10 nicht offensichtliche Gefahren beim Klettern
Gefahren für Kletterer, an die keiner denkt

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Klettern ist Risikosport. Diese 10 Gefahren stehen allerdings in keinem Lehrbuch: Die weniger offensichtlichen Gefahren des Kletterns.

KL Gefahr Danger Warnung Achtung teaser
Foto: gemeinfrei

Dass Klettern potenziell gefährlich ist - ist nichts Neues. Doch abgesehen von den bekannten Risiken des Kletterns und den bekannten Fehlern, die man beim Klettern machen kann, gibt es noch weitere Risiken, die vielleicht weniger offensichtlich sind.

Nicht alle der hier aufgelisteten Gefahren sind gleich schwerwiegend, auch betreffen sie nicht alle Kletterer im gleichen Ausmaß. Doch lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen: Schließlich ist das Erkennen eines Risikos der erste Schritt auf dem Weg zur Vermeidung der Gefahr.

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Suchtgefahr

Klettern oder Bouldern wirkt auf manche Menschen wie eine Sucht. Sie freuen sich nicht nur, ab und zu klettern zu gehen: Nein, sie sind völlig fixiert darauf. Verbringen ihre Freizeit mit Klettern, Kletter-Videos ansehen, Gespräche übers Klettern zu führen, den nächsten Klettertrip zu planen. Kletter-Süchtige haben keine Zeit mehr, sich um Familie oder nichtkletternde Freunde zu kümmern und denken an nichts mehr als das Klettern.

Problem:
Es droht soziale Vereinsamung und Vernachlässigung anderer Pflichten. Unheil dräut, wenn man ausnahmsweise nicht klettern kann: es drohen Entzugserscheinungen in Form von Unruhe, Unzufriedenheit und Unglücklichsein. Beziehungen zu Nichtkletterern werden teilweise auf eine harte Probe gestellt.

Lösung:
Trefft euch regelmäßig mit nichtkletterernden Mitmenschen, sucht euch ein Zweit-Hobby, nehmt soziale "Verpflichtungen" ernst. Denkt daran, dass der nächste Grad nicht alles ist. Oder endet als Kletter-Nerd - aber beschwert Euch nicht über soziale Vereinsamung und Entzugserscheinungen, solltet Ihr mal nicht klettern können!

Psychologische Falle: "Risiko-Kompensation"

Der Mensch ist ein intelligentes Wesen - meistens jedenfalls. Er ist intelligent genug, Gefahren zu erkennen und darauf abgestimmte Sicherheitsausrüstung zu entwickeln; auch Kletter-Ausrüstung wird immer besser und sicherer. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Problem: Studien haben ergeben, dass Sportler mit verbesserter Schutz-Ausrüstung mehr Risiko eingehen. Radfahrer, die einen Helm tragen, fahren weniger vorsichtig; Sportler mit verstärkten Protektoren (beim Hockey zum Beispiel) sind weniger zimperlich im Körperkontakt zum Gegner als ohne. Das heißt aufs Klettern übertragen, dass gerade eine Norm-geprüfte und zertifizierte Ausrüstung sowie auch das "sichere" Umfeld einer Kletterhalle die Sportler in ein (gefährliches, weil potenziell trügerisches) Gefühl der Sicherheit versetzen; dies wiederum kann dazu führen, dass Sicherheit und Sichern nachlässig behandelt werden.

Lösung: Klettern wird nicht harmloser, nur weil man Seil und Karabiner benutzt oder bereits 5 Jahre dabei ist. Mache immer den Partnercheck und kontrolliere die Ausrüstung regelmäßig (genaues Inspizieren und Abtasten). Sei beim Sichern und Spotten immer aufmerksam.

Ausgeleierte Schulter

Vor Fingerproblemen warnt jedes Kletter-Lehrbuch: Finger nicht zu extrem aufstellen, gut Aufwärmen und so weiter. Doch dass schon das entspannte Ruhen am langen Arm ein irreparables Problem hervorrufen kann, ist weniger bekannt. Auch häufiges Klettern im Überhang oder Dach kann das Problem verschärfen.

Problem:
Beim Schütteln und Ruhen hängt man oft "in der Schulter". Dabei wird das generell recht bewegliche Schultergelenk an den Rand seines Bewegungsradius gebracht. Das gesamte Körpergewicht hängt an den Strukturen des Bewegungsapparats und wird nicht von der Muskulatur gehalten (die sich ja ausruht). Häufiges Am-Arm-Hängen kann so dazu führen, dass das Schultergelenk ausleiert. Schmerzen in der umliegenden Muskulatur (Arm) können darauf hinweisen, denn diese Muskeln müssen nun ersatzweise Stabilisationsarbeit leisten. Leider lässt sich dieses "Ausleiern" nicht so ohne weiteres Reparieren; es lässt sich zwar muskulär stabilisieren, aber nicht mehr in den ursprünglichen Zustand zurückführen.

