Ganz knapp vor dem Lockdown am 8. März fand es im Berliner Bouldergarten noch statt: das Felsheldinnen Festival. Das Festival war von den zwei Berliner Kletterinnen Anna Wenzel und Melle Beukert ins Leben gerufen worden, um ein Zeichen für Frauen im Klettern zu setzen. Anna hatte die Idee, nachdem sie vom Women's Bouldering Festival in Fontainebleau gehört hatte. Und das Stereotyp, dass doch noch mehr Männer als Frauen klettern und bouldern, etwas aufbrechen wollte und mit einem Festival den Raum schaffen wollte, Frauen untereinander Kontakte schließen zu lassen, sich gegenseitig zu motivieren und zu inspirieren. Tagsüber gab es Workshops zu kletterrelevanten Themen von Frauen für Frauen, danach eine Podiumsdiskussion und schließlich die Deutschland-Filmpremiere des Films "Pretty strong".

Wie bei dem Konzept der Frauenquote im Berufsleben traf auch das Festival auf Kritik, zum Beispiel fühlten sich manche Männer ausgegrenzt (das Festival wurde erst abends zur Podiumsdiskussion für Männer geöffnet). Die knappste Antwort auf die Frage, warum es ein Festival für Frauen braucht, ist wohl die Antwort, dass eben die gesamtgesellschaftliche Situation sich auch im Klettern wiederfindet und es eine Quote wohl solange gibt, wie sie nötig ist, um eine augeglichene Repräsentation der Geschlechter zu fördern. Weitere Antworten finden sich auch in den Interviews (unten), die wir mit einigen der Workshop-Referentinnen geführt haben. Außerdem haben wir sie gebeten, die wichtigsten Tipps aus ihren Workshops mitzugeben, damit wir alle noch was von den starken Mädels lernen können!

Befragt haben wir Frauen, die als Kursreferentin, Routenbauerin und Festival-Gründerin zum Felsheldinnen Festival kamen.

Wer bist du?
Ich heiße Nora Caterin Born. Momentan bin ich hauptberuflich selbstständige Routenbauerin und mache nebenbei Videoproduktion.
Was war dein Job beim Felsheldinnen Festival?
Im Zuge des Felsheldinnen Festivals habe ich am Samstag, einen Tag vor dem Festival mit Sarah, Lucy und Malou zusammen einen Wandbereich im Bouldergarten neu beschraubt. Am Tag selbst habe ich gefilmt und dann ein Aftermovie über die Veranstaltung gemacht.
Welche Erfahrungen nimmst du mit?
Es war das dritte Mal für mich, in einer reinen Frauengruppe zu schrauben. Meistens bin ich als freie und externe die einzige weibliche Schrauberin in einer sonst männlichen Runde. Obwohl ich persönlich nie ein Problem damit habe, ist es trotzdem eine ganz andere Stimmung und sehr angenehme Atmosphäre, nur unter Frauen zu arbeiten.
Wieso war ein Frauenkletterfestival wichtig und was muss passieren, damit es überflüssig wird?
Ich finde es einerseits unglaublich wichtig, dass es Events wie dieses in einem geschlossenen sicheren Rahmen für Frauen gibt, andererseits traurig, dass diese immer noch notwendig sind.
Das Festival war geprägt von einem sehr harmonischen gemeinschaftlichen Umgang miteinander, befreit von Zurschaustellung, Bewertungen oder Beurteilungen und Grenzüberschreitungen. Natürlich lässt sich eine solche Atmosphäre auch in gemischten Gruppen finden, doch bis unsere Gesellschaft komplett frei von Geschlechterdiskrepanzen ist, stehen uns noch eine Menge harter Arbeit und Sensibilisierung für das Thema bevor.
Mich hat das Felsheldinnen Festival sehr inspiriert, da ich selbst schon seit Längerem mit dem Gedanken spiele, einen Schrauberinnen-Workshop anzubieten und mich viel mit dem Geschlechterungleichgewicht und leider alltäglichem Sexismus in meinem Berufsfeld auseinandersetze.
