- Klettern im bayerischen Voralpenland: Fels-Schmankerl vom Chiemgau bis zu den Berchtesgadener Alpen
- Top Ten: die 10 besten Klettergebiete in Chiemgau und Berchtesgadener Land
- Info: Essen, Trinken, Schlafen zwischen Aschau und Bad Reichenhall
Klettern im bayerischen Voralpenland: Fels-Schmankerl vom Chiemgau bis zu den Berchtesgadener Alpen
Südlich des Chiemsees, hinter der bekannten Kampenwand, verstecken sich viele kleine und größere Sportklettergebiete. Vom Anfänger bis zum Hardmover kommen hier alle auf ihre Kosten.

Fährt man von Westen über Rosenheim in den Chiemgau, erblickt man als erstes die besagte Kampenwand als felsige Zackenkrone über den vorgelagerten Waldhügeln. Vor zwei oder drei Generationen spielte sich der lokale Klettersport noch fast exklusiv dort oben, hoch über dem Chiemsee ab. Hier trainierten die Rosenheimer Kletterer für den Wilden Kaiser und die Dolomiten. Ebenso ihre Traunsteiner Kollegen. Wobei die auch noch das "Heandl" hatten, die Hörndlwand bei Ruhpolding. Klettergärten waren damals noch Fehlanzeige. Sie kamen erst in den 70er- Jahren mit dem Einzug des Sportklettergedankens auf. Aber selbst dann waren es nur vereinzelte Spots mit jeweils ein paar Hand voll Routen für einen kleinen, besonders motivierten Kreis. Das hat sich grundlegend geändert. Besonders in den Tälern "hinter" der Kampenwand – also im Achental, rund um Ruhpolding und Inzell sowie im Raum Bad Reichenhall – sind viele Klettergebiete entstanden. So finden sich zwischen Kampenwand und Saalach an die 1000 Sportkletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden, die meisten davon perfekt mit Bohrhaken abgesichert.
Sportklettern im Achental
Zum meistfrequentierten Gebiet der Region hat sich der Talkessel der Tiroler Ache entwickelt. In diesem liegt der malerische Ort Schleching, der 2017 vom DAV sogar zum "Bergsteigerdorf" geadelt wurde. Damit ist es also offiziell: Hier kann man klettern! Und tatsächlich sogar ziemlich gut. Im Umkreis von rund fünf Kilometern Luftlinie befinden sich mehr als ein halbes Dutzend Klettergebiete und Klettergärten, die über dem Ort aufragende Kampenwand noch gar nicht eingerechnet. Selbst die kleineren, weniger bekannten Gebiete haben ihre Reize: Zum Beispiel die eindrucksvolle Hochwand am Lackenberg mit ihren grandiosen 40-Meter-Ausdauerrouten, die schattige Burgauer Wand als kühler Zufluchtsort im Sommer, das Auerwandl als Anfänger- und Familienfels und das Pleitewandl als sonnige Wand an kalten Spätherbsttagen.

Das größte und bekannteste Klettergebiet bei Schleching ist die Zellerwand. Es ist schon erstaunlich, wie sich so ein Fels entwickeln kann. In den ersten Jahren nach seiner Erschließung in den 1990er Jahren galt der Klettergarten als brüchig und dreckig. Zahlreiche Locals – allen voran Christoph Müller, dessen Vater den Campingplatz unterhalb der Wand betreibt – kümmerten sich über viele Jahre eifrig um die Wand. Sie sorgten nahezu überall für perfekte Absicherung, entfernten loses Gestein, putzten Griffe und befestigten den Wandfuß. Aber genauso wichtig: Die Kletterer kamen jetzt in großer Zahl. Viele Kletterfelsen, die im Wald stehen, bleiben nur attraktiv, wenn dort regelmäßig geklettert wird, sonst verdrecken die Routen schnell wieder oder wachsen zu. Mit etwa 200 Routen gehört die Zellerwand nun zu den größten Massiven in ganz Bayern. Gerade im breitensporttauglichen Schwierigkeitslevel vom sechsten bis zum neunten Grad bietet sie eine sehr attraktive Routenauswahl. Mit Campingplatz samt Badesee ist sie das optimale Gesamtpaket für einen längeren Aufenthalt.
Perfekt auch für Softmover
Noch eine Perle hat das Achental zu bieten. Bereits auf Tiroler Seite, nur wenige Schritte hinter dem Grenzstein, befindet sich oberhalb der Bundessstraße nach Kössen der Klettergarten Klobenstein. Geklettert wird hier schon lange. Andreas Dögerl (zeitweise Bürgermeister in Marquartstein) sicherte sich bereits 1984 den Klassiker Kiel holen (9). Für die Klettergruppe "HG Klobenstoana" aus Kössen ist hier sozusagen der verlängerte Stammtisch. Jeden Mittwoch Abend treffen sie sich im Sommer an der Wand, kraxeln, ratschen, fighten, flaxen, stürzen und punkten, bis es dunkel wird. Danach gibt’s dann noch ein Bier unten im Gasthaus Klobenstein. Oder auch zwei. In den letzten Jahren haben die Klobenstoana dem Gebiet eine Frischzellenkur verpasst. Die niedrigen, weniger steilen Wände direkt über der Straße wurden geputzt und eingebohrt, das perfekte Softmovergebiet. Fünf Minuten oberhalb, im traditionellen Sektor, wurden die technisch anspruchsvollen Routen saniert und gründlich durchgeputzt sowie um zeitgemäße Linien ergänzt. Mit etwa 100 Kletterrouten, die sich über das komplette Spektrum vom dritten bis zum zehnten Grad verteilen, gehört Klobenstein jetzt zu den Top-Adressen im Chiemgau.

