Ernährung Bouldern
Dos & Donts: Ernährung fürs Bouldern

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Wie ernähre ich mich optimal, wenn Bouldern mein Sport ist? Worauf sollte ich achten?

Gesunde Ernährung, gutes Essen
Foto: Carlos Gawronski via Getty Images
In diesem Artikel:
  • Ernährungstipps fürs Bouldern und Klettern

Beim Bouldern und Klettern verbrauchen wir viel Energie: Bis zu 500 Kalorien pro Stunde gehen dabei drauf. Deshalb ist es besonders wichtig, sich richtig zu ernähren. Bei manchen Aspekten gilt für ambitionierte Kletterer und Boulderinnen das gleiche wie für die Allgemeinbevölkerung – bei manchen jedoch auch nicht. Zum Beispiel kann es für aktive und intensiv trainierende Menschen riskant sein, auf Kohlenhydrate zu verzichten.

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Ralph Stöhr
Bouldern ist ist metabolisch gesehen eine Kraftausdauerbelastung.

Ernährungstipps fürs Bouldern und Klettern

In den folgenden Do's und Dont's haben wir die wichtigsten Ernährungstipps fürs Bouldern und Klettern zusammengefasst. Weiter unten erklärt der Boulderer und Ernährungswissenschaftler Raul Silveira de Souza im Interview die Grundlagen und Hintergründe. Guten Appetit!

1

Do: Frisches Obst und Gemüse

Neben den wichtigen Vitaminen und Ballaststoffen enthält vor allem frisches Gemüse und auch Obst viele sogenannte sekundäre Pflanzenstoffe, die das komplexe Zusammenspiel von Nährstoffen im Körper ergänzen. Sie schützen vor Krebs, Herz-Kreislaufbeschwerden und weiteren Krankheiten und tragen zur optimalen Leistungsfähigkeit bei. Dazu verbessern sie die Regeneration nach Trainingbelastungen und sind damit für Sportler ein wichtiger Ernährungsbestandteil.

Deshalb: 5 Portionen Obst und Gemüse pro Tag einbauen!

2

Don't: Stark verarbeitete Lebensmittel

Unter verarbeiteten Lebensmitteln versteht man gemeinhin Fast Food und Fertiggerichte. Durch die Verarbeitung sind oft nur wenig Nährstoffe darin, dafür aber viele Kalorien und Zusatzstoffe wie Aromen, Stabilisatoren und Konservierungsmittel, die als wenig gesund gelten.

Fertiggerichte und Fast Food sollten daher selten oder gar nicht auf dem Speiseplan stehen.

3

Do: Vollwertig essen

Weißmehl (Weißbrot und Brötchen, normale Nudeln) liefern zwar gut verdauliche Kohlenhydrate, werden aber vom Körper als Zucker verstoffwechselt. Zucker entzieht dem Körper Mineralstoffe und schickt den Blutzuckerspiegel auf Achterbahnfahrt. Deshalb sollte man hauptsächlich auf Vollkornprodukte (Vollkornbrot und -Nudeln, Naturreis oder zumindest Parboiled) setzen. Die darin enthaltenen Kohlenhydrate sind komplexer und bringen neben nachhaltiger Energie mehr Mikronährstoffe mit. Wer Vollkornnudeln nicht mag, kann normale Nudeln mit Vollkornnudeln mischen und damit die Bilanz verbessern.

Vollwertige Ernährung enthält die gleiche Energiemenge, aber deutlich mehr Nährstoffe!

4

Don't: An Kohlenhydraten sparen

Klar, wer übergewichtig ist und sich kaum bewegt, kann mit der Reduktion von Carbs experimentieren, um abzunehmen. Doch für sportliche Menschen kann dieses Experiment nach hinten losgehen, denn ausreichend Kohlenhydrate sind die Grundlage für starke Muskulatur sowie eine gute Erholung und damit Basis jeden Trainings (siehe auch Interview mit dem Ernährungswissenschaftler Silveira de Souza unten).

Kohlenhydrate in ausreichender Menge sind die Grundlage sportlicher Leistungsfähigkeit!

5

Do: Gründlich kauen

Erst wenn man die Nahrung gründlich kaut, kann der Körper damit optimal arbeiten. Denn die im Speichel enthaltenen Enzyme sorgen dafür, dass die Nahrung im Darm gut aufgeschlüsselt werden kann. Ideal ist, die Nahrung so lange zu kauen, bis sie flüssig wird und leicht geschluckt werden kann. Außerdem besteht so weniger Gefahr, dass wir zu viel essen, da das Sättigungsgefühl eher einsetzt.

Kaue jeden Bissen gründlich und vollständig durch!

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Don't: Einseitig essen

Gewisse Vorlieben und Abneigungen beim Essen sind normal. Allerdings ist der Mensch ein Omnivore (Allesesser) und funktioniert am besten, wenn die Nahrung vielfältig und abwechslungsreich ist. Deshalb ist es für die Gesundheit nicht unbedingt zuträglich, wenn man generell gewisses Essen ausschließt ("Ich mag kein Gemüse"). Auch Anhänger bestimmter Ernährungsmethoden (Paleo, raw, vegan und Co) sollten sich gründlich informieren, ob sie alle wichtigen Nahrungskomponenten abdecken. Ideal ist, öfter mal was Neues zu probieren und sich nicht immer von den gleichen drei Gerichten zu ernähren.