Kannst du dafür ein Beispiel nennen?
Das reicht von – in Anführungszeichen – 'nettgemeinten' Bemerkungen wie 'soll ich dir die Leiter halten?' bis hin zu offensichtlich abwertenden Kommentaren und Handlungen, die mir zu verstehen geben, dass ich als Routenbauerin nicht so viel wert bin wie ein Routenbauer. Glücklicherweise gibt es in der Kletterszene auch viele schöne Gegenbeispiele.
Ich möchte Frauen und Mädchen dazu motivieren, mehr an sich zu glauben, selbst den Akkuschrauber in die Hand zu nehmen, zu sich zu stehen und sich auszuprobieren. Ich würde gerne in einer Gesellschaft leben, in der es normal ist, dass Frauen Maschinen bedienen, handwerklich arbeiten, Boulder schrauben und das ganz einfach nicht mehr kommentiert werden muss.
Danke Nora! (Ihr findet Nora auf Instagram unter @nora.caterin.born)

Wer bist du?
Ich bin Martha Karpeter und habe vor vier Jahren mit dem Bouldern angefangen. So schnell, wie mich dieser Sport begeistert hat, vereinnahmte mich auch das Wettkampfklettern. Mit solchen tollen Serien wie dem Ostblock-Cup ist das auch nicht wirklich schwer! [Bei dem sie als Berliner Landesmeisterin im Bouldern regelmäßig auf dem Podium landet, Anm.d.Red.] Neben dem Bouldern bin ich Softwareentwicklerin in einem kleinen Berliner Unternehmen und mit meinem Mathestudium so gut wie fertig. Mein Leben besteht also praktisch nur aus Problemlösen!
Was war dein Job beim Felsheldinnen Festival?
Stella und ich haben den Dyno-Workshop zusammen gegeben. Wir sind beide im Team Berta Block – deshalb ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, im Alltag mit einer ganzen Truppe starker Frauen zu trainieren. Das ist ein riesiges Privileg, ich weiß es sehr zu schätzen und möchte Teil davon sein, diese Energie bei solchen Events weiterzugeben.
Welche Erfahrungen wolltest du den Teilnehmerinnen mitgeben?
Einen Dyno als Fliegen und in Slowmotion wahrzunehmen. Das macht unglaublich viel Spaß und öffnet einem die Tür zu so viel mehr Kletterei!
Wie hast du das gemacht?
Wir haben Strategien erforscht, mit denen man aus verschiedenen Startpositionen Momentum generiert, um möglichst weit und in die gewünschte Richtung zum Zielgriff katapultiert zu werden.
Deine drei Tipps für Menschen, die nicht dabei sein konnten?
Erstens: Videoanalyze!! Das können auch echt viele Goes werden bei gewissen Dynos. Sich das Video nach jedem Versuch anzugucken, bremst einen etwas und man vermeidet in zu viel Aufregung zu geraten, und dann einen Versuch nach dem nächsten in die Wand zu setzen ohne dabei auf Qualität zu achten. Immer anschauen: Was ist beim letzten Versuch schief gegangen und welche Parameter kann ich beim nächsten verändern?
Zweitens: Bewegungen in Phasen aufteilen, zum Beispiel: Momentum generieren, loslassen und Flug initiieren / abspringen, fliegen, beim Zielgriff ankommen, Schwung loswerden. Diese können von Boulder zu Boulder sehr unterschiedlich ausfallen!
Drittens: Die ganze Bewegung in Slow-Motion erleben, sodass man die Zeit zu reagieren maximiert. Das erhöht die Präzision bei komplexen Bewegungsabfolgen.
Wieso war ein Frauenkletterfestival wichtig und was muss passieren, damit es überflüssig wird?