Die Traunsteiner Hausgebiete
Weiter im Osten verlässt die Traun die Chiemgauer Alpen. Ihr Einzugsgebiet beherbergt die Spielplätze der Traunsteiner Kletterer. Die Region hat den Vorteil, etwas abseits der dicht besiedelten Ballungsräume zu liegen. Dazu kommt, dass sich fast alle Klettergebiete zusätzlich mit längeren Zustiegen vor den großen Massen schützen. Dementsprechend geht es an den Felsen vergleichsweise ruhig und entspannt zu. Eine Ausnahme bildet dabei der Klettergarten Ruhpolding. Die Routen sind leicht, der Zustieg kurz und der Wandfuß komfortabel, alle Zutaten also für ein Modegebiet. Dass es sich dabei um einen aufgelassenen Steinbruch handelt, mit erwartbaren Qualitätseinbußen für die Kletterei, stört das in Frage kommende Publikum hingegen wenig.
Klettern im Kühlschrank
Dafür ist die Güte des Gesteins bei den anderen Felsen der Region meist tadellos bis begeisternd. Zum einen ist da der Klettergarten Bergen. Ein abgelegener Fels mit langem Zustieg und vorwiegend schwierigen Routen ab dem 8. Grad. Die meiste Zeit des Jahres sind die Routen nass, die schattige Nordwand genießt auch den Titel "Kühlschrank des Chiemgaus". Perfekt daher für die heißesten Tage des Jahres. Ähnliches gilt für den Pointnergraben bei Ruhpolding. Nachmittags bekommt die Wand zwar irgendwann doch noch Sonne – trotzdem ist sie eher etwas für den Sommer, bis Ende Juni ist sie ohnehin gesperrt. Dafür ist der Zustieg kürzer und das Nässeproblem nicht so dominant.

Sportkletterer, die vor längeren, steilen Zustiegen nicht zurückschrecken, finden zudem in den Nordhängen über Inzell drei tolle Gebiete mit perfektem Fels, grandioser Aussicht und beschaulicher Ruhe in der Natur: Gamsstoana, Angersteinwand und Zehnerstein. Axel Eidam – von allen nur "Fax" genannt – ist der unumstrittene Hausmeister in dieser Ecke des Chiemgaus. Er war es auch, der die letztgenannten Gebiete zum großen Teil erschloss oder die ersten Routen seines verstorbenen Freundes Horst Hamral sanierte. Für den längere Zeit gesperrten Pointnergraben suchte er eine Lösung mit den Behörden und entwickelte ein Kletterkonzept, das sich seither bewährt hat.
Wo Helden gemacht werden
Das Sportklettern in Berchtesgaden war immer schon etwas spezieller und oft von Mythen umrankt. Eine eingeschworene lokale Szene hat sich hier schon früh zu Höchstleistungen gepusht – am Fels genauso wie bei der Vernichtung vergorener Getränke anlässlich des alljährlichen "Karlstoa-Festes". Der Klettergarten Karlstein ist auch heute noch der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens, zumindest der offizielle. An den knapp 200 Routen kann man sich die Finger ordentlich lang ziehen. In den schwierigen Wegen ist oft knallhartes Krallen an kleinsten Leisten angesagt. Die Huberbuam haben sich an diesen Wänden ihre Grundlage für spätere Heldentaten geholt. Karlstein bietet aber auch in den unteren und mittleren Schwierigkeitsgraden lohnende Routen. Die anschließende Einkehr in der urigen Bergwirtschaft beim Kugelbachbauern ist hier integraler Bestandteil des Kletterns.