Iss bunt und vielfältig, probiere öfter mal was Neues!

7

Do: Nicht am Fett sparen

Öle und Fette haben einen schlechten Ruf, da sie kalorienreich sind und gemeinhin das Körperfett unerwünscht ist. Allerdings gehören Öle und Fette zu den wichtigsten Makronährstoffen. Sie wirken als Geschmacksträger und sind essenziell, um Vitamine und Nährstoffe aufzuspalten. In Körperfett umgewandelt wird vom Stoffwechsel nicht hauptsächlich Fett, sondern vor allem überflüssige Energie – die wir uns meist über Zucker zuführen. Also lieber diesen meiden. Hochwertige Öle gehören auf den Speiseplan, am besten in Form von kaltgepresstem Olivenöl, Nüssen, Samen und fettem Fisch. Fettarme Produkte sind für Sportler nicht günstig.

Fett macht nicht fett. Öl gehört zur gesunden Ernährung dazu!

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Don't: Nach dem Training Alkohol trinken

Die Lage ist glasklar: Alkohol ist ein Zellgift. Schon kleine Mengen Alkohol nach dem Training behindern die Regeneration des Muskelgewebes. Deshalb sollte man vor allem direkt nach dem Sport und auch generell möglichst auf alkoholhaltige Getränke verzichten. Alkoholfreies Bier hingegen ist eine elektrolytreiche und daher empfehlenswerte Alternative.

Bier nach dem Klettern lieber ohne Alkohol!

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Do: Direkt nach dem Training essen

Wenn du länger als eine bis anderthalb Stunden boulderst oder kletterst, gehört schon in die Pause ein kleiner Snack mit Kohlenhydraten: Eine Banane, Trockenfrüchte oder Kekse können hier gute Dienste tun. Auch Saftschorlen helfen, das Energielevel zu erhalten und ebenso, nach dem Training die Wiederauffüllung der Energiespeicher zu beschleunigen. Je eher nach dem Klettern etwas gegessen wird, desto kleiner die von der Belastung verursachte Lücke im Immunsystem und desto besser die Regeneration. Hier dürfen auch einfache Kohlenhydrate herhalten, also Weißmehl und Zucker – solange man regulär davon wenig zu sich nimmt.

Pausensnack nicht vergessen oder Apfelschorle trinken!

10

Don't: Zu wenig essen

Beim Klettern spielt das Kraft-Gewicht-Verhältnis eine Rolle, zugegeben. Für die meisten von uns reicht regelmäßiges Training und ausgewogene, gesunde Ernährung ohne die üblichen Kalorienbomben (Süßes, Fast Food und Alkohol) aus, damit wir ein gesundes Gewicht für gute Kletterleistungen erreichen. Wer dauerhaft zu wenig isst, verschlechtert die Regeneration, verhindert – vor allem beim Kraftaufbau – Trainingseffekte und riskiert im Extremfall ernsthafte Folgen. Das lohnt sich nicht: Weniger Körpergewicht ist immer nur kurzfristig hilfreich, denn es handelt sich dabei um unsere Trainingsmasse. Wenn sich die Muskeln an die geringere Trainingsmasse gewöhnt haben, ist der Gewichts-"Vorteil" wieder dahin. Die potenziell gravierenden Folgen von Unterernährung sind diesen kurzzeitigen Vorteil nicht wert.

Respektiere deinen Körper und gib ihm, was er braucht, damit er stark werden und bleiben kann.

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www.klettern.de
So sollten sich Kraftausdauersportler ernähren: Makronährstoffe nach Menge aufgeteilt.

Richtig Essen fürs Bouldern & Klettern: Interview mit dem Ernährungswissenschaftler

Raul Silveira de Souza ist Ernährungswissenschaftler und Boulderer. Für das Gespräch haben wir uns in Schwäbisch Gemünd getroffen, wo er für seine Promotion in Clinical Exercise Science geforscht hat.

Wie ernähre ich mich schlau als Kletterer?

Es gibt kein Geheimnis (lacht). Die allgemeine Empfehlung gilt auch für Sportler: Eine kohlehydratreiche, ausgewogene Ernährung ist am besten geeignet, um das Training zu unterstützen. Als grober Richtwert gelten 60 Prozent Kohlehydrate, 30 Prozent Fett und 10 bis 20 Prozent Eiweiß.

Ist Eiweiß für Sportler nicht enorm wichtig?

Protein ist eine Komponente, die vor allem für enzymatische Aktivitäten wichtig ist. Für die Leistungsfähigkeit sind Kohlehydrate viel relevanter, um die Regeneration zu fördern und hormonelle Funktionen zu unterstützen.

Viele Sportler schwören auf eine eiweißreiche und kohlehydratarme Ernährung.