Es wird überflüssig, wenn man als Frau nicht einen Boulder unversucht lässt, weil man vorher 'nen starken Dude dran scheitern gesehen hat. Wenn es nicht auf die kleinen Hände oder offenen Hüften von Frauen geschoben wird, dass sie etwas schafft, was er nicht schafft. Wenn es normal ist, im eigenen Hallenalltag, starke Frauen in der Halle bouldern und trainieren zu sehen.
Hast du noch etwas hinzuzufügen, wonach ich nicht gefragt habe?
Dies war der erste solche Workshop für mich, aber sicher nicht der letzte – ich fand es sehr inspirierend! Wenn es in Zukunft Kurse oder Workshops von mir geben wird, werde ich das auf Instagram unter @marthakarp teilen!
Danke Martha!

Wer bist du?
Ich heiße Michèle Knaup und bin 37 Jahre alt. Das Klettern habe ich 2007 am Fels in Spanien für mich entdeckt und bin seitdem ständig draußen unterwegs, vornehmlich Sportklettern in Frankreich und Spanien. Gelegentlich teste ich meine mentale Stärke bei alpinen Abenteuern unter anderem in den Dolomiten, in Schottland oder auf Korsika. 2010 habe ich parallel zu meinem Job als Pressesprecherin bei Globetrotter angefangen, Klettertrainings und Coachings beim DAV Hamburg zu geben. 2013 habe ich dann beides (Job und Training) an den Nagel gehängt und war zwei Jahre mit meinem Freund (seit 2018 ist er mein Mann) reisen und klettern. 2015 zurück in Hamburg begann ich als Stützpunkttrainerin den Hamburger Leistungskader in den Bereichen Lead, Speed und Bouldern zu trainieren. Zudem arbeitete ich mehrere Jahre festangestellt in einer Kletter- und Boulderhalle als Trainerin im Bereich Breiten- und Leistungssport. Neben der Praxiserfahrung aus dieser Zeit bringe ich die DAV-Trainerlizenzen C und B Sportklettern Leistungssport und C und B Mentaltraining Leistungssport (DMA) mit. Seit August bin ich wieder mal in meinen VW-Bus umgezogen und bin zurzeit freiberufliche Trainerin.
Was war dein Job beim Felsheldinnen Festival?
Ich habe zwei Workshops zum Thema 'Mentale Stärke' angeleitet. Ich kannte Anna, eine der Veranstalterinnen, vom Klettern, und sie hat mich gefragt, ob ich Lust hätte, mitzumachen. Ich habe mich für das Thema Mentale Stärke entschieden, weil ich im Training mit weiblichen Athletinnen in der Halle aber auch am Fels die Erfahrung gemacht habe, dass Frauen oft zögerlich und ängstlich sind, weil sie sich ihrer Fähigkeiten nicht bewusst sind.
Welche Erfahrungen wolltest du den Teilnehmerinnen mitgeben?
Mehr Spaß und schnellere Fortschritte beim Klettern durch eine bessere Selbsteinschätzung, mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das Wahrnehmen von hinderlichen Gedanken und die Fertigkeit, selbständig besser Alternativen zu diesen Gedanken zu finden.
Wie hast du das gemacht?
Ich habe mich im Workshop auf zwei Themen fokussiert – erstens: realistische Selbsteinschätzung, und zweitens: Selbstgesprächsregulation (also sozusagen die Regulation des inneren Monolog, den wir mit uns führen).
