Die häufigsten Notfälle im Gelände
Bähnerdehnung/-riss
Umknicken, Ausrutschen oder Stürzen: die Top drei der Unfallstatistik beim Wandern. Die plötzliche, ruckartige Drehbewegung des oberen Sprunggelenks oder des Knies, führt zu einer Überdehnung der Bänder. In schweren Fällen können diese auch an- oder durchreißen. Leichte bis starke Schmerzen und Anschwellung sind die Folgen. Die als Akutmaßnahme bis dato noch oft empfohlene PECH-Regel sagt: Pausieren, Eis (kühlen), Compression (ein elastischer Stützverband), Hochlagern. Der Punkt "Kühlen" ist unter Experten jedoch umstritten.
Knochenbruch
Die betroffene Körperstelle in einer schonenden, ruhigen Haltung lagern, bei Beinbrüchen hilft dabei etwa eine seitliche, weiche Polsterung, bei Frakturen der Hand oder des Unterarms kommt das Dreieckstuch zum Einsatz: In den 90-Grad-Winkel des Tuchs einen Knoten machen und den Arm in der Schlinge ablegen. Offene Verletzungen deckt man steril ab und verbindet sie nur locker. Je nach Schwere der Verletzung und Gelände Notruf absetzen.

Rückenprobleme
Ein falsch gepackter oder eingestellter Rucksack führt oft zu Schmerzen im unteren Rücken, Nackenverspannungen, Schulterziehen, Scheuerstellen am Beckenknochen und/oder den Schultern. Treten neben den Rückenschmerzen Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühl und motorische Störungen in Beinen oder Armen auf, handelt es sich möglicherweise um eine Wirbelsäulenverletzung. Dann sofort Notruf absetzen und die Person so wenig wie möglich bewegen.
Schürf-/Platzwunden
Bei Platzwunde hat das stoppen von starkem Blutverlust Priorität. Hier hilft Hochlagern und Druckverband. Bei sehr starkem Blutverlust die Rettungskette einleiten. Kleinere Wunden ruhig etwas bluten lassen (Selbstreinigung) und vorsichtig mit steriler Kompresse oder sauberem Wasser grobe Schmutzreste entfernen. Dann desinfizieren und per Pflaster oder Verband sauber halten.

Insektenstiche
Ob Moskitos, Flöhe, Bremsen, Wespen, Bienen oder Hornissen zustechen oder beißen, Rötungen, Schwellungen, Juckreiz und teils starke Schmerzen sind die Folge. Harmlos, für diejenigen die nicht unter einer Allergie leiden. Linderung bieten kühlende Umschläge, spezielle Gels sowie Hausmittel wie eine aufgeschnittene Zwiebel. Allergiker haben hoffentlich ihr Notfallset (Adrenalin, Antihistaminikum, Kortison) dabei – und ihre Begleiter vorher informiert.
Zeckenbiss
Beim Aufenthalt in Wiesen und Wäldern, ritzen Zecken die Haut ihrer Opfer auf und saugen sich fest – gerne in den Arm- und Kniebeugen, den Achselhöhlen oder am Haaransatz. Da die Bisse nicht schmerzen bleiben sie erstmal unbemerkt. Die wichtigste Maßnahme nach einer Tour im Grünen ist das Absuchen des Körpers und schnellstmögliche Entfernen der Parasiten, mithilfe einer Zeckenzange oder -karte. Kommt es später zu Jucken, Rötungen, grippeartigen Beschwerden oder Kopfschmerzen, fand womöglich eine Übertragung von FSME-Viren oder Borrelien statt. Infizierungssymptome müssen dringend ärztlich untersucht werden.
Fremdkörper im Auge
Bei Aktivitäten im Freien – besonders beim Radfahren – keine Seltenheit: Ein Insekt oder ein kleines Partikel wie ein Sandkorn oder eine Polle landet im Auge und bleibt zwischen Hornhaut und Augenlid hängen. Das Auge reagiert mit Tränen und Blinzeln, um den Störenfried loszuwerden. Klappt das nicht, sollte reiben vermieden werden: Das kann den Fremdkörper tiefer hineintreiben und zu Verletzungen führen. Stattdessen nimmt man ein sauberes, angefeuchtetes Tuch und tupft den Eindringling zur Nase hin heraus. Auch Ausspülen mit Wasser hilft, dabei mit den Augen rollen. Gelingt das Entfernen nicht oder bleibt das Fremdkörpergefühl bestehen: ab zum Augenarzt.