Das ist für Sportler eigentlich nichts. Wenn es um Gewichtsreduktion geht, kann man damit experimentieren, aber die positive Wirkung ist noch umstritten. Wenn es um Leistung geht, dann brauchen wir Kohlenhydrate. Und zwar vor allem komplexe Kohlenhydrate, also vollwertig und Vollkorn. Je weniger verarbeitet, desto besser. Fünf Portionen Obst und Gemüse sind nicht einfach in einen Tag zu packen, aber sehr sinnvoll, wegen der Mikronährstoffe und auch wegen der Ballaststoffe, die sättigen und wichtig für die Verdauung sind.

Gilt das auch fürs Bouldern?

Klettern, auch Bouldern, ist metabolisch gesehen eine Kraftausdauerbelastung. Die wird hauptsächlich über Kreatin-Phosphat sowie Blutglukose und Glykogen getragen. Letztere werden wiederum aus Kohlenhydraten gebildet.

Profitieren Sportler von Nahrungsergänzungsmitteln, sie haben ja bei intensivem Training einen erhöhten Bedarf?

Nein. Mit ausgewogener Ernährung kann man prima seinen Bedarf decken, auch als Vegetarier. Sogar Veganer haben nur wenige Stoffe wie etwa B12 und Jod, die sie ab und zu checken sollten. Gesundheitsrisiken, die Vegetarier und Veganer haben, teilen andere Menschen auch. Tatsächlich haben Fleischesser ein größeres Krankheitsrisiko.

Aber die Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), umfassen täglich Fleisch und Milch?

Das sind aus meiner Sicht schwierige Punkte. So ist zum Beispiel Milch nicht unbedingt die beste Calciumquelle, sondern eher Gemüse: Das daraus stammende Calcium ist viel besser für den Körper aufzunehmen. Wenn man es genau nimmt, birgt Fleisch mehr gesundheitliche Risiken als Nutzen. Aus sportwissenschaftlicher Sicht gibt es keinen triftigen Grund, warum man Fleisch essen sollte. Es ist, gelegentlich genossen, eine hervorragende Eiweißquelle – aber die offizielle Empfehlung der DGE mit 70 Gramm pro Tag empfinde ich als nicht sinnvoll. Der Fleischkonsum in Deutschland ist doppelt so hoch wie die Empfehlung. Und es gibt keine Belege dafür, dass intensiv Sport treibende Vegetarier irgendeinen Mangel leiden und nicht ebenso gut ernährt sein können wie Fleischesser. Die anderen Empfehlungen der DGE sind allerdings passend und stimmen mit dem aktuellen Stand der Forschung überein. Problematisch ist auch die konventionelle Landwirtschaft. Wir wissen nicht, was Antibiotika und Pflanzenschutzgifte im Menschen im Einzelfall anrichten. Grundsätzlich ist Bio-Ware gesünder und konventionell produzierten Lebensmitteln vorzuziehen.

Hartes Training richtet ja im Muskel "Schaden” an. Wie kann Ernährung beim "Reparieren” helfen?

Neben Mikro-Faserrissen entsteht beim Training eine systemische Übersäuerung. Da kann man mit Obst und Gemüse die reich an sekundären Pflanzenstoffe sowie Flavonoiden und Betacarotin sind und somit eine antioxidantische Funktion haben, sehr gut unterstützen. Das hilft vor allem gegen die so genannten Freie Radikale und generell auftretenden oxidativen Stress in den Zellen.

Was ist sinnvoll für Kletterer, die gern leicht sein wollen?

Leicht sein heißt nicht unbedingt stark sein. Ein langfristig zu niedriges Gewicht erschwert optimale Leistung. Und letztlich ist stark und kräftiger meist gesünder. Gerade für Frauen ist die Reduktion von Energie bei intensivem Training gesundheitlich riskant. Deshalb ist vermutlich das wichtigste, stark zuckerhaltige Nahrung und Süßigkeiten wegzulassen, also leere Kalorien. Aber der Zuckerreiz ist stark und Disziplin ist nicht leicht. Man kann versuchen, mit Obst die Zuckerlust zu befriedigen. Und vielleicht hilft der Gedanke daran, dass Ernährung neben Schlaf und Training die wichtigste Schiene für gute Leistung ist.

Ernährungsempfehlungen basieren auf Beobachtungsstudien – wie kann man daraus solide Ratschläge herleiten?

Korrelationen sind natürlich keine Kausalitäten. Und bei Ernährung hängt viel vom Einzelfall ab. Aber es gibt Wahrscheinlichkeiten. Und Ausnahmen. Also zum Beispiel Helmut Schmidt, der sein Leben lang geraucht hat und nicht an Lungenkrebs gestorben ist. Trotzdem ist der Zusammenhang von Rauchen und Lungenkrebs nicht von der Hand zu weisen.

Vielen Dank Raul!

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Archiv Silveira
geboren 1985, Ernährungswissenschaftler, Master in Clinical Exercise Science, promoviert an der Uni Potsdam in Clinical Exercise Science; er klettert seit 1999, Weltcup Teilnahme in Wien 2011.

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