Floßbau: Mit dem Floß auf der Isar

DIY Floß
Mit dem Floß auf der Isar

ArtikeldatumVeröffentlicht am 25.12.2025
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Die Sache ist: So richtig Ahnung haben wir nicht. Jens kann zwar extrem gut paddeln und fotografieren, aber ein Floß hat er noch nie gebaut. Ich schon, aber da war ich acht: ein Modellfloß nach eigenem Entwurf, 30 Zentimeter lang. Doch die Idee, mal ein echtes zu bauen, hat mich nie losgelassen, und als Jens den Augsburger Erlebnispädagogen Werner Widmann ins Spiel brachte, da sah ich uns schon stolz die Isar hinabtreiben. Der Werner, so Jens, habe nämlich schon einmal ein Floß gebaut, aus Riesenbambus, mit zwei mächtigen Luftschläuchen als Auftriebskörper darunter. Riesenbambus – was für eine feine Idee, dachte ich. Man kann in Deutschland ja schließlich nicht einfach in den Wald gehen und ein paar Bäume umhacken, ganz abgesehen davon, dass man sie, sollten sie einem nicht ohnehin schon auf den Kopf gekracht sein, dann auch irgendwie zum Wasser transportieren müsste und fachkundig miteinander verbinden. Aber Riesenbambus ist schön leicht.

"Auf das Floß hättest du ein Auto draufstellen können", berichtet Werner auf der Fahrt Richtung Alpen. Ein kleiner Schönheitsfehler: Die Auftriebskörper hat er inzwischen verkauft. Er nimmt aber an, dass der Bambus auch ohne sie zwei Leute trägt. Und nun stehen wir mit dieser Vermutung auf einem Parkplatz über dem Sylvensteinstausee im schönen Isarwinkel, Berge in der Ferne, und laden ab, was wir haben: zwölf Stangen Riesenbambus, auf denen all unsere Hoffnungen ruhen. Dazu ein paar ziemlich morsch aussehende Dachlatten, hastig aus Jensens Garage in den Bus geworfen, und einen Sack voller Spannriemen. Das ist das Material, aus dem unsere Träume sind – heute Test auf dem See, morgen die Isar.

Werner drückt mir eine Rolle Duct Tape in die Hand. Wir kleben die Risse in den etwa viereinhalb Meter langen Bambusrohren ab. Immerhin besitzen sie Kammern, und wenn eine volllaufen sollte, gibt es noch weitere. Ich glaube, so ein ähnliches System hatten sie bei der Titanic.

Eine Politesse kommt vorbei, Parkscheinkontrolle. Sie blickt ein wenig versonnen auf die Rohre im Gras. "Wollt ihr ein Floß bauen?", fragt sie. Wir bejahen. "Wollt ihr damit aufs Wasser?" Wir bejahen noch einmal. Sie fasst sich ans Kinn. "Tapfer", sagt sie.

Werner legt eine der abgeklebten Stangen auf den grünen, sieben Kilometer langen Sylvensteinsee. »Schwimmt«, stellt er fest. Gut, denke ich, einerseits. Andererseits beunruhigt es mich doch ein wenig, dass das eines Tests bedurfte. Und wie soll das Floß überhaupt aussehen? »Nicht zu breit jedenfalls«, sagt Werner. "Sonst kriegen wir auf der Isar nicht mehr die Kurve." Kurven, daran hatte ich zum Beispiel gar nicht gedacht. Und so vier, fünf Stundenkilometer habe die Isar schon, setzt Jens noch eins drauf. Vielleicht ganz gut, dass wir erst einmal auf dem See proben. Im geschützten Raum, wie wir unter Erlebnispädagogen sagen. Und morgen dann à la Thor Heyerdahl den Beweis erbringen, dass man mit einem selbstgebauten Floß von Südamerika aus Polynesien besiedeln kann. Beziehungsweise die zwölf Flusskilometer von Bad Tölz bis Geretsried kommt. Jens hebt die Schultern. "Hauptsache, es sieht wie ein Floß aus. Ob ihr absauft, ist mir egal", sagt er.

Floßbau: auf einem Floß ein Stück die Isar hinabfahren
Jens Klatt

Zwei Sixpacks to go

Wir bauen ganz klassisch: Zwölf Stangen längs nebeneinander, die wir als zwei Sechserpacks nach dem Oben-unten-und-am-Ende-wieder-zurück-Prinzip mit den Spannriemen verbinden. Als Querstangen nutzen wir statt der Dachlatten Treibholz vom Ufer, an dem wir die beiden Sechser verzurren. Die gute Nachricht: Das Floß schwimmt, auch wenn wir draufsitzen. Die nicht ganz so gute: Der Hintern hängt dabei ziemlich tief im Sylvensteinstausee. Worauf wir an die Seiten unseres Gefährts vier luftgefüllte Rollpacksäcke binden, wie man sie nimmt, um darin Klamotten wasserdicht zu verpacken. Und wir stechpaddeln los. Jens hat uns befohlen, die 500 Meter bis zum Ostende des Sees vorzudringen, weil dort die fotogene Walchenklamm beginnt. Wir ziehen am Stock, er steht am Ufer und ruft uns "es ist noch ganz schön weit" und ähnlich Aufmunterndes zu.

Fast eine halbe Stunde dauert es bis zur Schlucht. Das liegt an der wenig schnittigen Floßform, aber auch daran, dass keiner der vier Packsäcke dicht hält, wir also bald wieder unter Wasser sitzen. Der See wird auch immer kälter, je näher die Schlucht rückt. Die Beine werden taub, die Arme brennen, als wir in die bemooste Klamm einfahren. Wohl zwanzig Meter kerbt sie in den Fels. Oben stehen Fichten und ein gut gelaunter Jens. Klackklackklack. "Immer schön weiterpaddeln", ruft er. Ein paar Windungen nehmen wir mit, dann drehen wir um – Jens hat schon genug Spaß gehabt.

Auftrieb tut not

Abends auf der lauschigen Zeltwiese des Campingplatzes Demmelhof, ein paar Kilometer westlich von Bad Tölz, halten wir Rat. Die Jungfernfahrt hat uns nicht überzeugt, und auf der Isar werden wir mit einem Floß, das halb unter Wasser hängt, keine Freude haben. Zumal der Fluss in diesen heißen Julitagen laut Werners River App nur knapp über die Niedrigwassermarke kommt und wir an jedem Stein hängenbleiben werden. Etwas Auftrieb tut not, physikalisch und psychisch. Aber woher nehmen an diesem Samstagabend, wo bald alle Läden schließen? "Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch bei Aldi rein", sagt Jens. "Wir kaufen jede Menge Wasserflaschen, leeren sie aus und packen sie in die Materialsäcke. Das gibt Auftrieb." "Oder zum Baumarkt", sagt Werner. "Vielleicht haben die Tonnen." In Wolfratshausen, 25 Kilometer nördlich, hat noch ein Baywa offen. Werner ruft an, wir hören mit. Keine Tonnen derzeit. "Und destilliertes Wasser?" – "Hommer do." – "Auch im 20-Liter-Kanister?" – "Hommer do." Wir fahren sofort los und kaufen sechs Stück. "Werden wir dann ja sehen, was sie aushalten", sagen wir abends beim Bier.

