Nach zehn Tagen in der 4500 Meter hohen Rupalwand am Nanga Parbat (8125 m) war Tomaž Humar völlig entkräftet. Das Seil, das am 10. August 2005 von einem pakistanischen Armeehubschrauber zu ihm herabgelassen wurde, konnte er noch einklinken, doch gelang es ihm nicht mehr, seine Selbstsicherung an zwei Eisschrauben zu kappen. Die Rettung vor Augen kam es so beinahe doch noch zur Katastrophe, da der Helikopter gegen die Wand gezogen zu werden drohte. Doch dann riss zum Glück Humars Selbstsicherung. Da die in Longline-Rettungen unerfahrenen Piloten ein dynamisches Kletterseil verwendeteten, wurde der slowenische Alpinist wie bei einem Bungee-Sprung vom extrem überdehnten Seil hochgeschleudert und wäre beinahe am Hubschrauber zerschellt. Dreifaches Glück im Unglück, und die Rettung wurde von den Medien weltweit gefeiert.
Es gab aber auch kritische Stimmen. „Das ist kein Alpinismus, das ist Showbusiness“, schimpfte Humars Landsmann Marko Prezelj über dessen Live-Vermarktung seiner Notlage per Satellitentelefon. Michael Kennedy, heute Herausgeber des „Alpinist“, warf ein, dass man nicht allein in die gefährlichste Achttausender-Wand einsteigen könne, um dann von Unbeteiligten zu verlangen, dass sie ihr Leben riskieren. Und der Alpin-Purist Mark Twight polterte: „Nichts hätte der Entwicklung des Alpinismus so schaden können, wie es diese Rettung getan hat! Von heute an kann jeder Trottel im Himalaya losziehen, bei Bedarf einen Notruf absetzen und hoffen, dass die Kavallerie ihn noch am selben Tag aus dem Schlamassel herausholt.“
Vier Jahre später herrschte pietätsvolles Schweigen, denn diesmal kam für Tomaž Humar jede Hilfe zu spät. Wieder war er bei einem Solo-Versuch in Not geraten und hatte vom 7227 Meter hohen Langtang Lirung in Nepal einen Freund in Slowenien alarmiert, der daraufhin die Air Zermatt um Hilfe bat. Vor Ort scheiterten derweil alle Versuche der nepalesischen Rettungsmannschaften am starken Schneefall und der großen Lawinengefahr. Bis das dreiköpfige Schweizer Team in Nepal eintraf und die bürokratischen Hürden, einen nepalesischen Hubschrauber fliegen zu dürfen, gemeistert hatte, war zu viel Zeit vergangen. Am 14. November 2009 konnten Pilot Robert Andenmatten und Retter Simon Anthamatten nur noch die Leiche des 40-Jährigen bergen.

Dieses Drama führte zu einem Umdenken bei den europäischen Bergrettern. Statt der bis dahin favorisierten Task Force, die bei Notfällen von Europa aus Fernrettungen durchführen sollte, wurden nun andere Ansätze ins Auge gefasst. Im November 2010 fand im Südtiroler Brixen im Rahmen des „International Mountain Summit“ (IMS) ein hochrangig mit Piloten, Bergrettern und Spitzenalpinisten besetzter Kongress zum Thema „Rettung von den höchsten Bergen der Welt“ statt. Dort war man sich einig, dass diese Rettung zukünftig vor Ort organisiert werden müsse, da „in extremer Höhe jede Minute über Leben und Tod entscheidet“, wie es Hermann Brugger, Notarzt und Leiter des 2010 gegründeten Instituts für Alpine Notfallmedizin an der Europäischen Akademie in Bozen (EURAC), ausdrückte. Oder in den Worten des Piloten Gerold Biner von der Air Zermatt: „Aus der Ferne lassen sich nur noch Leichen bergen. Und darauf habe ich keine Lust!“
Biner und sein Kollege bei der Air Zermatt, Bruno Jelk, berichteten in Brixen auch von ihrer im Frühjahr 2010 angelaufenen Kooperation mit der nepalesischen Fishtail Air. Im Rahmen dieses Projekts werden bis Ende 2011 Piloten und Rettungskräfte der Fishtail Air in der Schweiz und in Nepal vor allem in der „Longline“-Technik geschult, um in Zukunft selbständig solche Einsätze durchführen zu können. Während der Hauptsaison im Himalaya waren zudem Schweizer Piloten vor Ort, um ihre Kollegen bei Rettungen zu unterstützen.

