Unfälle beim Klettern vermeiden
Ablassen: die 4 gröbsten Fehler

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Unfälle beim Ablassen treten oft auf und haben teils fatale Folgen. Mit diesen Grundregeln lassen sich die meisten Fehler vermeiden.

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Foto: Ralph Stöhr

In diesem Artikel:

  • Die Situation
  • die 4 häufigsten Fehler beim Ablassen
  • Richtig Ablassen: So geht's
  • Fazit
  • In der Fotostrecke: Richtig ablassen mit Grigri, Tube, Smart, Clickup

(Text von Christoph Hummel und Julia Janotte, DAV Abteilung Sicherheitsforschung)

Von der Gesäßprellung bis zum gebrochenen Steißbein, vom umgeknickten Sprunggelenk bis zum Trümmerbruch der Ferse, von drei Tage Kletterpause bis zu lebenslänglich Rollstuhl – die Folgen von Ablassfehlern sind vielfältig. Andere Sicherungsfehler bleiben oft ohne Konsequenzen, weil sie sich nur auswirken, wenn der Kletterer genau in dem Moment des Fehlers stürzt.

Unsere Highlights

Beim Ablassen ist dies anders: Der Kletterer hängt ja schon mit vollem Gewicht im Seil. Ein kleiner Fehler führt dann unmittelbar zu einer brandgefährlichen Situation, die blitzschnell im Bodensturz endet. Gerät der Ablassvorgang einmal außer Kontrolle, ist es fast unmöglich, die Situation noch zu retten.

Und die Unfallstatistik belegt: Das geschieht gar nicht so selten! Rund 20 Prozent aller uns gemeldeten Bodenstürze passieren beim Ablassen. Damit bei diesem eigentlich einfachen Vorgang in Zukunft nicht mehr so viele Unfälle passieren, haben wir Unfallmeldungen gesichtet und Unfallmuster herausgearbeitet.

Fehler Nr. 1: Fehlende Kommunikation

Auszug aus einer Unfallmeldung: „Kletterer hat die Umlenkung geclippt, ist dann leicht ins Seil gesprungen und fast ungebremst durchgerauscht. Grounder auf Fallschutzboden. Sichernde konnte Gewicht nicht halten und hat Handverbrennungen an beiden Händen.“ Wenn der Sichernde gerade noch am Seilausgeben ist und noch nicht „Zu“ gemacht hat, der Kletternde aber direkt reinspringt, ohne das OK vom Partner abzuwarten, ist dies einem unerwarteten Sturz gleichzusetzen und birgt ein höheres Unfallrisiko. Aus unserer letzten Kletterhallenstudie wissen wir: Unerwartete Stürze beim Seilausgeben sind am heikelsten!

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Ralph Stöhr
Beim Ablassen sollte der Sichernde seinen Kletterer im Auge behalten.

Fehler Nr. 2: Zu schnell abgelassen

Zu schnelles Ablassen und ein daraus resultierender Kontrollverlust ist eine der häufigsten Ursachen für Ablassunfälle. Formulierungen aus Unfallmeldungen lauten folgendermaßen: „Beim Ablassen wurde die Geschwindigkeit immer schneller, bis der Kletterer ab ca. 5 m nahezu ungebremst auf dem Boden aufschlug.“ Fazit: Lendenwirbel angebrochen. Oder: „Beim Ablassen wurde Seil zu schnell, Sichererin erschrickt, Smart daraufhin nach oben gerissen – Bodensturz“. Auch wenn es vermeintlich cool ist, seinen Partner schneller als andere abzulassen – es ist ein unnötiges und gefährliches Spiel!

Fehler Nr. 3: Ablasshebel durchgerissen

Bei Geräten mit Ablasshebel muss zum Ablassen die Blockierfunktion durch Anziehen des Hebels aufgehoben werden. Eine typische Unfallmeldung: „Sicherer hat den Ablasshebel beim Grigri voll durchgezogen. (…) Der Kletterer ist quasi ungebremst auf dem Boden aufgekommen. Beim Kletterer ist ein Wirbel angerissen, ein weiterer ist angebrochen.“ Bei Geräten mit Ablasshebel besteht die Gefahr, dass der Sichernde – wenn die Ablassgeschwindigkeit zu groß und das Seil in der Hand heiß wird – den Hebel reflexartig noch weiter durchreißt. Der Bodensturz kann dann nur noch durch aktives Loslassen des Ablasshebels verhindert werden, was unglücklicherweise dem natürlichen Reflex, bei Erschrecken die Hand zum Körper zu ziehen, widerspricht.

Fehler Nr. 4: Kein Knoten im Seilende

Vor allem am Fels passieren immer wieder unnötige Unfälle, weil das Seil zu kurz ist und beim Ablassen das Seilende durchs Gerät flutscht. Ein Knoten im freien Seilende verhindert solche Unfälle. Bei einem korrekt durchgeführten Partnercheck gehört der Kontrollblick zum freien Seilende aus diesem Grund zum Standardprozedere! Selbst wenn man weiß, dass das Seil lang genug ist („Für die 10-Meter-Route in der Halle reicht es allemal“) sollte der „Knoten im Ende“ immer gemacht werden. Am Fels variieren die Routenlängen, und gerade in neueren Sportklettergebieten sind die Routen oft über 30 Meter lang, sodass das Standard-60-Meter-Seil beim Ablassen oft zu kurz ist.

Richtig Ablassen

Kommunikation
Wenn der Kletternde abgelassen werden möchte, gibt er das Kommando „Zu!“. Der Sichernde nimmt daraufhin Seil ein, bis es straff ist. Dann kann sich der Kletterer "ins Seil setzen" und das Kommando „Ab!“ geben. Der Sichernde beginnt erst dann mit dem eigentlichen Ablassvorgang, wenn der Kletternde mit vollem Gewicht im Seil sitzt. Bei eingespielten Seilschaften kann die Kommunikation auch nonverbal erfolgen – solange sie stattfindet!

Tempokontrolle
Langsam beginnen und das Ablasstempo erst nach den ersten Metern kontrolliert steigern. Bei einer geraden Wand oder plattigen Wandneigung (= Der Kletterer muss sich beim Ablassen von der Wand wegdrücken oder sie sozusagen nach unten 'laufen') sollte man sehr langsam ablassen, damit der Kletterer nicht ungünstig gegen die Wand prallt.

Landung
Im bodennahen Bereich sehr langsam ablassen und auf einen freien Landeplatz achten.

Fazit

Bei Unfällen spielen in der Regel mehrere Faktoren zusammen. Häufig beginnt die Fehlerkette mit mangelnder Aufmerksamkeit oder Sorglosigkeit beim Sichernden. In Kombination mit schlechter Kommunikation und Fehlbedienung des Gerätes kann dies dazu führen, dass die Ablassgeschwindigkeit zu groß wird und der Sichernde daraufhin die Kontrolle verliert. Ein großer Gewichtsunterschied zwischen Kletterer und Sicherer verschärft die Problematik zusätzlich. Außerdem: Immer Knoten ins Seilende machen! Dann kann es nie zu Ablass­unfällen aufgrund eines zu kurzen Seils kommen.

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07 / 2023

Erscheinungsdatum 06.06.2023