Mein erstes Iglu - Tipps, Bilder, Videos

Iglu-Bau und Iglu-Übernachtung in den Schweizer Bergen
Mein erstes Iglu - Tipps, Bilder, Videos

Zuletzt aktualisiert am 08.02.2012

Mit einem wohlbemessenen Schlag seiner Hand fügt Philippe eine neue Schneeplatte an. Leise macht es "Tschuk", als die obere Ecke auf die der Nachbarplatte trifft. "Das ist das gute Geräusch", erklärt der Iglubauer. Es muss etwa 30 Mal "Tschuk" machen, bis ein Iglu fertig ist, und das kann beim ersten Versuch einen ganzen Tag dauern. Vierzehn Iglu-Neulinge haben sich unweit der Lidernenhütte in der Zentralschweiz zusammengefunden, um von Philippe und seinen beiden Kollegen das Iglubauen zu lernen. Viel Schnee wird geschaufelt an diesem sonnigen Februartag. Als erstes entsteht ein Graben, aus dessen Seitenwänden die Steine für die Iglus abgebaut werden: Tafeln von der Größe einer aufgeschlagenen Tageszeitung und der Stärke eines Aktenordners. Je nach Härte des Schnees strengt diese Arbeit enorm an. Und der Schnee ist heute besonders hart.

Während der Graben immer tiefer wird und der weiße Aushub nur so durch die Luft fliegt, weist Philippe den ersten Bauplatz aus. Dazu zeichnet er mit einem Zirkel aus Reepschnur und einem Skistock einen Kreis mit einem Radius von 1,10 Metern auf den Boden. Die ersten fertigen Schneetafeln stellt er senkrecht zu einem Ring zusammen. Fast senkrecht. Die beiden oberen Ecken der Tafeln lehnen so an denen ihrer Nachbarn, dass sich jede Platte etwas zur Mitte neigt – das Fundament des Igludoms deutet sich an. Mit seinem Reepschnurzirkel sorgt Philippe dafür, dass alle Plattenecken denselben Abstand zum Mittelpunkt haben, also auf einer Kugelfläche liegen. Andächtig schauen ihm die Iglu-Lehrlinge dabei zu. "Jetzt kommt der Trick mit der doppelten Spirale", sagt Philippe mit seinem bedächtigen Schweizer Singsang und hockt sich in die Mitte des Iglu-Fundaments. Er setzt die Schneesäge an der oberen Ecke einer Platte an und sägt in einer halben Abwärtsschraube so durch das Plattenrund, dass sein Schnitt auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Boden endet. Dasselbe geschieht mit der anderen Hälfte, sodass die Mauerkrone des Iglu-Fundaments bald nur noch aus zwei halben Schraubenwindungen besteht. Philippe steht auf und drückt mir die Säge und Reepschnur in die Hand. "Den Rest machst du jetzt selbst. Achte nur darauf, dass die Plattenecken den gleichen Abstand zum Mittelpunkt behalten."

Es geht leichter als gedacht. An die verbliebenen beiden senkrechten Plattenseiten setze ich weitere Tafeln an. Mit einem seitlichen Schlag meiner Hand bringe ich sie in Position. "Tschuck" macht es. Danach wird jede Platte mit der Schneesäge so zugeschnitten, dass sie nur an den drei Ecken anliegt. Durch die Schräglage auf dem spiralförmigen Fundament stabilisiert sich jedes Bauteil von selbst. Eine ebenso einfache wie geniale Technik. Platte für Platte schraubt sich das Iglu so in die Höhe. "Je kälter es wird, desto schneller geht es", sagt Philippe und spielt damit auf die Motivation an, ins Warme zu kommen.

"Warm" bedeutet bei Iglus zwischen minus fünf und null Grad

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Ben Wiesenfarth

Für zentralheizungsverwöhnte Mitteleuropäer mag das immer noch kalt sein, doch in den lebensfeindlichen Weiten der Polarzonen mit Außentemperaturen bis zu minus 40 Grad Celsius ist das eine beachtliche Wärmeleistung. Für die Inuit konnte sie im Zweifelsfall über Leben und Tod entscheiden. Der oder das Iglu bedeutet auf Deutsch so viel wie "Wohnung". Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein waren die Schneehäuser in den entlegenen Polarregionen durchaus noch als Winterdomizile gebräuchlich, heute verwenden sie die Inuit nur noch in Ausnahmefällen, vor allem als Jagdbehausungen.