Bei Longline-Einsätzen wird ein Bergretter an einem Statikseil bei den zu bergenden Bergsteigern abgesetzt, dann werden diese am Seil hängend bis zur nächsten guten Landemöglichkeit ausgeflogen. Mit dieser Technik sind Rettungen aus steiler Wand möglich, wo kein Hubschrauber landen kann. Die erste Longline-Rettung per Helikopter wurde 1971 ebenfalls von der Air Zermatt in der Eiger-Nordwand durchgeführt und ist in den Alpen inzwischen alltäglich. „In 95 Prozent der Fälle beträgt die Länge der Longline ungefähr 30 Meter, ein paar Mal im Jahr sind 100 Meter nötig, um genügend Rotorfreiheit zu haben, eine 200-Meter-Longline gibt‘s nur alle zehn Jahre“, berichtet Biner.
Himalaya: Die Kehrseite der verbesserten Rettungsmöglichkeiten
Während der Frühjahrssaison 2011 erhielt die Fishtail Air weitere Verstärkung. Nachdem ihm am Gasherbrum II (8035 m) seine dritte Winter-Erstbesteigung eines Achttausenders gelungen war, tauschte Simone Moro Pickel gegen Steuerknüppel und flog mit den Nepalis Rettungseinsätze – obwohl er seinen Pilotenschein erst seit zwei Jahren hat. Doch geht der 43-Jährige seinen Traum, einen Rettungs-Service im Himalaya zu betreiben, sehr zielstrebig an. „Ich möchte meine Klettererfahrung mit dem Fliegen zusammenführen. Da ich die Bedürfnisse der Kletterer kenne, kann ich Rettungen präziser organisieren. Außerdem ist der Himalaya meine zweite Heimat, und ich kenne die meisten Orte, Berge und Täler.“
Die ausländische Unterstützung zahlt sich aus. Noch nie wurden im nepalesischen Himalaya so viele Einsätze geflogen, im Frühjahr 2011 gab es fast täglich Luftrettungen von Bergsteigern und Trekkern. Zudem wurden Flüge durchgeführt, die vor wenigen Jahren noch als unmöglich gegolten hatten. Der bis heute gültige Luftrettungs-Höhenrekord wurde am 29. April 2010 von Air-Zermatt-Pilot Daniel Aufdenblatten und Bergretter Richard Lehner an der Annapurna (8091 m) aufgestellt. Dabei flogen sie drei Spanier, die in Camp 4 auf 6950 Meter festsaßen, einen nach dem anderen aus. Für diese Leistung wurden die beiden Schweizer mehrfach ausgezeichnet, unter anderem im Mai 2011 in Washington mit dem Laureate Heroism Award, einer Art „Nobelpreis der Luftfahrt“.
Als dritter wurde dort Sabin Basnyat geehrt. Doch der Organisator der Annapurna-Rettung und Chefpilot der Fishtail Air konnte seinen Preis nicht mehr entgegen nehmen. Er war mit dem Bergretter Purna Awale im November 2010 beim Versuch, einen Bergsteiger auf 6350 Meter vom Nordgrat der Ama Dablam (6856 m) auszufliegen, abgestürzt. Dieses Unglück macht deutlich, welch hohes Risiko auch erfahrene Piloten eingehen, um Bergsteiger zu retten. Doch oft sind es nicht Alpinisten, die Rettungskräfte in Gefahr bringen, sondern Leute, die nicht mal ihre Steigeisen selbst anlegen können und mit den Anforderungen im Himalaya völlig überfordert sind – da sind Notfälle vorprogrammiert.


Ob unnötig oder unverschuldet in Not geraten, beim IMS war man sich auch darin einig, dass das Rettungssystem und der Aufbau einer adäquaten medizinischen Versorgung keinesfalls nur den Besuchern zugute kommen dürfe, sondern gleichermaßen den Sherpas und der einheimischen Bevölkerung. In Nepal wurde schon vor einiger Zeit ein Fond ins Leben gerufen, in den jeder Tourist, der eine Tour bucht, 20 Dollar einzahlt, damit alle Sherpas in den Bergen für Rettungen und medizinische Versorgung versichert sind. Und in Zermatt gründeten erst kürzlich einige Bergretter eine Stiftung, die Alpine Rescue Foundation, mit der die Ausbildung und Unterstützung von alpinen Rettungskräften weltweit gefördert werden soll (www.arf-zermatt.ch).