Sonnenstich
Intensive Sonneneinstrahlung führt zu einer Reizung der Hirnhäute - die entsandene Entzündungsreaktion macht sich erst Stunden später bemerkbar. Die Symptome reichen von Kopfschmerzen, gerötetem Kopf, Schwindel, Fieber und Übelkeit bis zum Erbrechen und in schweren Fällen sogar bis zum Bewusstseinsverlust. Hier hilft das kühlen des Nacken- und Kopfbereichs mit feuchten (aber nicht eiskalten!) Tüchern sowie Ausruhen mit leicht erhöhtem Oberkörper. Und vorallem: Wasser trinken nicht vergessen!
Hitzeschlag
Bei Anstrengung in großer Hitze bei gleichzeitiger Unterversorgung des Wasser-Elektrolyt-Haushalts, kommt es häufig zur Hitzeerschöpfung, bis hin zum Hitzeschlag. Die typischen Merkmale der Hitzeerschöpfung: Blässe, Schwächegefühl mit schwachem, schnellem Puls und (kaltes) Schwitzen, auch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Verschlimmert sich die Situation, kommt es zum Hitzschlag, dessen Folgen von Krämpfen und Halluzinationen über Bewusstlosigkeit bis hin zum Organversagen/Tod reichen können. Ein ähnlicher Vorgang wie beim Sonnenstich ist auch hier hilfreich. Kommt es jedoch zum Hitzeschlag, sollte der Rettungsdienst alarmiert werden.
Unterkühlung
Kein ausreichender Schutz gegen Nässe und Kälte oder ein Sturz ins Wasser lassen die Körpertemperatur auf unter 37 Grad sinken. Im 1. Stadium kommt es zu Zittern, einem hohen Puls und schneller Atmung. Hier können Bewegung und Heißgetränke helfen. Ansonsten folgt das Abflachen des Pulses und der Atmung und es kommt zu Apathie/Schläfrigkeit. Betroffene sollten dann flach gelagert und nicht bewegt werden - außerdem Rettungskette in Gang setzen. Im 3. Stadium droht die Bewusstlosigkeit und der Kreislaufstillstand.
Blasenbildung
Sitzen Schuhe und Socken nicht richtig, kann es an Ferse, Ballen oder Zehen zu Reibungsstellen kommen. Lösen sich dadurch zwei Hautschichten voneinander, strömt Gewebsflüssigkeit in den entstandenen Hohlraum ein und die gefürchtete Blase entsteht. Auf ein erstes Scheuergefühl und leichte Rötung folgen stärker werdende Druckschmerzen, bei offenen Blasen besteht die Gefahr einer Wundinfektion, die sich durch Anzeichen wie Wärme, Schwellungen, üblen Geruch und Eiterbildung bemerkbar macht. Bei kleineren Exemplaren reicht ein Blasenpflaster, das weitere Reibung verhindert. Größere, unter Spannung stehende Blasen sollte man nur mit einer sterilen Nadel vorsichtig aufstechen und trocknen lassen, dann ebenfalls mit einem Pflaster schützen. Eine ärztliche Untersuchung ist nur dann notwendig, wenn sich bei einer offenen Blase Symptome einer Entzündung zeigen.
Interview mit DAV-Hochtouren und -Skitourenführerin sowie Einsatzleiterin der Bergwacht Krün Dani Hornsteiner
Was können Berggeher tun, um das Unfallrisiko von vorneherein schon bei der Planung zu minimieren?Prävention ist ein unglaublich wichtiger Punkt. Dazu gehört eine fundierte Tourenplanung. Die Tour sollte immer den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Im Hochsommer bietet sich ein früher Start an, um Hitzegewitter zu vermeiden. Wenn die Kräfte nachlassen oder die Zeit knapp wird, sollte man rechtzeitig umdrehen. In die Dunkelheit sollte man nicht geraten. Für den Notfall gehört eine Stirnlampe ins Gepäck – und genügend Essen und Trinken, um einem Hungerast oder einer Dehydrierung vorzubeugen. Sonnenschutz in Form von Creme, Mütze und Sonnenbrille sowie den Bedingungen angepasste Bekleidung wie Regenjacke, festes Schuhwerk und eine Daunenjacke sind ebenfalls essentiell. Auch Stöcke wirken präventiv, weil sie einem Stabilität geben. Dazu kommt ein Erste-Hilfe-Set und ein Biwaksack in den Rucksack.
