Alpamayo: Trekking auf dem Santa-Cruz-Trail in Peru
Trekking in der Gipfelwelt der peruanischen Anden

Für manche ist der Alpamayo in den Anden der schönste Berg der Welt. Doch die 6000 Meter hohe, perfekt geformte Pyramide ist nur einer der vielen Höhepunkte auf dem Santa-Cruz-Trail.

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Foto: Thomas Roegner

Ein Poster an der Wand der Pension in Lima hatte uns angefixt. "Ancash" stand links unten, es zeigte buntgekleidete Hirten mit Peitschen vor schneeweißen Gipfeln, darüber ein stahlblauer Himmel.

Ein Blick in den Reiseführer verrät: Ancash, Provinz in den Anden, Teil der Cordillera Blanca, größte Stadt Huaraz. Die Blitzrecherche lief schnell auf eine Route hinaus: den Santa-Cruz-Trail, der rund um den Alpamayo führt und den man in Varianten von vier bis vierzehn Tagen zurücklegen kann.

Unsere Highlights
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Thomas Roegner
Die Mulis warten geduldig am Start zum Santa-Cruz-Trail.

Lange war der Alpamayo einer von hunderten unbekannten Bergen, die im Norden Perus auf und über 6000 Meter emporragen. Doch ein Foto seiner perfekten Gipfelpyramide riss ihn aus seinem eisigen Dornröschenschlaf, und die Mitglieder des Deutschen Alpenvereins wählten ihn noch vor dem Matterhorn zum schönsten Berg der Welt. Den Santa-Cruz-Trail säumen vergletscherte Felsriesen mit dicken Schneewächten und gigantischen Steinzacken; fast zwanzig Sechstausender erheben sich in der Cordillera Blanca.

Ungefähr zwei Wochen Zeit haben wir für diesen Trip, genau richtig für die 115 Kilometer lange Alpamayo-Runde. Nach einer neunstündigen Nachtbusfahrt stehen meine Frau Kim und ich früh um sechs in Huaraz – und haben noch keine Ahnung, wie wir den Santa-Cruz-Trail bewältigen wollen. Einstweilen gehen wir ins einzige geöffnete Café. "Erst mal das Schlafdefizit ausgleichen", sagt Kim und gähnt. Mit dem üblichen peruanischen Gemisch aus Kaffee-Konzentrat und heißer Milch geht das hervorragend.

Ein kleines Veranstalter-Büro auf der anderen Straßenseite rettet uns. Besitzer und One-Man-Show Luis verspricht, einen Arriero, einen Eseltreiber, zu organisieren, der uns in zehn Tagen um den Alpamayo führen kann. Alles dazu Nötige wie zusätzliches Zelt, Kocher und Gasflasche mieten wir bei ihm, für den Lebensmitteleinkauf hat er eine Liste.

Huaraz: Das Chamonix von Peru

Andererseits ist Huaraz noch ursprüngliches, ländlich geprägtes Peru, mit peruanischen Frauen in bunter Tracht und kleinen typischen Läden - weit entfernt vom globalen Chic der Touristenzentren Cusco oder Arequipa im Süden Perus. Wir kaufen günstig kiloweise Nudeln, Gemüse, Kartoffeln, Streichhölzer, Tomaten, Saucen, sogar frische Eier und Süßigkeiten ein.

Arriero Augustin erweist sich als echter Glücksgriff, denn er ist Guide, Koch-Improvisateur und Fremdenführer in einer Person. Außerdem kennt er wirklich jeden Berg der Route mit Vornamen. Den braunen Hut scheint er nicht einmal zum Schlafen abzulegen; wieselflink saust er etwas o-beinig mit seinen gummibesohlten Inkaschlappen über die holprigen Steinplatten.

Schwer zu sagen, ob seine wettergegerbte Haut oder die Augen dunkler sind. Seine größte Sorge aber gilt einer ausgewogenen Speisekarte. Seine Spezialität nennen wir "Huevos al arriero": eine Mischung aus Rühr- und Spiegelei, die er morgens kunstvoll in einem verbeulten Blechtopf zubereitet.

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Thomas Roegner

Noch mehr genießen wir aber die Landschaft Huascaráns, und das nicht nur wegen der fast 5000 Meter hohen Pässe. Schon der Einstieg in die Schlucht entlang des Baches Santa Cruz ist ein Traum. Rauschend begleitet er den Weg über kantige Felsstufen und gewundene Sandpfade aufwärts. Der erste Tag fällt mit 900 Höhenmetern moderat aus – ideal zum Warmlaufen. Das Camp Llamacorral auf 3800 Metern, umgeben von niedrigen Mäuerchen und zwei kargen Steinhütten, liegt am Einstieg zum nächsten Hochtal und bietet echten Luxus: Eine der Hütten entpuppt sich als Kiosko. Es gibt sogar Bier. Ich glaube, ein Aufleuchten in Augustins braunen Augen zu sehen, als wir auf die erste Etappe anstoßen.

Während des Treks ragen verschwenderisch gigantische Felswände auf, protzen mit dicken Eisschichten und meterhohen Schneehauben, glitzern Lagunen türkisgrün in der Sonne.

In einem Gemisch aus Bach und Wasserfall rauschen weiße Ströme an den Bergflanken hinab. Steil aufsteigende Berghänge säumen die Lagunen Ichicocha und Jatuncocha auf dem Weg zum Camp Taullipampa.

Ein Kondor schwebt an den Hängen entlang, und blaue Lupinenbüsche schmücken dicht an dicht den Wegesrand. Wie riesige Fackeln stehen Puya raimondi nach oben, eine Bromelienart, die speziell im peruanischen Hochland vorkommt und mehrere Meter hoch wächst.

Abends bilden Taulliraju, Pucahirca, Quitarajo und hinter uns der Artesonraju, alle um die 6000 Meter, eine Arena aus scharfen Zacken und wuchtigen weißen Mützen um den Lagerplatz. Im Zelt liegend hören wir vor dem Einschlafen das Rumpeln und Krachen von Lawinen und berstenden Eispfeilern. "Was für eine Nachtmusik", murmele ich Kim noch ins Ohr, dann sinke ich in den Schlaf.

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Punto Union (4750 Meter).

Am nächsten Tag legt die Kulisse noch einen drauf: Auf dem mit blankgewetzten Steinen gepflasterten Weg aus präkolumbianischen Zeiten zum Pass Punto Union auf 4750 Metern scheinen die vergletscherten Flanken der Sechstausender zum Greifen nah.

Beim Verschnaufen auf dem steilen Felspfad schauen wir zurück auf dicke Schichten von blau-weißen Eisdecken, im Kontrast dazu das grüne Santa-Cruz-Tal.

Nach dem Pass öffnet sich der Blick weit. Links ragen vergletscherte, schwarzgraue Felswände empor, rechts begrenzen grüngelbe Flanken das Tal. Der Pfad aus Brocken, Schotter und Felsplatten führt noch steiler in engen Serpentinen hinab als bergauf, erneut vorbei an Lagunen, die wie Türkise in die Steinfelder eingebettet liegen. "Kannst du fürs Foto langsam gehen?" bitte ich Kim. "Muss ich sowieso, so rutschig, wie das hier ist", antwortet sie mit leicht besorgtem Blick.

Als ich selber absteige, verstehe ich sie: Meine Füße suchen nach Halt auf den losen Brocken und den zum Teil noch feuchten, langgezogenen Felsplatten. Ich bin froh, nur den Tagesrucksack auf dem Rücken zu haben, den Rest trägt das Muli. Ein Tagesmarsch mindestens trennt uns vom nächsten Dorf, jede Verletzung wäre ein echtes Risiko.

Andere Trekker und ihre Mulikarawane kommen uns entgegen. Sie sind in Colcabamba aufgebrochen und wandern vier Tage unserer Route entgegen. Augustin wartet auf uns am entscheidenden Abzweig. "Abajo acqui, es Tuctupampa – das da unten ist Tuctupampa", erklärt er sachlich und deutet auf bunte Zelte. Inzwischen sind wir so gut akklimatisiert, dass wir selbst auf dieser Höhe von 4200 Metern schlafen wie die Murmeltiere.