Hier ein schöner Kurzfilm, den ich dazu als kleine Einleitung gezeigt habe:
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Zum Thema realistische Selbsteinschätzung haben wir unsere Stärken und Schwächen jeder für sich schriftlich gesammelt. Hier zeigte sich bei beiden Workshops, dass fast alle Mädels zwar ihre Schwächen, aber kaum ihre Stärken kennen. In diesem Zusammenhang haben wir das Theme Selbstbild und Leistungswahrnehmung thematisiert. Als Übung, um eine realistische Selbsteinschätzung zu bekommen, haben wir einige allgemeine Übungen zur Selbstwahrnehmung gemacht, bei denen es darum ging, ganz bewusst körperliche Funktionen wahrzunehmen: Bewegungen, die Muskeln, Atmung und Puls, und den Vergleich nach körperlicher Belastung. Als weitere Übung haben wir Prognose- und Feedbacktraining gemacht. Dazu waren wir an der Systemwand und die Mädels sollten einschätzen wie weit sie maximal von einem bestimmten Startgriff zu einem Zielgriff ziehen können. Der Griff wurde, ohne vorher testen zu dürfen, markiert. Danach wurde in 'echt' ausprobiert und verglichen. Dabei kam heraus, dass sich circa zwei Drittel der Teilnehmerinnen unterschätzt hatten und im echten Versuch weiter kamen als gedacht. Der Rest hatte sich, wie sich im Gespräch herausstellte, einen Griff ausgesucht, wo sie wussten, dass sie sicher ankommen. Daraufhin haben wir die Komfortzone, Angst vorm Scheitern und das Thema 'Selbsterfüllende Prophezeihung' aufgegriffen. Schließlich haben wir als weiterführende Augabe eine Prognose zum Luftanhalten gemacht. Alle musste einschätzen und schriftlich festhalten, was sie denken, wie lange sie die Luft anhalten. Dann haben wir das ganze noch mal mit einer ganz konkreten Zeit als Zielsetzung gemacht und im Anschluss Vorteile und Möglichkeiten durch konkrete Zielsetzungen thematisiert.
Damit haben wir manch unbewusst ablaufende Mechanismen ins Bewusstsein geholt. Der nächste Schritt war dann die Selbstgesprächsregulation, da zitiere ich gern Lisa Hayes: 'Be careful how you talk to yourself – because you are listening' – mit den Erkenntnissen aus der ersten Runde ging es dann um die Macht der Gedanken. Hier haben wir vor allem einschränkende Glaubenssätze und Downtalking behandelt.
Eine Übung dazu war, sich eine oder mehrere Situationen ins Gedächtnis zu rufen und zu beschreiben, in denen diese negative Gedanken und Glaubenssätze aufgetaucht sind und massiv gestört haben. Dazu haben wir eine Tabelle angefertigt: Nachdem wir die Situationen ausgemacht haben, in denen diese Gedanken kommen und in mehreren Schritten als Alternative ein eigenes Skript angefertigt haben, ging es noch um Aufmerksamkeitslenkung: Geistige Kontrolle beginnt mit der Entscheidung: Worauf richte ich meine Aufmerksamkeit? Auf einen negativen Input oder auf eine positive Alternative? Dazu haben wir den Gedankenstopp geübt und einen persönlichen positiven Glaubenssatz verschriftlicht.
Was wären deine Tipps oder Ansätze für Menschen, die nicht dabei sein konnten?
Das Thema ist schwierig und auch langwierig. Über viele Jahre eingeschliffene Denkmuster brauchen Zeit, um verändert zu werden. Optimal ist natürlich ein 1:1-Training mit einer Mentaltrainerin! Meine Tipps: Erstens: ganz viel üben, zweitens: Geduld und drittens: mit Rückschlägen rechnen und weitermachen!
Wieso war ein Frauenkletterfestival wichtig und was muss passieren, damit es überflüssig wird?
Puh, das finde ich schwierig. Das Wort 'überflüssig' zielt ja darauf ab, dass es Ungleichheiten gibt, die beseitigt werden können. Das sind, denke ich, Dinge wie: mehr Hallenbetreiberinnen, Routenschrauberinnen und auch Trainerinnen, die stärker die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Frauen berücksichtigen und helfen, dass Männer und Frauen in Kletter- und Boulderhallen gleichermaßen auf ihre Kosten kommen.