Ein weiterer lohnender Klettergarten mit insgesamt moderaterem Schwierigkeitslevel ist der Katastrophenfels in Schneizlreuth. Ansonsten dominieren die alpinen Routen an der Reiteralm, am Hochkalter, am Hohen Göll und am Untersberg. Mit dem Sportklettern hingegen ist es etwas ambivalent. Es gibt noch weitere kleine und große Klettergebiete, die aber aus verschiedenen Gründen nicht an die große Glocke gehängt oder gar mit Topos veröffentlicht werden. Einerseits ist der Nutzungsdruck vom nahen Großraum Salzburg enorm, anderseits liegen die Felsen entweder im Nationalpark, wie zum Beispiel das Endstal mit der berühmten Huberroute Om (9a), oder auf sensiblem Privatgelände wie Teile der eindrucksvollen Barmsteine. Wer sich in den Testpieces von Karlstein das Vertrauen der Locals erklettert, kann aber durchaus mal unvermittelt in ihrer Gesellschaft woanders landen. Denn eigentlich wollen sie die Gebiete ja dann doch nicht so ganz geheim halten, nur so ein bisschen.

Achental
1. Zellerwand: Langgezogene Felswand – im rechten Teil bis zu 70 m hoch. Etwa 200 Routen von 4 bis 10, Schwerpunkt 6 bis 8. Abwechslungsreiche Routen von plattig bis überhängend an oft großen Löchern. Südseitig aber meist im Wald. Wandfuß meist abschüssig und nur eingeschränkt familientauglich.

2. Klobenstein: Diagonal ansteigender Felsriegel mit insgesamt 100 Routen. An den drei unteren Sektoren eher kurze Wege im Level 3 bis 7, am Hauptsektor bis zu 40 m lange Routen mit Schwerpunkt im 7. bis 9. Grad. Oft technisch anspruchsvoll an Leisten sowie Risse und Verschneidungen. Südseitig, aber teils im Wald, Wandfuß oft abschüssig, an den unteren Sektoren familientauglich.

3. Pleitewandl: Südseitiger Felsriegel mit mehreren Sektoren, von denen aber nur die Hauptwand baumfrei und damit sehr sonnig ist. Insgesamt etwa 80 Routen mit Schwerpunkt vom 7. bis 9. Grad. Überwiegend Leistenkletterei. Absturzgefährlicher Einstiegsbereich, nicht familientauglich.
Hochwand: Bis zu 100 m hohe Felswand mit langem Zustieg (ca. 1 h). Etwa dreißig 35 bis 40 m lange Ausdauerrouten im 7. bis 9. Schwierigkeitsgrad. Westseitig, nachmittags Sonne, abschüssiger Wandfuß. Senkrechte Wandkletterei an Leisten und Löchern.

Burgauer Wand: Schattige Wand mit etwa 30 Routen. Schwerpunkt 6. bis 9. Schwierigkeitsgrad. Abschüssiger Wandfuß, oft etwas beengte Verhältnisse.
4. Auerwandl: Beliebte Wand mit rund dreißig Routen, Schwerpunkt im 4. bis 6. Grad und einigen kurzen Boulderrouten im 8. und 9. Grad. Bequemer Wandfuß – aber direkt an viel befahrener Forststraße (Bikes, Almbauern). Südseitig, im Sommer ab 16 Uhr im Schatten.
Traunsteiner Gebiete
5. Bergen: Schattige Wand mit langem Zustieg (1 h) und etwa 70 Routen mit Schwerpunkt im Level 7 bis 9. Hauptsächlich steile Kletterei an sehr rauem, wasserzerfressenem Fels Marke Hornhautkiller. Nur im Hochsommer und in Trockenperioden zu empfehlen.
6. Klettergarten Ruhpolding: Zwei unterschiedliche Sektoren eines ehemaligen Steinbruchs mit insgesamt etwa 35 Routen. Im ersten Sektor kurze Sportkletterrouten im Level 4 bis 7, im hinteren Sektor bis 80 m lange Mehr-Seillängen-Routen an geneigten Platten ebenfalls von 4 bis 7. Sonniger und bequemer familienfreundlicher Wandfuß, Steinschlaggefahr beachten!