Lösung:
Beim Hängen am langen Arm darauf achten, dass die Schulter nicht zu den Ohren wandert, sondern unten bleibt. Im Zweifel die Schulterblätter mit Muskelkraft zusammenziehen. Extreme Sprünge nicht allzu oft ausführen. Die umliegende Muskulatur trainieren, Übungen mit dem Theraband regelmäßig machen, auf ausreichende Erholungszeiten achten. Beim Trainieren (Klimmzüge und Co) nicht komplett "aushängen".

Zeckenbiss

Wer viel am Fels klettert, kennt die fiesen Biester: Klein und unscheinbar krabbeln sie herum und beißen im schlechtesten Fall unentdeckt zu.

Problem:
Der gemeine Holzbock, wie die Zecke korrekterweise heißt, überträgt allerlei Krankheiten - unter anderem FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), auch als Hirnhautentzündung bekannt, und Borreliose. FSME kann schwerwiegend verlaufen und weil die Symptome sind nicht immer einfach zuzuordnen sind, wird die Krankheit oft erst spät erkannt. Borreliose hat anfangs ebenfalls kein klares Krankheitsbild, und im sehr fortgeschrittenen Stadium lässt sich die Krankheit kaum mehr behandeln.

Lösung:
Gegen FSME kann man sich impfen lassen. Gegen Borreliose nicht, daher ist es sinnvoll, nach einem Zeckenbiss besonders aufmerksam nach mögliche Symptome zu schauen: Hat sich die Biss-Stelle entzündet? Kopfweh, oder gar Lähmungserscheinungen? Sofort zum Arzt!

Überbein, Hallux Valgus

Kletterschuhe sind teilweise sehr extrem geschnitten. Durch die Enge und häufiges Tragen können sich die Füße auf Dauer verformen oder bestehende Veranlagungen verstärkt werden. Dies kann in Schmerzen und dauerhafte Schäden der Fußknochen ausarten.

Problem:
Veränderungen an den Knochen wie Überbeine passieren recht langsam. Daher bemerkt man sie vielleicht nicht rechtzeitig. Beim sogenannten Überbein - eine Verdickung des Knochens - kann allerdings nur anfangs noch mit äußerlichen Behandlungsmethoden gearbeitet werden (in den ersten ein, zwei Jahren). Sind die Knubbel auf den Zehen erst einmal ein paar Jahre alt, lassen sie sich nur noch operativ entfernen. Leider können sie auch Schmerzen verursachen. Fehlstellungen wie Hallux valgus (Großzehe zieht stark nach außen) werden durch Kletterschuhe verschärft, Schmerzen und arthritische Probleme können ebenfalls verstärkt werden.

Lösung:
Schon bei geringfügigen Veränderungen und Knochenschmerzen einen Arzt aufsuchen. Kletterschuh-Modell (und vor allem Schnitt des Schuhs) regelmäßig wechseln. Nicht zu enge Schuhe tragen: gerade beim Hallenklettern sind keine brutal engen Schuhe notwendig. Schuhe in Pausen immer ausziehen.

Haut

Die Haut der Finger bildet beim Klettern die Kontaktfläche zum Fels oder Klettergriff. Doch auch mit Ellbogen und Knie hat man manchmal mehr Wandkontakt als erwünscht. Neben dem üblichen Infektionsrisiko gibt es allerdings noch eine weitere Gefahr für die Haut, vor allem die der Hände: Man wird nach einem einfachen Händedruck schon einmal mit einem Bauarbeiter verwechselt.

Problem: Die Haut der Handinnenflächen wird bei regelmäßigem und häufigem Klettern (besonders in der Kletterhalle und an rauhem Sandstein und Granit) fest und hart: Hornhaut bildet sich. Diese kann zum Reißen und Ausfransen neigen und fühlt sich auf normaler anderer Haut an wie ein Reibeisen. Reißt die Haut erst einmal ein oder auf, bildet sich schnell ein Teufelskreis, weil die Risse enorm schlecht heilen; vor allem, wenn man weiterklettert.

Die Haut von Ellbogen, Unterarmen, Hand-Außenseiten und Beinen bekommt beim Klettern häufig Schürfwunden ab. Infektionen und Narben können die Folge sein.