In dem Moment, in dem ich anfange, darüber nachzudenken, ob ich Hilfe brauche oder nicht, bin ich bereits in der Unsicherheit. Ab da kann ich aufhören, intern mit mir zu diskutieren, und setzte sofort einen Notruf ab. Natürlich gibt es Fälle, die man auch selbst bewältigen kann: Die Freundin fällt bei einer einfachen Wanderung hin, ihre Hand tut etwas weh und ist leicht geschwollen, sie kann sie aber noch gut bewegen – in diesem Fall kann ich mit einfachen Mitteln wie Kühlen und Ruhigstellen helfen. Solange sie gut absteigen kann, braucht es wahrscheinlich keine Rettung. Habe ich jedoch Zweifel und fühle mich überfordert, dann wähle ich sofort die 112.
Bei gutem Wetter sind wir komplett draußen. Wir versetzen unsere Teilnehmer in realitätsnahe Unfallszenarien, die sie von Anfang bis zum Eintreffen der Bergwacht selbstständig lösen dürfen. Anschließend wird alles nach-besprochen und reflektiert. Das vermittelt: Jetzt kommt es auf mich an! Der Adrenalinspiegel geht in einer nachgespielten Situation hoch. Die Teilnehmer fangen an zu schwitzen, ihr Herz rast. Irgendwann macht dein Verstand keinen Unterschied mehr, ob das echt ist oder nicht. Unser Ziel ist es, unsere Teilnehmer auf allen Ebenen zu erreichen, nur dann ist Lernen nachhaltig. Wenn ich Sorge und Betroffenheit spüre, aber auch die Freude, jemandem richtig gut geholfen zu haben
Das komplette Interview inklusive aller Tipps findet ihr als Paid-PDF zum Download hier:
Erste-Hilfe-Set für unterwegs
Um für den Notfall gut gerüstet zu sein, gehört in jeden Wanderrucksack ein gut bestücktes Erste-Hilfe-Set. Was alles hineingehört – und was du sonst noch so dabeihaben solltest.
- Pflaster
- Einmalhandschuhe
- Tape (mindestens 2,5 cm breit)
- 2 sterile Mullkompressen
- Dreieckstuch
- 2 Verbandspäckchen
- Rettungsdecke
- kleine Schere
- Pinzette
- Steri-Strips (Kletterer)
- Desinfektionsmittel Eigenbedarf
- Vaseline Gauze (MTB)
- Schmerzmittel Eigenbedarf
Alpine Notsignale und Heli-Rettung
Unfälle passieren meist anderen. Doch was, wenn man selbst in Not gerät? Wenn man aus eigener Kraft nicht mehr den Rückweg antreten kann? Dann – und nur dann – holt ihr euch Hilfe. Mit einem Handy kein Problem (europaweit: 112). Und ohne? Da gilt das alpine Notsignal: sechs kurze Licht- oder Schallsignale in einer Minute. Danach eine Minute Pause. Empfängt man ein Notsignal, bestätigt man es mit drei Signalen pro Minute – und holt sofort Hilfe. Die Bestätigung zeigt dem Notrufenden, dass er entdeckt wurde und Hilfe unterwegs ist. Als Signalgeber eignen sich Lampe, Pfeife oder reflektierende Gegenstände (z.B. Alufolie). Befindet sich ein (potenzieller) Helfer in Sicht-, aber außer Hörweite, sollte man ihm über die Körperhaltung mitteilen, ob man Hilfe braucht oder nicht. Wie's funktioniert, zeigen wir euch in der Bilderstrecke:
Wenn der Hubschrauber kommt
Abseits von Pisten und Fahrwegen kommt die Rettung meist per Heli. Zum Landen braucht er einen festen, ebenen Platz von 25 mal 25 Metern. Achtet darauf, dass keine Gegenstände wie Jacken, Skier oder Äste herumliegen – sie werden sonst vom Abwind aufgewirbelt. Haltet stets Augenkontakt mit dem Piloten und nähert euch nur nach Aufforderung an – geduckt und von vorne.
Der Heli fliegt allerdings nicht bei jedem Wetter. Wer in einer solchen Lage stürzt, erschöpft oder bewusstlos liegen bleibt, muss – nach Erster Hilfe – in Sicherheit getragen werden. Am besten gelingt das mit der Römer-Seiltrage, zumindest, wenn man ein Seil (ab 30 m) und vier bis sechs Helfer auftreiben kann.