Am Samstag, den 28. März 2020 verunglückte in einem Klettergarten im Rettenbachtal bei Bad Ischl im österreichischen Salzkammergut ein 23-jähriger Kletterer.
Ein Unfall mit lebensgefährlichen Folgen
Aus der Beschreibung des Unfallhergangs geht hervor, dass die Sichernde den Kletterer aus der Sicherung nahm, dieser sich jedoch ins Seil setzte. Unter www.nachrichten.at wird der Vorgang wie folgt beschrieben:
"Es war ein Kommunikationsfehler, der für einen 23-Jährigen aus Bad Ischl Samstagnachmittag mit schwersten Verletzungen endete. Der junge Mann war in die Route "Amazonas" (Schwierigkeitsgrad 4b), eine der 180 Routen im Klettergarten Rettenbachtal, eingestiegen. Seine Kletterpartnerin, ebenfalls aus Bad Ischl, hatte ihn in der mittelschweren Route gesichert. Am Ende der Kletterei dürfte es dann bei der Abstimmung untereinander zu Problemen gekommen sein: Der 23-Jährige dürfte mit einem Kommando gemeint haben, dass er am Ende der Route sei, die 48-Jährige löste allerdings das Seil aus dem Sicherungsgerät. Der Kletterer setzte sich ins Seil, um abgelassen zu werden, hatte aber keine Sicherung mehr, stürzte mehr als 33 Meter ungebremst ab" (sic)
Problem: Das falsche Seilkommando
Immer wieder hört man im Klettergarten und beim Sportklettern das Kommando "Stand" – obwohl es weder um Mehrseillängenrouten geht oder das Nachholen des Seilzweiten, noch jemand abseilen möchte. Meist möchte die kletternde Person nur mitteilen, dass sie den Umlenker erreicht hat, und eventuell noch, dass er sich am Umlenker festgemacht hat, zum Beispiel mit einer Exe. Das Kommando "Stand" kommt normalerweise indes zum Einsatz, wenn der Sichernde den Kletterer aus der Sicherung nimmt, beim Alpinklettern zum Beispiel.
Beim Sportklettern ist üblich, dass der Kletternde vom Sichernden wieder zu Boden abgelassen wird, auch beim Abbauen der Route. Eine Ausnahme besteht in Sandsteingebieten wie der Pfalz, wo auch beim Sportklettern das Abseilen bevorzugt wird, weil die Umlenkhaken so geschont werden. In diesem letzteren Fall würde sich der Kletternde also selbst sichern und mit dem Kommando "Stand" mitteilen, dass der Sichernde ihn aus der Sicherung nehmen kann, weil abgeseilt wird.
In allen anderen Fällen, wenn man abgelassen werden möchte, ist das Kommando "Stand" also irreführend und deshalb nicht angebracht. Hier sollte man einfach nur "zu" sagen. Dann weiß der Sichernde: Ich blockiere das Seil und warte auf weitere Kommandos. Beim Sportklettern hat das Kommando "Stand" nichts zu suchen. Das Potenzial für lebensgefährliche Verletzungen ist viel zu hoch!
So geht es richtig: Korrekte Seilkommandos beim Klettern
Knappe, einheitliche Seilkommandos beugen Missverständnissen vor und sind ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit.
Erfahrene und eingespielte Kletterer können sich auch wortlos verständigen. Doch führt der Weg zum Eingespielt-Sein über verlässlich korrekte Handlungen – dazu gehört auch verlässlich richtige Kommunikation. Vor allem beim Sportklettern sollten nur die vier unten (in der Tabelle) aufgeführten Seilkommandos verwendet werden. Der Ruf "Stand" hat beim Sportklettern schon mehrfach zu schweren Unfällen geführt: Der Sicherer nahm den Kletterer (wie vermeintlich geheißen) aus der Sicherung, dieser setzte sich nach dem Umbauen ins Seil – und stürzte ungebremst bis zum Boden.
Wenn in Mehrseillängenrouten keine verbale Verständigung oder kein Sichtkontakt mehr möglich ist (starker Wind, Entfernung und Lage der Standplätze), sollten zusätzlich Notfallkommandos vereinbart werden. Etwa: Fünfmal kurz hintereinander am Seil ziehen heißt "Ich habe Stand". Wird mit zwei Seilsträngen geklettert, kann das Einziehen des vereinbarten Strangs um einige Meter ebenfalls "Stand" bedeuten. Die weiteren Schritte verstehen sich für eingespielte Seilschaften dann von selbst. Aber nur für eingespielte!
Besonders wenn Kletterer und Sicherer einander schlecht verstehen können (Lärmpegel in der Kletterhalle, Entfernung zueinander oder wegen Wind), ist es sinnvoll, klare und eindeutige Ansagen zu machen, und keine langen und eventuell missverständlichen Erklärungen abzugeben – beim Klettern und Sichern können Missverständnisse fatal sein. Bis auf eine Ausnahme gehen dabei die Kommandos immer vom Kletterer aus.
Hier gibt's die Übersicht der Seilkommandos beim Klettern.
Bewährt hat sich auch, bei schwierigen akustischen Verhältnissen oder vielen Kletterern ringsum, den Namen seines Seilpartners dazu zu nennen ("Stefan, zu!"). So kann der Sicherer drei Meter weiter sicher sein, dass er nicht gemeint ist.
Kommando | Bedeutung | Antwort / Aktion |
"Seil" | Ich möchte mehr Seil haben | (keine) Sicherer gibt Seil aus |
"Seil ein" | Aufforderung an den Sicherer, Seil einzunehmen (bei zu viel Schlappseil etwa) | (keine) Sicherer nimmt Seil ein, ohne es jedoch ganz straff zu ziehen |
"zu" | Ich möchte mich ins Seil setzen | (keine) Sicherer nimmt das Seil straff ein und blockiert es |
"ab" | Ich möchte hinunter | (keine) Sicherer lässt den Kletterer kontrolliert ab |
Es gibt noch weitere, die beim Mehrseillängen-Klettern (Vorsteiger, Nachsteiger) zum Einsatz kommen:
Kommando | Bedeutung | Antwort / Aktion |
"Stand" (Vorsteiger) | Signalisiert dem Sicherer, dass der Vorsteiger sich festgemacht und selbst gesichert hat | (keine) Sicherer nimmt den Kletterer aus der Sicherung (deshalb sollte dieses Kommando beim Sportklettern nicht verwendet werden) |
"Seil aus" (Nachsteiger) | Signalisiert dem Vorsteiger, dass er das Seil soweit heraufgezogen hat, dass es zum Nachsteiger halbwegs straff ist und kein Schlappseil mehr vorhanden ist | (keine) Der Vorsteiger weiß nun, dass er den Nachsteiger in die Sicherung nehmen kann und mit Sichern beginnen kann |
"Nachkommen" (Vorsteiger) | Der Vorsteiger hat das Seil in die Sicherung eingelegt und sichert den Nachsteiger, der sich nun bereit machen kann, die Seillänge hinterher zu klettern | „Ich komme“ ruft der Nachsteiger, wenn er die Selbstsicherung löst und losklettert |