Die Kehrseite der Medaille kam in Brixen ebenfalls zur Sprache: dass ein verbessertes Rettungssystem im Himalaya noch mehr Leute an Berge lockt, an denen sie nichts verloren haben, oder Alpinisten zu noch riskanteren Aktionen verleitet. Denn man sollte im eigenen Interesse nicht vergessen, dass Luftrettungen noch immer von günstigen Wetterverhältnissen abhängen und man sich nach wie vor nicht vom Hillary Step abholen lassen kann. Wenn auch am Everest immer weniger echte Bergsteiger unterwegs sind, ein Ponyhof ist er deswegen noch lange nicht. Und die rettende Kavallerie kommt nicht selten zu spät.
Interview: Gerold Biner von der Air Zermatt
Funktioniert das Kooperationsprojekt zwischen Air Zermatt und der nepalesischen Fishtail Air so, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Während der diesjährigen Frühjahrssaison gab es täglich Rettungen. Leider war es so, dass die Einsätze entweder Leuten mit „Pseudo-Kopschmerzen“, erschöpften oder toten Bergsteigern galten. Verletzte waren keine dabei. Oft wurde auch viel zu lange zugewartet, bis wir alarmiert wurden. Nicht selten getrauten sich die Sherpas schlicht nicht, die Luftrettung anzufordern. Auch die Zeit zwischen Alarm und Abheben muss dramatisch verbessert werden. Nach einem Notruf wird immer erst mit der Expeditionsagentur, der Versicherung oder der Botschaft geklärt, ob jemand für die Kosten aufkommt. Vielfach hörten wir von Problemen und konnten erst viel später oder gar Tage nach der Meldung ausrücken und nur noch Tote bergen. Das war natürlich frustrierend! Die Zusammenarbeit mit Fishtail Air klappte ausgezeichnet, und wir konnten neben der Unterstützung bei Rettungseinsätzen auch Trainings mit den Piloten und den Sherpas durchführen, wobei Fishtail Air die nötige Flugzeit zur Verfügung stellte. Zu verbessern gilt es auch noch die Information und die Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen der Luftrettung im Himalaya.
Wo liegen diese Grenzen?
Die meisten modernen Helikopter sind vom Hersteller bis 6000 oder 7000 Meter Druckhöhe (Pressure Altitude) zugelassen. Abgesehen von dieser Zulassungs- und damit versicherungsrechtlichen Seite liefert das Triebwerk auf diesen Höhen gerade noch soviel Leistung, dass ein Schwebeflug außerhalb des Bodeneffektes mit minimaler Zuladung möglich ist. Wir haben uns langsam in diese Höhen vorgewagt und immer wieder die Leistung des Helikopters überprüft. Dies geschieht auf ganz einfache Art und Weise: Man schwebt in großem Abstand vom Boden auf der gewünschten Höhe und kontrolliert, ob der Helikopter mit maximaler Leistung die Höhe noch halten kann. Ist dies der Fall, entscheidet der Pilot je nach Gegebenheit und Örtlichkeit, ob er ein Absetzmanöver oder eine Aktion mit der Leine durchführt. In den vergangenen Jahren haben wir hauptsächlich durch unsere Erfahrungen aus dem Heliskiing im indischen Himalaya das Flugverhalten der Maschine in diesen großen Höhen kennengelernt. Meiner Meinung nach sind Rettungen bis 7000 Meter möglich. Aber nur mit einer weiteren Person neben dem Piloten an Bord. Das heißt, dass erst der Bergretter abgesetzt wird, dann der zu rettende Bergsteiger ausgeflogen und anschließend erst der Bergretter abgeholt wird. Ein Lama-Helikopter nur mit einem Piloten besetzt könnte vielleicht bis auf 8000 Meter fliegen.


Ist ein Rettungsnetz, wie es im Alpenraum existiert, im Himalaya überhaupt möglich?
Von einem Rettungsnetz, wie wir es heute in ganz Europa haben, sind die Nepali natürlich noch meilenweit entfernt. Die Hubschrauberunternehmen wären sehr interessiert und auch lernfähig, es fehlt aber leider an der nötigen Unterstützung seitens der Regierung. Mit zwei Basen in Pokhara und Lukla wären die meisten Gebiete und Bergsteigerzentren ausgezeichnet abgedeckt.
