Schwertwale
Orca-Angriffe bei Gibraltar

Zuletzt aktualisiert am 18.07.2023
Orcas vor der Küste Alaskas
Foto: Ron Sanford via GettyImages

Sechs Boote sind bisher nach Kontakten mit Orcas im Mittelmeer gesunken. Menschen kamen aber nicht zu Schaden, wie die Stiftung Meeresschutz berichtet. Zuletzt geriet am 24. Juli 2024 an der südspanischen Atlantikküste ein Segelboot in Not, als Orcas Rumpf und Ruder beschädigten. Die dreiköpfige Crew wurde gerettet, bevor das Boot sank. Das ist bereits der zweite Vorfall mit Orcas in diesem Jahr im Mittelmeer. Am 12. Mai sank ein 15 Meter langes Segelboot am Kap Spartel vor der Küste Marokkos aufgrund seiner Schäden.

Schon seit 2020 kommt es immer wieder zu sogenannten Interaktionen zwischen Orcas und Segelbooten in der Straße von Gibraltar und der iberischen Atlantikküste vor Marokko, Portugal und Spanien. Teilweise werden die Boote so sehr beschädigt, dass sie sinken. Die Wale haben es dabei meistens auf das Ruder abgesehen. Sie rammen es scheinbar gezielt, wie Analysen der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe Iberian Orca der Grupo Tabajo Orca Atlantica (GTOA) ergab.

Eine Segelcrew reagierte in Spanien auf die Orcas auf eine denkbar schlechte Art und Weise. Am 17. August 2023 schossen sie in Tarifa auf Orcas, um sie zu vertreiben. Dafür nutzten sie wahrscheinlich Böller oder andere Pyrotechnik, was verboten ist. Zufällig anwesende Whalewatcher nahmen Videos davon auf. Die spanische Polizei ermittelt.

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Von 2020 bis Ende 2022 kam es zu 443 Interaktionen zwischen den geschützten Orcas und Segelschiffen. Knapp 20 Prozent der Boote wurden so schwer beschädigt, dass sie abgeschleppt werden mussten. Zum größten Teil sind Segelboote unter 15 Metern Länge betroffen, wie Wissenschaftler GTOA-Arbeitsgruppe berichten. Nur selten werden Motor- und Fischerboote zum Ziel. Auf einer Onlinekarte erfasst die Arbeitsgruppe die Interkationen.

Anscheinend gingen die Interaktionen von 15 Individuen aus. Das fand die GTOA-Arbeitsgruppe heraus, die die Tiere über die Form ihrer Rückenfinnen und ihre Markierungen identifizierte. Sie benannte die Wale als Gladis-Orcas.

Aber nicht nur Orcas rammen Segelboote. Im Februar 2022 warfen sich Indische Grindwale gegen den Rumpf eines Segelboots vor den Kapverdischen Inseln und bespritzten die Besatzung. Das Boot erlitt einen 30 cm langen Riss, der abgedichtet werden konnte.

Wo kommen Orcas vor?

Die Population der Iberischen Orcas umfasst nur 50 Individuen, ist laut Roter Liste der Weltnaturschutzorganisation IUCN vom Aussterben bedroht und steht unter strengem Schutz. Die verschiedenen Orca-Populationen ernähren sich von unterschiedlichen Beutetieren.

Die Iberischen Orcas haben sich auf Roten Thunfisch spezialisiert, der von Juni bis August in die Straße von Gibraltar und ins westliche Mittelmeer schwimmt, um zu laichen. Die Wale folgen dem Thunfisch hierher und ziehen wieder nach Norden bis in die Biskaya zwischen Frankreich und Spanien, wenn die Thunfische das Mittelmeer verlassen.

Die Schwertwale gehören zur Familie der Delfine und sind mit fast zehn Metern Länge ihre größten Vertreter. Die meiste Zeit bewegen sie sich mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h fort, können aber auch bis zu 55 km/h schnell sein. Schwertwale sind sehr soziale Tiere, leben und jagen in engen Familienverbänden.

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Warum greifen Orcas Boote an?

Noch ist nicht ganz klar, weshalb einige Iberischen Orcas Segelboote gerammt haben. Das Verhalten ist neu. Wissenschaftler gehen aber nicht davon aus, dass die Orcas aggressive Absichten verfolgen.

Generell sind Orcas laut der Non-Profit-Organisation Ocean Care wie eigentlich die gesamte Fauna im Nordostatlantik von Lärm, Müll und Beifang gestresst und den damit einhergehenden Gefahren ausgesetzt. Auch könne durch chemische Verschmutzung des Meeres die Fortpflanzung des Iberischen Orcas beeinträchtigt sein. Dazu hängt die Subpopulation der Iberischen Orcas von der Verfügbarkeit des Roten Thunfischs ab. Dieser ist allerdings stark überfischt und vom Aussterben bedroht.

Eine Ursache des untypischen Verhaltens könne nun laut der Deutschen Stiftung Meeresschutz die Nahrungskonkurrenz mit Fischern oder auch ein Konflikt mit ihnen sein. Die Iberischen Orcas haben gelernt, wie sie Thunfisch von Fischerleinen holen können, was Unmut bei manchen Fischern auslöst. Auch zu viele und intensive Walbeobachtungen könnten eine Ursache der Interkationen sein.

Jedoch habe sich das Verhalten laut der Deutschen Stiftung Meeresschutz bereits verselbstständigt und der ursprüngliche Auslöser sei nicht mehr wichtig.

Eine Theorie könnte glatt aus dem Roman "Der Schwarm" stammen. Die Orcas wollen Rache für ihre Matriarchin "Gladis". Orcas haben ein sehr ausgeprägtes Sozialverhalten. Sie leben in großen Gruppen, mit dem ältesten Weibchen, der Matriarchin an der Spitze. "Gladis" hatte wohl eine schmerzhafte Begegnung mit einem Boot hinter sich, woraufhin sie ihre "Familie" gezielt auf Boote hetzt.

Orcas sind sehr neugierig und lernen voneinander. So wird auch dieses Verhalten innerhalb einer Gruppe erlernt. Laut Ocean Care könne es sein, dass die Wale Spaß daran haben, Boote herumzuschieben und Ruder zu manipulieren. Der Biologe Ulrich Karlowski von der Deutschen Stiftung Meeresschutz kann sich auch vorstellen, dass die Orcas so ihren sozialen Zusammenhalt trainieren oder Koordinationsübungen durchführen.

Dass das Verhalten nun schon seit mehreren Jahren andauert, könnte damit zusammenhängen, dass Jungtiere erwachsenen Orcas bei den Interaktionen zusahen. So könne sich das Verhalten festsetzen und das Boote stoppen zu einer Kultur der Iberischen Orcas werden, sagt die Deutsche Stiftung Meeresschutz.

Dennoch habe das Verhalten hat keinen direkt erkennbaren Nutzen für die Tiere. Doch schon in der Vergangenheit wurden komische Verhaltensweisen beobachtet. Eine Zeit lang platzierten sich einige Orcas tote Fische auf dem Kopf. Diese Marotten können laut Ocean Care plötzlich auftreten, aber auch wieder verschwinden. Man kann hoffen, dass das auch beim momentanen Rammen von Booten der Fall sein wird.