Man sieht dem Fluss die Kraft an

Und das sagen wir auch beim Morgenkaffee. Laden früh auf, ein bisschen schweigsamer vielleicht als gewohnt, und suchen uns einen Platz zum Zusammmenbauen und Einsetzen. Hinter der Kläranlage am Isar-stausee Bad Tölz entdecken wir eine schöne Kiesbank. Ein paar Kanufahrer lassen sich in ihren Booten an uns vorbeitreiben. Sie müssen nur ein paar Steuerschläge machen, den Rest erledigt der grün blitzende Fluss, der hier und da auch ein paar Kronen wirft. Er hat Kraft, das sieht man. Wir nehmen diesmal drei statt zwei Querstangen, das macht die Sache stabiler. Wir sind alle heiß darauf, aufs Wasser zu kommen, doch als wir das Floß auf die Kanister heben, sacken einige Bambusstangen ab. Wir beschließen, jedes Rohr einzeln an den Querhölzern zu verknoten und nicht nur einen Spannriemen pro Sechser zu verwenden. Jens opfert ein paar alte Wurfsäcke, deren Seile wir in kleine Stücke zerschneiden. Zwei heben das Floß an während einer von uns in Einer- oder Zweierschritten die Längs- mit den Querhölzern verknotet. Es ist ganz schön anstrengend.

Floßbau: auf einem Floß ein Stück die Isar hinabfahren
Jens Klatt

"Zurück zu den Ursprüngen", kommentiert eine Kanufahrerin, die ihr Boot an uns vorbeiträgt und munter in die Isar einschwenkt. "Gewagt", findet es eine andere Gruppe Paddler. Was der ältere Herr denkt, der sich auf seinen Rollator gesetzt hat und unser Tun schon seit einer Weile weise lächelnd verfolgt, erfahren wir nicht. Erlebnispädagogen sind das alles jedenfalls keine. Jetzt noch die Kanister verzurren, und dann: ziehen wir unser Floß in den Fluss.

Die Isar greift sofort an, wir springen hastig auf und paddeln in die Hauptströmung. Wir schwimmen, und das deutlich weiter obenauf als gestern! Das Floß nimmt kräftig Fahrt auf, ab und zu umfahren wir Felsen, richtet Werner hinten das Floß mit dem Paddel neu aus. Unser Gefährt hat den Wendekreis eines Supertankers, und je enger die Kurve, desto genauer müssen wir sie anfahren. Auf welcher Flussseite, lässt sich aus der Ferne nicht immer sagen, aber immer, wenn es zu rauschen beginnt, wissen wir, dass eine frühe Entscheidung und bald wieder schlimmstes Schaufeln angesagt sind. Immer wieder will der Fluss uns in die Außenbahn drängen, wir paddeln dagegen und versuchen ohne Ufer- oder sonstige Kollisionen die Kurve zu kriegen. Ab und zu dreht Werner das Floß so, dass wir flussaufwärts schauen, dreht es wieder zurück, das Wasser schäumt über Bord, Werner brüllt "paddeln", und ich löffle wie wild.

In der vierten oder fünften Windung ragt ein dicker, von Ästen umkränzter Baumstamm von rechts in die Isar und verengt die Fahrrinne deutlich. Wenn ich eines vom Paddeln weiß, dann, dass man nicht unter Baumstämme gezogen werden will, denn man kommt unter Umständen nicht mehr darunter hervor. "Paddeln!", kommt es von hinten. "Paddeln!" Aber wir rauschen genau auf den Baumstamm zu. "Abspringen", ruft Erlebnispädagoge Widmann, und ich springe seitlich weg. Schwimmend kommen wir haarscharf an dem Baum vorbei, Werner hat das Floß zu fassen bekommen, und wir ziehen es ans Ufer. Es ist intakt, aber es hat die Kanister verdreht. Wir verzurren sie neu, dann geht es weiter. Immer wieder kommen Kurven, immer wieder rauscht es, aber wir haben uns eingepaddelt. Ab und zu lädt eine Kiesbank mitten im Fluss zur Rast, wir setzen uns auf Treibholz, spüren dem Schwanken des Flusses nach, blinzeln in die Julisonne, blicken aufs waldgesäumte Ufer und im Hintergrund die Berge. Es hat etwas von Kanada. Lang lebe die Erlebnispädagogik.