Wird es irgendwann so sein, dass sich „Bergsteiger“ mit entsprechendem Geldbeutel per Hubschrauber vom Südsattel des Everest abholen lassen?
Die Situation hat sich massiv verändert. Sind vor ein paar Jahren die Piloten kaum zu den Basecamps geflogen, werden heute praktisch sämtliche Basecamps der großen Berge fast täglich angeflogen. Höher sollten aber Flüge nur zu Rettungszwecken durchgeführt werden. Wir haben bei der Luftfahrtbehörde unsere Bedenken diesbezüglich hinterlegt und die Piloten auf die heikle Schwelle zwischen kommerziellen Flügen und notwendigen Rettungsflügen aufmerksam gemacht. Mit der Zeit wird sich aber eine Regulierung aufdrängen, da es bereits Wünsche gibt, die sich mit der Ethik des Bergsteigens nicht in Einklang bringen lassen. Nicht selten lassen sich Everestaspiranten nach der Akklimatisation aus dem Basecamp fliegen, um in Kathmandu auszuspannen, bevor es mit dem Helikopter wieder zurück an den Berg geht. Um solche Auswüchse im Keime zu ersticken, konnten dieses Jahr mit den Verantwortlichen des Basecamps am Everest gute Regelungen getroffen werden – dank gütiger Mithilfe von Simone Moro. Hoffentlich machen diese Ansätze Schule! Denn wenn die Expeditionsleiter und Organisatoren die Situation nicht eigenständig regeln und sich auf Richtlinien einigen, wird es strikte Regeln seitens der Regierung geben, die auch die so wichtigen Trainingsflüge zu den Basecamps verunmöglichen. Mit der Zulassungshöhe von maximal 7000 Metern sowie klaren Vorgaben für Flüge oberhalb der Basecamps wäre somit ein „Abholen“ vom Everest auch in absehbarer Zukunft nicht möglich.
Teilen Sie die Meinung von einigen Bergsteigern, dass die Höhenrettung dem Alpinismus seine Ausstrahlung raubt?
Die Ausstrahlung des Alpinismus ist bereits seit langer Zeit vom Himalaya gewichen. Heute gibt es Tage, an denen bis zu 200 Bergsteiger gleichzeitig den Everest stürmen. In den Basecamps gibt es Bäckereien, komfortable Zelte, jeden erdenklichen Luxus und Internet. Die Tage, an denen der Everest von Jiri in wochenlangen Fußmärschen angegangen wurde, sind Geschichte. Alle Achttausender sind bestiegen und von jedem Gipfel ist jemand mit den Skiern abgefahren oder dem Gleitschirm runtergeflogen. Diese Umstände haben dem Alpinismus im Himalaya die Ausstrahlung geraubt und nicht die Rettungen mit dem Hubschrauber!
Gerold Biner, Jahrgang 1963, ist Flugbetriebsleiter bei Air Zermatt, Helikoptermechaniker, Fluglehrer und Hubschrauberpilot mit 12000 Flugstunden und 3000 Rettungen sowie der derzeitige Präsident der ICAR (Internationale Kommision für Alpines Rettungswesen).
Interview: Hermann Brugger vom Institut für Alpine Notfallmedizin der EURAC
Wo liegen die Hauptprobleme bei alpinen Notfällen aus medizinischer Sicht?
Das Hauptproblem bei allen alpinen Unfällen ist der Zeitfaktor. Der Zugang zum Patienten ist meist erschwert, für die Bergung und den Transport sind technische Hilfsmittel und erfahrene Mannschaften erforderlich. Das bedeutet, dass der Patient oft sehr lange extremen Umwelteinflüssen ausgesetzt ist. Das verschlechtert die Prognose und stellt hohe Anforderungen an die Notfallmedizin, da auch die verfügbaren Mittel im Gebirge zwangsläufig auf ein Minimum begrenzt sind. Mit den allgemein angewandten Methoden ist hier nichts zu machen. Es ist praktisch immer notwendig, dass das medizinische Personal eng mit der Bergrettung zusammenarbeitet. Zudem muss sich das medizinische Personal im gefährlichen Gelände sicher bewegen können. Ein guter alpiner Notarzt muss auch ein guter Bergsteiger sein.