Das andere ist, dass es nun mal Unterschiede gibt (mental und physisch), die sich nicht beseitigen lassen und beseitigt werden müssen in meinen Augen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Training von Frauen mit Frauen eine ganz eigene Dynamik entwickelt. Es entsteht eine besondere Vertrauensbasis, bei der sich Frauen sich eher trauen, die Komfortzone zu verlassen oder sich einfach wohler fühlen. Das darf gerne so bleiben in meinen Augen und muss nicht überflüssig werden.
Wo findet man dich?
Wer Lust auf Training hat, kann sich gerne bei mir über die Rotpunktschule melden. Ich gebe Einzel- und Gruppentrainings sowohl im Leistungssport- als auch im Breitensport. Dabei decke ich die Bereiche Psyche, Taktik, Technik, Kraft und Wettkampf ab, in der Halle und am Fels. Außerdem bin ich natürlich auf den üblichen Plattformen wie Instagram (@michelle_knaup).
Danke Michèle!
Josefin Pöhlmann

Wer bist du?
Ich bin Josefin Pöhlmann, klettere seit 15 Jahren und arbeite neben meinem Studium der Europäischen Ethnologie als Klettertrainerin (DAV Trainerin C Breitensport mit einer Zusatzqualifikation fürs Tradklettern), hauptsächlich für den DAV und für den Boulderklub Berlin, wo ich auch als Routenbauerin arbeite.
Was war dein Job beim Felsheldinnen Festival?
Zusammen mit Melinda Vigh habe ich den Workshop 'Fear of Falling' geleitet. Schon vor dem Festival haben wir gemeinsam für die DAV Sektion Berlin, Mentales Training für Frauen* angeboten und tun dies auch weiterhin. Auch für die Kletterwerkstatt biete ich Mentale Trainings an, da allerdings für alle. Es ist mir wichtig, im Klettern und Bouldern einen komfortablen und sicheren Raum für Frauen* (und auch für alle anderen Menschen) zu schaffen und mitzugestalten. Dies entstand aus der immer wiederkehrenden Erfahrung, dass vom Bouldern bis hin zum Trad-Klettern Genderrollen teilweise gefestigt werden und dass Räume fehlen, die offen, sicher und divers sind.
Gerade wenn es um mentales Training geht, haben Melinda und ich sehr gute Erfahrungen gemacht, wenn es reine Frauen*gruppen sind. Durch das Bewusstmachen und ständigen Dialog entsteht die Möglichkeit, genderspezifische Aufteilungen und Kategorisierungen ins Wanken bringen und Schieflagen überhaupt sichtbar zu machen. Das Festival ist eine super Initiative, um solche Räume zu schaffen und deshalb wollte ich unbedingt dabei sein.
Welche Erfahrung/en wolltest du vermitteln?
Im Workshop haben wir uns mit den mentalen Aspekten beim Klettern und Bouldern beschäftigt. Es geht um den Umgang mit Angst im weitestem Sinne und der sozialen Verankerung der Angst. Außerdem ging es im Workshop um Sturzangst, um die Angst, loszulassen, aber auch um Motivation beim Training und darum, wie wichtig positive Energie beim Klettern ist. Wir wollten den Teilnehmerinnen einen Werkzeugkasten mitgeben, damit sie selbst weiter an der Sturzangst arbeiten können. Damit sie Motivation finden, am Limit zu klettern oder einfach mal nur Spaß zu haben, auch am Stürzen, denn es gehört zum Klettern dazu.
Wie hast du das transportiert?
Mir ist es sehr wichtig, ganzheitlich zu arbeiten und nicht nur über Dinge zu sprechen, deshalb haben wir ganz viele Übungen direkt an der Wand gemacht. Aber tatsächlich gehört ständiges Feedback auch dazu. Nach jeder Übung sollten die Teilnehmerinnen mit ihrer Partnerin reden und erzählen, was sich verändert hat, was ihnen durch den Kopf ging und wie die Übung für jede persönlich war. Eine gute Übung zum Warmwerden im Kopf und im Körper ist zu Bespiel, ab der vierten Exe loszulassen. Erstmal Clip and Drop, dann steigert man den Sturz bei jeder Exe, indem man ein Zug mehr macht. Wenn der Sturz zu hart war, dann wieder kleiner werden. Lieber 100.000 kleine Stürze als ein Monstersturz, der die Angst noch größer macht.
