Ein Multifunktionsschuh muss einiges leisten: Er soll sich auf Asphalt so leicht und geschmeidig tragen wie ein Turnschuh, gleichzeitig soll er auf Wanderwegen ähnlichen Halt bieten wie ein Leichtwanderstiefel. Außerdem muss er die Füße vor Regen oder nassem Gras schützen. Damit dieser Spagat gelingt, setzen die Hersteller auf geballte Technik. Mehrteilige, stark profilierte Sohlenkonstruktionen versprechen Grip und Stabilität, Dämpfungselemente und Abrollzonen Komfort. Auch das Schuhoberteil, der Schaft, steckt voller Hightech. Versteifungen geben dem Fuß Halt, luftdurchlässige Schäume sorgen für den nötigen Kuschelfaktor. Zusätzlich sorgt bei vielen Modellen ein wasserdichtes, atmungsaktives Futter aus Gore-Tex, Texapore oder Event für den nötigen Nässeschutz.
2008 hat outdoor zehn Multifunktionsschuhe zwischen 115 und 160 Euro getestet. Auf unzähligen Tagestouren in der Fränkischen Schweiz und auf der Schwäbischen Alb bewerteten die outdoor-Tester den Tragekomfort und den Nässeschutz. Das wechselhafte Terrain aus Teerpisten, einfachen Forst- und Wanderwegen sowie holprigen Saumpfaden mit leichten Kletterpassagen stellte die unterschiedlichsten Anforderungen an die Testkandidaten – so zeigten sich schnell deren Stärken und Schwächen.
Die Schuhe in diesem Test
Das leisten die Testkandidaten in der Praxis
Asphaltetappen beispielsweise verlangen nach einer guten Dämpfung und einem geschmeidigen Abrollverhalten, sonst brennen nach einigen Kilometern die Fußsohlen. Fast alle Testmodelle schlagen sich auf diesem Untergrund gut, die besten Noten bekommen die Modelle von Keen und Boreal. Nur beim Trezeta Sioux und Hanwag Approach wünschen sich die Tester eine etwas bessere Dämpfung.
Diese spielt auf gut ausgebauten Forst- und Wanderwegen eine weniger wichtige Rolle, da der natürliche Untergrund selbst schon etwas federt. Vielmehr ist guter Sohlengrip gefragt. Fehlt dieser, wie bei den Sohlen vom Keen Shellrock und Vaude Boulder Race, kommt man auf feuchtem Gras, nassen Wurzeln oder Matsch schnell ins Schleudern. Mit einem ausgeprägten Profil, zum Beispiel beim Jack Wolfskin Star Trekoder Trezeta Sioux, verliert man dagegen selbst im tiefen Schlamm nicht gleich die Bodenhaftung. Der Schaft wiederum bietet bei allen Testschuhen auf Forst- und Wanderwegen genügend Halt.
Das ändert sich, sobald das Gelände steiler wird und Steine oder Wurzeln den Weg in eine Buckelpiste verwandeln. Dann fühlt man sich nur noch in den Modellen von Boreal, Hanwag, Trezeta und Jack Wolfskin sicher. Sie bieten neben dem festen Schaft auch eine verwindungssteife, feste Sohle. Diese stabilisiert den Fuß und verhindert, dass Steine und Wurzeln ins Fußgewölbe drücken. Überbewerten sollte man diesen Einsatzbereich aber nicht: Multifunktionsschuhe sind in diesem Terrain ohnehin nur für äußerst erfahrene, trittsichere Outdoor-Sportler zu empfehlen. Allen anderen bieten die Halbschuhe zu wenig Knöchelhalt.
Spürbare Unterschiede gibt es beim Schuhklima – auch wenn das Niveau des Testfelds hoch liegt. Maßstäbe setzen der Meindl XO und der G3 von Raichle: Beide sind selbst bei brütender Hitze noch recht luftig, während es vor allem in den Modellen von Jack Wolfskin, Keen und Vaude schon etwas feuchter zugeht. Der Nässeschutz wiederum lässt bei allen Testkandidaten nichts zu wünschen übrig.
Die besten Modelle im Test
Zwei Schuhe ragen hier heraus: Meindl und Raichle. Beide tragen sich sehr komfortabel und punkten zudem mit dem besten Klima im Test. Der präzise, sehr stabile Hanwag Approach wiederum überzeugt hauptsächlich auf Klettersteigen und bei Kletterpassagen – die richtige Wahl für Gipfelstürmer, während der Trezeta Sioux auf holprigen und steilen Wanderwegen in seinem Element ist. Die Schuhe von Jack Wolfskin und Boreal schließlich glänzen durch Vielseitigkeit: Sie bieten nicht nur auf anspruchsvollen Wanderwegen eine top Leistung, sondern machen auch auf Teerpisten eine gute Figur.
Hier liegen die Grenzen von Multifunktionsschuhen
Letzten Sonntag auf der Schwäbischen Alb: Ein Ehepaar mittleren Alters stapft mit angestrengter Miene durch den Wald – ausgebremst von seinen wuchtigen Bergstiefeln, die auf den ebenen Wegen wie Fußfesseln an den Füßen hängen. Mit einem guten Paar Multifunktionsschuhe hätten die zwei sicherlich mehr Freude gehabt. Man bewegt sich spürbar leichtfüßiger als mit klobigen Bergstiefeln, außerdem schont die gute Dämpfung Gelenke und Fußsohlen – wer diesen Unterschied einmal gespürt hat, wird auf Tagestouren im Mittelgebirge kaum noch mit schwerem Schuhwerk losziehen wollen.
Überschätzen sollte man Multifunktionsschuhe aber auch nicht. Fast alle Testmodelle streichen die Segel, sobald die Wege steiler und ruppiger werden. Dann bieten die weichen Schäfte und Sohlen nur noch begrenzt Halt, außerdem spürt man jeden Stein und jede Wurzel, wenn man mit dem Fuß dagegenstößt oder drauftritt.
Ausnahme: Sehr stabile Multifunktionsschuhe, wie zum Beispiel der Sioux von Trezeta oder der Jack Wolfskin Star Trek, fühlen sich sogar auf Bergtouren wohl – aber nur, wenn der Träger trittsicher und erfahren ist, denn den fehlenden Knöchelhalt im Vergleich zu einem Wanderstiefel gleicht selbst der festeste Multifunktionsschuh nicht aus.
Fazit: Auf Tageswanderungen über einfache Wege sind Multifunktionsschuhe unschlagbar bequem, in schwierigem Gelände überzeugen dagegen nur noch wenige Modelle. Bergtouren mit geeigneten Multifunktionsschuhen, beispielsweise dem Testmodell von Hanwag, sollten sich nur alte Hasen zutrauen.
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