Sie haben untersucht, ob "Frauen" das Sportklettern anders als erleben als "Männer". Warum stehen die Geschlechter in Anführungzeichen?
Die verweisen auf das sozial konstruierte Geschlecht, also Gender. Das geht auf Simone de Beauvoir zurück, die sagte, wir sind nicht als Frauen geboren, sondern werden dazu gemacht. Das fängt mit den Babys an, ab da wird das Kind als Junge oder als Mädchen behandelt und dadurch wird das Geschlecht gewissermaßen gemacht, also geprägt. Entsprechend gibt es Geschlechterklischees, also Eigenschaften, die typischerweise Menschen zugewiesen werden, die aufgrund ihrer biologischen Merkmale als Frauen identifiziert werden und solche, die männlich definierten Menschen zugewiesen werden. Es gibt natürlich Mädchen, die gern Rugby spielen, und Jungen, die total gern tanzen, doch in den herrschenden Geschlechterklischees ist dies ungewöhnlich und wird als Ausnahme gesehen.
Wie lief die Untersuchung ab?
Wir haben 60 männliche und weibliche Probanden in einer Frankfurter Kletterhalle rekrutiert, die eine eigens geschraubte Route klettern sollten. Die Route hatte Stellen, wo eher Balance und Bewegungsgefühl gefragt war, und Stellen, wo eher Maximalkraft gefragt war; es wurden die verschiedenen Aspekte Kraft, Technik und Taktik abgefragt. Die Kletternden wurden dabei gefilmt und haben anschließend beim Betrachten der Aufzeichnung erklärt, was sie jeweils gemacht und empfunden haben. Diese Texte haben wir analysiert. Dazu gab es noch Fragebögen aus der Genderforschung. Wir konnten gewisse Aussagen finden, z.B. "hier habe ich meinen Schwerpunkt verlagert", die auf eine hohe Technik-Affinität schließen lassen, oder Aussagen wie "da habe ich mal richtig zugepackt", also eher kraftbetontem Klettern. So konnten wir verschiedene Schwerpunkte bei den Personen finden.
Und? Sind Frauen Technikwunder und Männer Kraftprotze?
Das war interessant: Zwischen biologischen Frauen und Männern haben wir in diesem Bereich keine Unterschiede gefunden. Das heißt: Egal welches Geschlecht, die Menschen klettern erst einmal gleich. "Dann haben wir aber mit den Fragebögen nochmal unterteilt in "feminin Typisierte" und "maskulin Typisierte" sowie "Androgyne" und "Undifferenzierte". Erwartungsgemäß haben wir dann gesehen, dass feminin typisierte Frauen eher technikfokussiert klettern und maskulin typisierte Männer eher zum Krafteinsatz tendierten und weniger taktisch unterwegs waren. Bei allen anderen "Typen", letztlich bei etwa drei viertel der Befragten, gab es diese Tendenzen nicht. Wir haben übrigens auch im Volleyball, Rugby und Tanzen Gendertest-Fragebögen erhoben. Dabei kam raus, dass Volleyballerinnen und Kletterinnen im Vergleich zu Tänzerinnen und Rugbyspielerinnen eher androgyn typisiert sind, also wenig klischeetypisch sind; beim Klettern war diese Zahl noch einmal größer als im Volleyball. Die typischen maskulinen Männer finden wir tatsächlich eher beim Rugby und die feminin typisierten Frauen finden wir eher beim Tanzen. Das heißt, Klettern ist eine Sportart, die eher androgyn typisierte Menschen anzieht, also Menschen, die sich von vorneherein nicht so sehr auf bestimmte Verhaltensweisen festlegen lassen.
Vielen Dank!