Deine drei Tipps oder Ansätze für Menschen, die nicht dabei sein konnten?
Erstens: Du bist beim Leadklettern nicht alleine, rede mit deiner Parterin oder deinem Partner und kommuniziere, was du gerade brauchst. Nimm dir den Raum, den du benötigst!
Zweitens: Jeder Tag ist anders und auch der Umgang mit der Angst verändert sich. Höre auf deinen Körper und versuche ehrlich mit dir selber zu sein. Frag dich: Was brauche ich heute? Hab Spaß und erinnere dich immer wieder an den Grund, warum du kletterst. Sei nicht so hart zu dir selbst.
Drittens: Lerne deine Partner* auch im Sturztraining kennen, dann kannst du besser loslassen, weil du weißt, wie es sich anfühlt, wenn diese eine Person dich sichert. Stürzen ist eine Klettertechnik, man muss sie genau wie Fußtechnik üben, immer und immer wieder.
Wieso war ein Frauenkletterfestival wichtig und was muss passieren, damit es überflüssig wird?
Es ist wichtig weil es so eine Initiative in Berlin davor noch nicht gab, weil es noch so viele Ebenen gibt, an denen wir arbeiten müssen, damit sich mehr Menschen in den Kletterhallen wohl fühlen. Weil es unglaublich Spaß macht Workshops zu geben, an denen nur Frauen* teilnehmen und weil es gut tut einfach mal nur mit Frauen* an der Wand zu sein.
Noch brauchen wir Safespaces, weil wir in einer sexistischen und rassistischen Gesellschaft leben. Erst wenn sich dies verändert, wird jeder Raum für Frauen sicher und noch wichtiger für andere diskriminierte Gemeinschaften.
Danke Fini!

Wer bist du?
Ich bin Stella-Louise Rosière, bin 30 Jahre alt und lebe in Berlin. Meine Leidenschaft zum Bouldern habe ich vor etwa sechs Jahren entdeckt. Wann immer ich Zeit habe, zieht es mich seitdem auf verschiedene Reisen quer durch Europa. Als Berliner Großstadtkind verbringe ich auch viel Zeit in den Berliner Boulderhallen und mache auch gerne bei den vielen Spaß-Wettkämpfen im Umkreis mit.
Ich gehöre, so wie auch Martha Karpeter, zum Team Berta Block, welches ursprünglich ins Leben gerufen wurde, um ambitionierte Berliner Frauen im Boulder- und Klettersport zu unterstützen. Mit vielen starken und motivierten Frauen gemeinsam zu bouldern und zu trainieren, gehört für mich zu meinem Boulderalltag dazu.
Was war dein Job beim Felsheldinnen Festival?
Gemeinsam mit Martha habe ich beim Felsheldinnen Festival zwei Dyno-Workshops gegeben. Neben unserem Hauptziel, gemeinsam möglichst viele verschiedene Sprünge und dynamische Moves auszuprobieren, wollten wir mit den Teilnehmerinnen auch darüber ins Gespräch kommen, dass man für Sprünge häufig seine Komfortzone verlassen muss. Wir haben die Fragen untersucht: Welches Mindset kann dabei helfen, ergebnisoffen und mit Spaß neue Bewegungen auszuprobieren? Wie kann man sich gegenseitig motivieren und Commitment für Dynos aufbringen?