Bis unser Wochenendiglu fertig ist, muss es noch ein paar Mal "Tschuck" machen. Leider kommt der Nachschub an Baumaterial ins Stocken. Manchmal sind die Platten zu klein oder zu dünn geschnitten. Wenn ich das beanstande, ernte ich böse Blicke von meinen Teamkollegen Ben und Ralf, die die Teile im Schweiße ihres Angesichtes aus der Schneewand schneiden und zum Bauplatz tragen müssen. "Du darfst ruhig auch mal in den Graben, wenn du es besser kannst" schlägt Ben vor. Aber das geht jetzt nicht mehr, denn ich habe mich selbst schon bis zur Hüfte hin eingemauert. Belämmert schaue ich zu Philippe. "Das ist ganz normal, jetzt musst du es auch zu Ende bauen", sagt er. Juhu! Für den Rest der Bauaktion bin ich vom Dienst im Steinbruch befreit. Dafür wiegt jetzt die Last der Verantwortung umso schwerer, denn verschneide ich mich – und ich werde mich noch ein paar Mal verschneiden – zerstöre ich damit die Steinbrucharbeit von zehn Minuten und riskiere weitere böse Blicke meiner Kollegen.

Doch je weiter wir uns so in die Höhe schrauben, desto kleiner können die Platten werden, bis ich in der letzten Reihe auch die schlechten oder verschnittenen benutzen kann. Das spart Zeit. Und die wird knapp. Tief steht die Sonne schon über dem Hang. Irgendwann setze ich den letzten Stein. Ich habe mich komplett eingemauert. "Jetzt fehlt nur noch der Kältegraben" sagt Philippe, und steckt mir eine Schneeschaufel durch eine Ritze. (weiter auf Seite 2)

Video: So entstand das outdoor-Iglu

Der Weg zum Iglu: Kurse in der Schweiz

Unser Iglu soll noch einen Eingangstunnel bekommen. Er führt unter der Wand hindurch ins Freie, sodass die warme Luft im Iglu eingeschlossen bleibt. Auch dieses Prinzip brachten die Eskimos zur Perfektion. Mehrere Iglus wurden durch Tunnel verbunden, der Schlafbereich nochmals höher als der Wohnbereich angelegt und mit Fellen unterlegt.

Bei uns müssen es heute aufblasbare Isomatten tun. Doch zuerst buddle ich an der Wand des Iglus ein anderthalb Meter tiefes Loch – keine leichte Arbeit, denn der Schnee unter mir wurde durch mein Körpergewicht ganz schön verdichtet. Wie im Bergbau breche ich den Schnee zuerst heraus und schaufele ihn dann aus dem engen Loch in die Mitte des Iglus. Langsam wird es dunkel. Ich bin müde, meine Arme schmerzen vom Graben, doch das Iglu muss fertig werden. Draußen fluchen Ben und Ralf, die mir auf halbem Weg entgegenkommen wollen. Nach einer gefühlten Ewigkeit dringt der Schein einer Stirnlampe durch den Schnee – der Durchbruch! Ein wenig vergrößern wir das Loch. Der erste Versuch, hindurchzukommen, endet in einer Art Geburtstrauma, und so schaufeln wir noch eine ganze Weile, bis der Gang so breit ist, dass man halbwegs bequem rein und raus gelangt. Jetzt müssen nur noch die Schneereste von innen herausgeschaufelt werden, und das Schlafzimmer ist fertig. Mit einem Radius von 1,1 Metern bietet es zwei Leuten bequem Platz, mit drei Personen wird es kuschelig. "Den Bau eines größeren Iglus sollte man sich gut überlegen", sagt Philippe. "Verdoppelt man den Radius, vervierfacht sich die Fläche der Halbkugel und damit auch der Materialbedarf. Man kann also schneller zwei kleine Iglus bauen als ein großes.

Jetzt, wo wir müde auf dem Boden liegen, an die Decke unseres neuen Heimes schauen und über Kugelgeometrie nachdenken, fällt auf, dass doch ziemlich große Spalten frei geblieben sind. "Die könnt ihr noch mit Reststücken zustopfen" sagt Philippe. Wir entscheiden uns lieber für die Frischluftvariante. Die Nacht wird windstill, bei vergleichsweise lauen Temperaturen von minus zehn Grad. Bevor wir uns in die Schlafsäcke verkriechen, gibt es noch Abendessen. Aus dem schmalen Steinbruchgraben vom Morgen wurde ein regelrechtes Amphitheater, das nun als Freiluftküche dient. Fackeln und Glühwein verbreiten Partystimmung, doch allzu lang dauert es nicht, bis alle in ihre neuen Schneehäuser kriechen. Dass es innen behaglich ist, wäre wohl etwas zu hoch gegriffen, man liegt schließlich immer noch auf Schnee. Zum Inuit fehlt mir dann doch noch die nötige Abhärtung. Doch nach einer Weile wird es im dicken Winterschlafsack zu warm, ich öffne den Reißverschluss etwas und nehme die Mütze vom Kopf. Gar nicht dumm, diese Inuit.

Der Weg zum Iglu

Iglu-Know-how: Beim Schweizer Anbieter Iglubauer kostet ein Wochenendseminar inklusive Werkzeug und Verpflegung 220 Franken. Im Netz: www.iglubauer.ch.

Einen kurze Iglu-Bau-Anleitung gibt es in diesem Video und in der Fotostrecke: