größte Problem waren die Zustiege. Ich war immer zügig gegangen, und es war deprimierend, schon bei kurzen Wegen oder Anstiegen außer Atem zu geraten. Das letzte Wochenende des Winters wurde eine Wahnsinns-Anstrengung durch knietiefen Pulverschnee zum Beinn a Bhuird, um eine weitere Toproute zu klettern. Leider sollte es nicht sein, wir wurden von Sturm und Spindrift vom Einstieg vertrieben. Das war ein Tiefpunkt, denn es fühlte sich an, als wäre dies die letze Chance für meinen Mann und mich zusammen im Winter zu klettern und ich gebe zu, dass ich ein paar Tränen vergossen habe, als ich dort unter den Felsen stand und durch einen Vorhang von Schnee auf die Route schielte.

Ich investierte in einen Komplettgurt

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Ostern fuhren wir nach Südfrankreich für einen letzten Sonnen-Kletter-Trip. Mittlerweile war der Bauch so groß, das der Gurt nicht mehr passte. Ich investierte in einen Petzl-Komplett-Gurt und machte weiter wie normal. Ich stieg so viel vor wie sonst auch, allerdings etwas leichter als sonst, weil der Bauch hohes Antreten, Aufhocken und Überhänge schwieriger machte. Längere Zustiege in die Verdonschlucht blieben sehr anstrengend, aber der härteste Teil des Trips war, meinem Mann beim Genießen des Rotweins zuzusehen und keinen Weichkäse essen zu dürfen.

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Ich kletterte bis zehn Tage vor der Geburt (nur Routen, das Bouldern hatte ich sofort bleibenlassen). In den letzen Wochen stieg ich weniger vor als sonst und senkte den Schwierigkeitsgrad deutlich, aber im Nachstieg kletterte ich fast so schwer wie sonst, mit einem hübsch sicheren Seil von oben. Meine letzte Route vor der Geburt gehörte zu den großen Projekten meines Lebens: Shibboleth (E2 5b) am Buachaille in Schottland. Der Zustieg durch Ravens Gully war stressig, die Route war spitze, und beim Abstieg über den Nordpfeiler habe ich mich am kurzen Seil sichern lassen, weil ich mich nicht vornüberbeugen oder herunterschauen konnte.

Meine Rumpfmuskulatur ist dahin

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Dann kam der kleine BJ zur Welt, und darüber wurde bereits genug gesagt und geschrieben. Allerdings möchte ich hier anfügen, dass wer auch immer gesagt hat, dass eine Geburt schmerzt wie die "Hot Aches", der hat garantiert selbst niemanden zur Welt gebracht (NB: 'Hot Aches' beschreiben die Schmerzen beim "Auftauen" der Hände nachdem sie eiskalt waren).

Ich hatte Glück

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Seitdem erlebe ich das übliche Baby-Chaos mit schlaflosen Nächten, aber ich klettere weiter. In den ersten sechs Wochen seines Lebens war BJ in sieben verschiedenen Klettergebieten. Es ist anstrengend, weil man ihn entweder zum Schlafen bringen muss, oder mit einer dritten Person klettern muss, damit einer von uns nach ihm schauen kann. Und die Menge an Zeug, die man mit zum Fels schleppen muss, ähnelt der Ausrüstung, die man für eine Himalaya-Expedition braucht. Ich bin nicht annähernd in meinem üblichen Schwierigkeitsbereich, weil ich vom Stillen und Schlafentzug ausgelaugt bin. Meine Rumpfmuskulatur ist dahin, aber ich arbeite daran.

Das ist meine Geschichte. Ich hatte das Glück, in der Schwangerschaft weiterklettern zu können, während viele meiner Freundinnen von Übelkeit geplagt wurden oder jeglichen Sport aufgeben mussten, weil ihre Bänder zu schwach geworden sind. Der kleine BJ scheint nicht beeinträchtigt vom Klettern in der Schwangerschaft und hält schon den ein oder anderen Schultergriff in seinem Bettchen.

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