Ich habe mich dazu entschieden, die Dyno-Workshops anzubieten, weil mir Sprünge und dynamische Moves nicht immer Spaß gemacht haben. Früher habe ich um so genannte Comp-style oder moderne Boulder gerne einen großen Bogen gemacht. Durch die gemeinsamen Trainings als Team Berta Block, bei denen wir uns immer wieder mit Sprüngen und komplex dynamischen Boulderpoblemen im Wettkampfkontext auseinander gesetzte haben, kann ich heute sagen, dass ich das Springen an der Wand lieben gelernt habe. Meine Begeisterung und die Erfahrung, gemeinsam in einer motivierten Gruppe etwas Neues zu wagen, wollte ich beim Festival weitergeben.
Was war deine Botschaft?
Wenn die Füße in der Luft fliegen, kribbelt es im ganzen Körper! Es macht Spaß, beim Bouldern Neues auszuprobieren. Man erwirbt neue Fähigkeiten und erweitert sein Kletterrepertoire. Dazu gehört aber auch die Erfahrung, dass man am Anfang erstmal scheitert und viele Versuche in die neuen Bewegungen investiert.
Martha und ich wollten zeigen, dass man sich in einer motivierenden Gruppe an solchen Lernprozessen gemeinsam erfreuen kann und Motivation daraus schöpfen kann, etwas gemeinsam zu probieren.
Was habt ihr dafür gemacht?
Wir haben schon beim Aufwärmen koordinative Übungen eingebaut, bei denen wir alle immer wieder aus der Wand gepurzelt sind. Das hat uns schon gleich am Anfang zum Lachen gebracht und auf die darauffolgenden Sprünge eingestimmt. Nach einer kleinen Technikeinführung zu Beginn haben wir versucht, uns direkt beim Ausprobieren der Sprünge gegenseitig Feedback zu geben und die Bewegungen zu analysieren.
Deine drei Tipps oder Ansätze für Menschen, die nicht dabei sein konnten?
- Visualisieren: Stell dir vor deinem inneren Auge die Bewegungsabläufe und Sequenzen des Sprungs oder des dynamischen Moves vor. Und vor allem: Stell dir vor, dass du den Move schaffst!
- Langsam herantasten: Es ist vollkommen okay, sich erstmal Schritt für Schritt an eine neue Bewegung heranzutasten. Dafür kannst du zum Beispiel erstmal den Zug vom Boden ausprobieren oder den Zielgriff erstmal nur antippen, um ein Gefühl für den Sprung, die Bewegung und gegebenenfalls auch den Sturz zu entwickeln.
- Videoanalyse: Mach mit deinen Freund(inn)en kleine Videoaufnahmen von euch beim Springen und analysiert gemeinsam die Sprungbewegungen.
Und natürlich ganz wichtig: Such dir Leute in deiner Stammhalle, die dich motivieren und mit denen es dir Spaß macht, deine Komfortzone zu verlassen und zu erweitern.
Wieso war ein Frauenkletterfestival wichtig und was muss passieren, damit es überflüssig wird?
So wie das Festival angenommen wurde, hat es gezeigt, dass es eine große Nachfrage nach Angeboten und Settings gibt, bei denen Frauen mit Frauen klettern, trainieren und sich austauschen können. Events wie dieses tragen dazu bei, dass Frauen mit größerem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein klettern und bouldern gehen. Der Tag auf dem Felsheldinnen-Festivaltag war eine wunderbare Erfahrung. Und doch bleibt meine Haltung gegenüber rein exklusiven Veranstaltung eher ambivalent und mit offenen Fragen verbunden.
Ich bin der Auffassung, dass es weniger das Geschlecht ist, das solche Events oder Situationen beeinflusst, sondern eine grundsätzliche Art und Weise, wie wir als Klettergemeinschaft miteinander umgehen wollen. Eine offene, wertschätzende und tolerante Umgangsweise miteinander ist unabhängig vom Geschlecht. Ich wünsche mir, dass es vielleicht schon beim nächsten Mal ein Festival für alle Geschlechter sein wird, bei dem wir dann gemeinsam über Geschlechter- oder Diskriminierungsfragen in unserem Sport diskutieren und uns darüber austauschen können, wohin wir uns als Klettergemeinschaft noch weiterentwickelt wollen.