Was sind die aktuellen Projekte der EURAC (Europäische Akademie Bozen)? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Zum einen betreffen unsere wissenschaftlichen Untersuchungen den Einfluss extremer Umweltfaktoren wie Kälte, Wind, Nässe, große Höhe auf einen verunfallten Menschen. Das ist Grundlagenforschung, die für das Verständnis der Vorgänge im menschlichen Organismus notwendig sind und ohne die wir nicht imstande sind, Schlussfolgerungen für die optimale Behandlung eines Patienten zu ziehen. Bis diese Grundlagenforschung aber konkrete Auswirkungen auf die Praxis zeigt, können Jahre vergehen. Wir führen deshalb auch Gerätestudien durch, die die Wirksamkeit von medizinischen Eingriffen nachweisen. Aktuell beschäftigen wir uns mit der Unterkühlung und den Möglichkeiten, die Temperatur im Körperinneren zu messen, sowie den Möglichkeiten, einen Patienten mit einfacheren und sicheren Mitteln effizient zu beatmen. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Forschungstätigkeit ist die Datenerhebung bei alpinen Unfällen. Bis heute gibt es keine systematische Erhebung medizinischer Daten bei alpinen Unfällen. Das ist ein großes Defizit und der Grund, warum in der Erforschung alpiner Unfälle großer Nachholbedarf besteht.

Welche Probleme kommen an den höchsten Bergen der Welt hinzu?
Ab einer Seehöhe von circa 3500 Meter nimmt die Zahl der Sauerstoffmoleküle in der Luft so ab, dass die Leistungsfähigkeit des menschlichen Organismus deutlich eingeschränkt ist. Aber nicht nur das, manche Bergsteiger leiden an Symptomen der akuten Höhenkrankheit wie Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, und in schweren Fällen kann es zu Höhenlungenödemen oder Höhenhirnödemen kommen, die häufig tödlich enden, wenn sie nicht sofort behandelt werden. Diese akuten Erkrankungen können auch Mitglieder der Rettungsmannschaften erfassen, da diese in der Regel keine Zeit zur Akklimatisierung haben. Dazu kommt das Problem, dass es für Helikopter in großer Höhe Limits gibt, die auch für den erfahrensten Piloten eine enorme Herausforderung sind und ein großes Risiko für alle Besatzungsmitglieder. Mit zunehmender Höhe treten somit bei der Bergung eines Verletzten die technischen Probleme eindeutig in den Vordergrund. Die medizinische Versorgung beginnt meist erst nach der Evakuierung aus dem kritischen Höhenbereich, das heißt im Basislager oder in der nächstgelegenen First Aid Post. Umso wichtiger ist die medizinische Grundausbildung des technischen Personals, das die erste medizinische Versorgung übernehmen muss.

Was kann man tun, damit auch die einheimische Bevölkerung im Himalaya und Karakorum von den Fortschritten profitiert?
Weite Teile von Pakistan, Nepal und Nordindien sind notfallmedizinisch gesehen Niemandsland. Falls es gelingt, in diesen Ländern in den nächsten Jahren eine rettungsmedizinische Grundversorgung aufzubauen, wird das in erster Linie in den touristisch erschlossenen Gebieten sein, wo durch die Rettung von Bergsteigern aus dem Westen (oder künftig auch dem Osten) eine Finanzierung möglich sein wird. Dort sollte dann auch die einheimische Bevölkerung die Infrastrukturen kostenlos in Anspruch nehmen können. Hier sind in erster Linie die staatlichen Institutionen gefragt, den Aufbau einer Rettungsorganisation in diese Richtung zu gestalten. Allerdings hängt die weitere Versorgung auch davon ab, wie die Bevölkerung in den Krankenhäusern behandelt werden kann. All dies sind noch ungelöste Fragen. In den touristisch nicht erschlossenen Gebieten ist die Situation noch schwieriger, hier ist eine rettungsmedizinische Versorgung derzeit nicht in Sicht.
Hermann Brugger, 1951 in Bruneck geboren, ist Notarzt und Privatdozent an der Universität Innsbruck. Von 2001 bis 2009 war er Präsident der ICAR Medcom, seit 2010 leitet er das Institut für Alpine Notfallmedizin an der EURAC in Bozen.