7. Pointnergraben: Steile Schattenwand am Rauschberg mit teils athletischer Lochkletterei für warme Tage. Insgesamt etwa 50 Routen mit Schwerpunkt vom 7. bis 10. Grad. Bis Ende Juni gesperrt.
8. Inzell: An der Nordwestflanke des Gamsknogel gibt es drei schöne Klettergebiete: Gamsstoana, Angersteinwand und Zehnerstein. Die Zustiege sind je nach Gebiet zwischen einer guten halben bis fast zwei Stunden lang. Die insgesamt etwa 80 Routen verlaufen durchweg über besten, kompakten Fels mit Leisten und Löchern.

Berchtesgadener Land
9. Karlstein: Traditionsklettergebiet mit fast 200 Routen. Schwerpunkt vom 7. bis 10. Schwierigkeitsgrad aber auch Betätigungsmöglichkeiten im Level 4 bis 6. Südseitige Exposition, teils im Wald. Wandfuß stellenweise familiengeeignet. Kletterei hauptsächlich an Leisten und an Löchern, oft schon recht speckig.
10. Schneizlreuth: Bis zu 30 m hoher Felsblock im Wald hinter Schneizlreuth mit vorwiegend südost- und nordwestseitigen Routen. Auch im Sommer teils schattig, trocknet eher langsam ab. Etwa 60 Routen von 5 bis 10 in kompaktem, oft technisch anspruchsvollem Fels.
Kletterführer
Bayerische Alpen Band 1: Chiemgau & Berchtesgaden, M. Stadler, Panico-Verlag 2019, 34,80 € (inkl. Freischaltcode für Vertical-Life-App), enthält alle beschriebenen Gebiete sowie das komplette Kampenwandgebiet und die Hörndlwand.

Weiterführende Info
Auf der Website des Autors unter www.stadler-markus.de gibt es bei Bedarf aktuelle Infos zu den beschriebenen Gebieten, wie z.B. Neutouren oder Sperrungen.
Anreise
Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln erfolgt über die Bahnstrecke München-Salzburg. Regionalbahnen fahren von Traunstein nach Ruhpolding und von Freilassing nach Bad Reichenhall. In die anderen Orte fahren jeweils Busse ab Bernau am Chiemsee und ab Traunstein, die teils direkt an den Parkplätzen halten allerdings nicht sehr häufig verkehren. Das Klettergebiet Bad Reichenhall kann man vom Bahnhof Karlstein gut zu Fuß erreichen. Bei einem längeren Urlaub, zum Beispiel in Schleching oder Ruhpolding, empfiehlt es sich ein MTB mitzunehmen, womit man vor Ort die meisten Gebiete auch ohne Auto schnell erreichen kann.
Unterkünfte für Kletterer
Schleching: Camping Zellersee direkt unter der Zellerwand. Idealer Stützpunkt für Kletterer im Achental mit Badesee, Kiosk und Biergarten.
Oberwössen: Campingplatz Litzelau in Brem mit Gaststätte. Liegt etwa einen Kilometer nördlich von Oberwössen und eignet sich als Ausgangspunkt für die Gebiete Burgauer Wand, Pleitewandl, Auerwandl und Hochwand, deren Ausgangspunkte 1 bis 2 km weg sind.
Ruhpolding: Camping Ortnerhof etwas südlich oberhalb des Ortes, jeweils etwa 4 km zu den Ausgangspunkten von Pointnergraben und Klettergarten Ruhpolding.
Inzell: Camping Lindlbauer – neuer, moderner Zeltplatz am Ortsrand, von dem aus man zu Fuß zu den Gebieten Gamsstoana, Angersteinwand und Zehnerstein kommt. Zum Pointnergraben sind es 5 Kilometer, nach Schneizlreuth und Karlstein jeweils ca. 10 Kilometer.
Darüberhinaus gibt es in allen Talorten Gasthöfe, Pensionen und Ferienwohnungen. Auskünfte zu freien Zimmern erhält man am besten bei den Fremdenverkehrsämtern.
Abseits des Kletterns
Die Chiemgauer Alpen sind eine prädestinierte Mountainbike-Region. Es gibt unzählige Forststraßen die kreuz und quer durchs Gebirge führen, dazu jede Menge beschilderte Trails. Der nahe Chiemsee ist ein beliebtes Ausflugsziel zum Baden, Surfen, Segeln oder um das Königsschloß auf der Herreninsel zu besichtigen. In Ruhpolding und Marquartstein gibt es Märchenparks für Kinder. In der Tiroler Ache kann man raften oder paddeln. In Reit im Winkl und in Piding gibt es Klettersteige. Für Schlechtwettertage empfehlen sich Besuche des Mammutmuseums in Siegsdorf, des Holzknechtmuseums in Ruhpolding oder des Salzbergwerks in Berchtesgaden.