Mit Packmulis über den Alto de Pucaraju

Beim Aufstieg treffen wir auf vier Amerikanerinnen, die im gleichen Camp, allerdings viel luxuriöser übernachtet haben. Gaby sitzt auf dem "Cavallo de Emergencia", dem Notfall-Pferd – wenn Beine und Lunge eines Wanderers nicht mitmachen. "Das kommt davon, wenn man an einem Tequila-Abend eine Peru-Reise ausmacht", sagt sie. Sie und ihre Freundinnen wohnen in San Francisco und New York und sind nach nur zwei Akklimatisationstagen gestartet.

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Thomas Roegner
Die Trekkingtour ist extrem abwechslungsreich.

Auf der sechsten Etappe zieht sich der Trek weit über drei Anstiege und Hochtäler auf den extrem steilen Yanaco-Pass. Der Himmel, am Morgen noch blau, trübt sich immer mehr ein, auf der Passhöhe bläst uns plötzlich eisiger Wind entgegen, drohend hängen dunkle Regenstreifen über dem Taleinschnitt.

Schnell ziehen wir Jacken an, Mützen auf, geben bergab Gas. Als ich den letzten Hering einklopfe, spüre ich die ersten Tropfen. Wir schlüpfen ins Zelt und wärmen uns im Daunenschlafsack, während die Gringas aus den USA zwei Stunden später feucht und klamm ankommen.

Längst hat sich eine Morgenroutine entwickelt. Kurz nach Sonnenaufgang klappert Augustin mit dem Geschirr – Zeit zum Aufstehen. Während wir packen, setzt unser Arriero Teewasser auf. Dann sammelt er die Mulis in den buschbewachsenen Hügeln ein. Cavallos, Pferde, nennt er sie stolz. Sie sind sein Einkommen, seine Bank und die Zukunft seiner Kinder. Entsprechend liebevoll behandelt er die drei Grautiere.

Selbst ausgesetzte schmale Trails und rutschige Steinplatten bringen die Mulis nicht aus der Ruhe. Sobald sie beladen sind, gehen wir auf der Karte die nächste Etappe durch. Augustin holt Strecke und Namen wie Murmeln aus seinem Gedächtnisbeutel: "Zuerst am Fluss entlang, dann Huilca, dann Mesapata-Pass, wieder etwas hinab, dann der Pass Caracara, sehr steil", warnt er uns. "Steil bergauf oder bergab?" frage ich. "Beides.

Die härteste Prüfung: der Osoruri-Pass

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Thomas Roegner
Vergletscherte Felsriesen, gigantische Steinzacken - zwanzig Sechstausender ragen hier auf.

An den beiden letzten Tagen geben wir alles. Weil wir acht statt zehn Tage wandern, schrubben wir 42 Kilometer in zwei Etappen ab.

Die härteste Prüfung wartet am Finaltag: der Osoruri-Pass auf fast 4900 Metern, über den wir wieder zur Westseite des Alpamayo gelangen. Er bringt mich an meine Grenzen. 2900 Höhenmeter bergauf und über 3400 Meter bergab weist das GPS für Tag sieben und acht aus. Doch als wir unten die Blechdächer vom Zielort Hualcayan blinken sehen, lassen die Schmerzen in Oberschenkeln und Füßen nach.

"Hay un kiosko con cerveza – verkauft ein Laden dort Bier?" fragen wir Augustin. Das Leuchten in seinen Augen macht eine Antwort überflüssig.

Toureninfo zum Santa-Cruz-Trail

Charakter
Extrem abwechslungsreiche Trekkingtour mit meist mehreren Auf- und Abstiegen am Tag und fernab der Zivilisation. Der Weg führt nur zweimal an kleinen Siedlungen mit eingeschränkten Einkaufsmöglichkeiten vorbei.

Anspruch
Durch die Höhe (ab 3000 bis knapp 5000 Meter) ist der Trail sehr anstrengend. Akklimatisation nötig, am besten ein paar Tage lang in Huaraz.