Lösung: Hornhaut an den Händen (und Füßen) regelmäßig abfeilen und cremen, damit die Haut geschmeidig bleibt und keine Risse entstehen.

Schürfwunden vermeiden durch das Tragen langer Hosen (zumindest bis über die Knie) und präzises Klettern. Wer seine Bewegungen genau ausführt und kontrolliert klettert, rutscht seltener ab und schrammt seltener ungewollt an der Wand entlang.

Nackenprobleme

Beim Klettern ist der Blick meist nach oben gerichtet, beim Sichern auch. Dies verursacht häufig Nackenschmerzen und ist für die Halswirbelsäule nicht sehr gesund.

Problem: Beim andauernden Hinaufschauen fängt man sich schnell Nackenschmerzen ein. Diese können sich zu Problemen mit der Wirbelsäule auswachsen. Auch Kopfweh und andere Beschwerden können ausgelöst werden.

Lösung: Viel bewegen, beim Klettern und Sichern öfter einmal hinunterschauen, eventuell eine Prisma-Brille benutzen. (Bei der Nutzung einer solchen Prismabrille gerät das Blickfeld direkt vor einem gern ins Hintertreffen - üble Riesenschlaufen Schlappseil sind häufig die Folge. Das Sichern mit der Prismabrille erfordert nahezu doppelte Aufmerksamkeit.)

Haltungsschäden

Wer viel klettert, ohne ausreichend Ausgleichstraining zu machen, riskiert sogenannte Muskulären Dysbalancen, die eine Fehlhaltung verstärken können.

Problem: Eine schlechte Haltung (runder Rücken, nach vorn gezogene Schultern) kann gesundheitliche Probleme mit sich bringen; zum Beispiel Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder (nächtliches) Zähneknirschen können ausgelöst oder verstärkt werden.

Lösung: Aktives Ausgleichstraining verhindert nicht nur Fehlhaltungen sondern verbessert über die sogenannte Intermuskuläre Koordination auch die Gesamtkraft. Dehnen und aktives Zusammenziehen der Schulterblätter (sich aufrichten und gerade halten) können Abhilfe schaffen.

Erhöhtes Infektionsrisiko in Kletterhallen

In Kletterhallen fassen sehr viele Menschen die Klettergriffe an. Auch lässt sich der Staub, der durch Chalk und Schuh-Abrieb entsteht, an Wänden und Griffen nicht einfach entfernen - selbst Kletterhallen, gut und gründlich gereinigt werden, kämpfen mit dem Staub, der sich auf den Wänden absetzt.

Problem: Staub ist ein Sammelbecken für Keime und Bazillen aller Art. Auf Klettergriffen, die von vielen verschwitzten Menschen angefasst werden, sammeln sie sich ebenfalls zwangsläufig. Weil bei körperlicher Anstrengung gemeinhin das Immunsystem eingeschränkt wird (während des Trainings bis circa zwei Stunden danach), besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko.

Lösung: Gründliches Händewaschen mit Seife ist erstaunlich effektiv, wenn es darum geht, Infektions-Krankheiten wie Erkältung zu vermeiden. Wer krank ist, sollte tunlichst nicht trainieren gehen und so das Ansteckungsrisiko für die Mitmenschen klein halten. Außerdem ist es sinnvoll darauf zu achten, sich beim Klettern nicht mit ungewaschenen Händen an Augen oder Nase zu fassen (Erkältungskeime finden hier ihre Einfallstore).

Schlafqualität kann leiden

Nach körperlicher Anstrengung braucht der Körper eine ganze Weile, um das System wieder in den Ruhezustand zu bringen. Nach dem Sport können die erholsamen Tiefschlafphasen deutlich kürzer ausfallen.

Problem: Viele Menschen können erst abends nach der Arbeit in die Kletterhalle gehen. Weil beim Klettern, speziell beim Routenklettern im Gegensatz zum Bouldern, verstärkt Adrenalin ausgeschüttet wird, kann es zu Schlafstörungen und Einschlafproblemen kommen. Allerdings wird Adrenalin generell bei körperlicher Anstrengung ausgeschüttet, das heißt, auch Bouldern oder Training am Boden können den Schlaf beeinträchtigen.

Lösung: Je früher am Tag man trainiert, desto mehr Zeit hat der Körper, um das Aktivitätslevel des Körpers wieder regulieren. Auch ist es sinnvoll (besonders nach hartem Training, wenn verstärkter Regenerationsbedarf besteht), sich mehr Zeit zum Schlafen zu gönnen als sonst. Das hilft auch für den Trainingseffekt: Es wurde festgestellt, dass intensives Training dann am besten wirkt, wenn man danach genügend lang schläft.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023