Danke Stella!

Wer bist du?
Ich heiße Anna Wenzel, bin aus Berlin, klettere seit 13 Jahren, am liebsten gehe ich Sportklettern am Fels. Ich arbeite bei einer Film-Festival-Agentur.
Was war dein Job beim Felsheldinnen Festival und was hat dich motiviert, das zu machen?
Ich bin Gründerin des Felsheldinnen Festivals. Meine Hauptmotivation, das Festival ins Leben zu rufen und zu organisieren war: Frauen* im Klettersport zu vernetzen, einen Tag nur unter Frauen zu klettern/bouldern/trainieren, sich gegenseitig zu motivieren und zu inspirieren, einfach frei von gesellschaftlichen Konventionen sich zu bewegen und alles ausprobieren zu können.
Welche Erfahrungen wolltest du den Teilnehmerinnen mitgeben?
Mit dem Festival wollten wir den Teilnehmerinnen zeigen, dass sich unter Frauen oft eine besondere Dynamik entwickelt, die Freude und Motivation bringt, dass man sich gegenseitig besonders gut pushen und inspirieren kann, weil man alleine schon ähnliche körperliche und mentale Voraussetzungen als Frau hat, was sich aufs klettern/bouldern/trainieren auswirkt. Ohne CIS-Männer verhalten sich viele Frauen anders, viel freier und ungehemmter.
Deine drei Tipps oder Ansätze für Menschen, die nicht dabei sein konnten?
Erstens: Das nächste mal beim Felsheldinnen Festival 2021 dabei sein! Zweitens: Sich ähnliche Events oder Gruppen in der Nähe suchen. Drittens: Selbst eine Gruppe oder ähnliches ins Leben rufen, weil es sehr viel Bedarf in die Richtung gibt. Sei es eine Trainingsgruppe, eine Gruppe für den verbalen Austausch, eine Gruppe für Kletterfahrten, oder nur zum einfach bouldern gehen. Es lohnt sich immer.
Wieso war ein Frauenkletterfestival wichtig und was muss passieren, damit es überflüssig wird?
Es gibt immer noch diverse Bereiche, in denen Frauen* und andere Gruppen im Klettersport unterrepräsentiert sind oder nicht gleichberechtigt behandelt, bezahlt oder angesehen werden. Das sind zum Beispiel: Routenbau, Kletterindustrie, in Führungspositionen, Bergführerinnen, Trainerinnen, in Kletterfilmen, beim Sponsoring von Profiathleten, um nur die offensichtlichsten zu nennen.
Solange Women-Only-Events oder Veranstaltungen für andere unterrepräsentierte Gruppen Diskussionen oder Kritik bei Gegnern aufwerfen, wird ein Nur-Frauen-Festival nötig sein. Solange sich Menschen in unserer Gesellschaft im Generellen diskriminiert, minderwertig oder angefeindet fühlen wegen ihres Geschlechts, Herkunft, Religion oder sonstigem, muss immer wieder auf Gleichberechtigung, Toleranz und Respekt hingewiesen werden. Durch solche Events bekommt man Gehör und die nötige Aufmerksamkeit.
Ab einem gewissen Punkt ist es nötig, dass auch Cis-Männer zu solchen Gruppen oder Veranstaltungen hinzugezogen werden, um einen Austausch herzustellen. Sonst wird sich nichts bewegen. Nur durch Kommunikation unter allen kann man Dinge bewegen und Probleme aus dem Weg räumen.
Danke Anna!
Fotos von Pauline Kortmann
* Mit dem Sternchen gekennzeichnet sind geschlechtlich zugeordnete Worte, die auch weitere Geschlechter und Geschlechtsidentitäten einschließen sollen.