Anreise
Flüge nach Lima gibt es ab 1000 Euro Dann per Überlandbus nach Huaraz weiterreisen. Die Fahrt dauert acht bis neun Stunden und kostet rund 16 Euro, zum Beispiel bei Cruz del Sur: www.cruzdel sur.com.pe. In Huaraz gibt es "collectivos" – Sammeltaxis, die Wanderer nach Caraz bringen. Von dort fahren weitere Sammeltaxis nach Cashapampa, dem eigentlichen Ausgangsort der Trekkingtour.

Kosten
10 Soles (etwa 2,60 Euro). Individual-Taxis sind teurer (je nach Verhandlungsgeschick um die
40 Euro), aber deutlich komfortabler.

Übernachtung
In Huaraz gibt es Unterkünfte vom einfachen Backpacker bis zur Luxuslodge; auf dem Trek übernachtet man ausschließlich im Zelt.

Beste Zeit
Am geeignetsten sind die Monate von Mai bis September. Bis April herrscht Regenzeit, dann ist der Trek nicht zu empfehlen.

Karte
Die Alpenvereinskarte Cordillera Blanca Nord (0/3 a) deckt den Trek um den Alpamayo ab: entweder in Huaraz oder in Carhuaz im Café El Avuelo für 65 Soles (etwa 16,80 Euro) oder über den DAV, 12,80 Euro. Vor Ort erhältlich: die Mapa Turistica Cordillera Blanca und Carta Nacional im Maßstab 1:100 000.

Buchtipp
Lonely Planet Peru, C.A. Miranda, 14,95 Euro; Peru Trekkingführer, Oskar E. Busch, Bergverlag Rother, 22,90 Euro; Trekkingguide Peru, Matthias Wittber, Bruckmann, über amazon.de neu ab 9 Euro.

Veranstalter
Organisation von Deutschland aus möglich, zum Beispiel über www.dav-summit-club.de oder www.hauser-exkursionen.de. Vor Ort (günstiger, aber gute Spanischkenntnisse nötig) bei www.peruvi anandes.com, www.galaxia-expeditions.com, www.so landino.com, www.activeoperu.com, www.enriqueex pe dition.com, www.perubergsport.com.

Info
Allgemein zu Peru bei www.auswaertiges-amt.de oder speziell zur Region bei www.huaraz.com

Die Etappen der hier vorgestellten Alpamayo-Tour

OD 2011 Touren Alpamayo Peru Santa Cruz Trail
Santa-Cruz-Trail.

1. Tag: Fahrt von Huaraz nach Cashapampa (3 h). Cashapampa (Permit für den Trek: etwa 17 Euro) – Llamacorral
(4 h, 900 Hm im Aufstieg, 9,5 km).
Im Camp Llamacorral gibt es einen kleinen Kiosk, der sogar Bier verkauft.

2. Tag: Llamacorral – Taullipampa
(7 h, 850 Hm im Aufstieg, 420 Hm im Abstieg, 18 km).
An Lagunen vorbei und durch ein schönes Hochtal.

3. Tag: Taullipampa – Tuctupampa
(5 h, 600 Hm im Aufstieg, 600 Hm im Abstieg, 9 km).
Durch die Hochebene und über Serpentinen zum Punto Union (4750 m).

4. Tag: Tuctupampa – Huecrococha
(5,5 h, 750 Hm im Aufstieg, 670 Hm im Abstieg, 9 km).
Über den aussichtsreichen Pass Alto de Pucaraju (4650 m).

5. Tag: Huecrococha – Jancapampa
(6,5 h, 800 Hm im Aufstieg, 1150 Hm im Abstieg, 14 km).
Auf einfachen Trails durch ein wasserreiches Tal; Abstecher ins Dorf (Einkauf!) möglich.

6. Tag: Jancapampa – Huilca
(7,5 h, 1600 Hm im Aufstieg, 900 Hm im Abstieg, 13 km).
Durch Wälder und zwei Hochtäler.

7. Tag: Huilca – Ruina Pampa
(8 h, 1400 Hm im Aufstieg, 1300 Hm im Abstieg, 20 km).
Eigentlich zwei Etappen. Zum Caracara-Pass (4830 m) mit Traumblick auf den Alpamayo.

8. Tag: Ruina Pampa – Hualcayan
(8 h, 1600 Hm im Aufstieg, 2150 Hm im Abstieg, 22 km).
Eigentlich zwei Etappen.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023