Dreimal Weltmeister, viermal Rock Master und 15 Weltcup-Siege: François Legrand war in den 90er-Jahren das Maß der Dinge im Wettkampfklettern. Und nicht selten lag der entscheidende Unterschied zwischen ihm und seinen Kontrahenten darin, dass er ein besonderes Auge für mögliche Rastpositionen besaß. Mal verklemmte er ein Knie, mal verspreizte er sich zwischen zwei weit auseinander liegenden Tritten, mal faltete er sich akrobatisch in einem Dachwinkel zusammen. So gelang es ihm, sich ausreichend zu erholen, um anschließend zum Top zu klettern, während die Konkurrenz hoffnungslos gepumpt vorher abtropfte.
Schütteln, schütteln, schütteln

Rastpositionen zu erkennen und diese optimal auszunutzen, ist oft der Schlüssel zum Durchstieg. Deshalb macht es Sinn, schon vor dem Losklettern eine Route auf mögliche Rastpositionen hin zu begutachten und sich einen Plan zurechtzulegen. Aber auch während des Kletterns heißt es Augen offen halten, um mögliche Rastpositionen nicht achtlos zu überklettern. Gute Ruhepositionen zu erkennen und optimal auszunutzen, ist eine Frage der Erfahrung. Diese kann man sich aber nur durch bewusstes Schauen und Probieren aneignen. Lasst euch also nicht entmutigen, wenn ihr anfangs öfters daneben liegt. Es lohnt sich!
No Hand Rest
Die perfekte Rastposition ist der sogenannte „No Hand Rest“, sprich
wenn ihr eine Position findet, in der ihr euch nicht festhalten müsst und so beide Arme gleichzeitig entspannen könnt. Dies kann durch Ausspreizen (beispielsweise in einer Verschneidung) geschehen, durch Stemmen (zum Beispiel mit Füßen und Rücken zwischen zwei Sinterfahnen), durch das Verklemmen des Fußes in einem Loch oder durch einen Knieklemmer zwischen einem Tritt und einer Kante für das Knie.
Blut muss fließen

Unter Belastung werden Blutgefäße komprimiert, die Blutzirkulation verringert sich. Ziel beim Rasten ist deshalb, den Blutfluss im gesamten Arm zu erhöhen, um die Muskulatur mit Sauerstoff zu versorgen und um Abfallprodukte (Laktat) abzutransportieren. Dabei hilft die Schwerkraft: Lassen wir die Arme nach unten hängen, fließt mehr Blut hinein. Lockeres Ausschütteln der Arme erhöht diesen Effekt. Um Abfallprodukte abzutransportieren, hilft es zudem, den Arm zwischendurch nach oben zu strecken und ebenfalls leicht zu schütteln. Vielleicht habt ihr schon starke Kletterer beobachtet, die fast bei jedem statischen Weitergreifen den Arm kurz schütteln, bevor sie zugreifen – das
dient genau diesem Effekt.





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Warum Schütteln?

"Schütteln? Kann ich eh' nicht" - das hört man häufiger. Allerdings kann man das Schütteln lernen. Wer es hin und wieder praktiziert, der wird bald merken, dass sich tatsächlich ein Erholungseffekt einstellt. Der Körper lernt, dass er eine Chance zur Regeneration erhält.
Und warum? Weil gut Klettern heißt, möglichst sparsam mit seiner Kraft umzugehen. Wer schüttelt, schont seine Reserven und hilft dem Körper, rechtzeitig Sauerstoff in die Muskeln zu transportieren. Und kann besser klettern.
Eine gute Rastposition sollte es euch ermöglichen, eure Arme abwechselnd oder gleichzeitig ("No-Hand-Rest") zu lösen und zu entspannen - und zwar idealerweise, ohne dabei Trittwechsel vornehmen zu müssen. Die Tritte sollten so gewählt werden, dass ihr möglichst viel Gewicht auf die Füße bringt, am langen Arm hängen könnt (um auch Oberarm- und Schultermuskulatur zu
entspannen) und möglichst wenig Körperspannung nötig ist (Entlastung der Rumpf- und Beinmuskulatur), um die Position zu halten. Der Körperschwerpunkt sollte so positioniert sein, dass der oder die Griffe in optimaler Belastungsrichtung gehalten werden. Währenddessen tief und gleichmäßig atmen!





Wo?

In einer Ruheposition sollte die Muskulatur sich zumindest teilweise erholen. Dies ist nur möglich, wenn die Belastung höchstens 30 Prozent der maximalen Kraft beträgt. Dann ergibt es Sinn, mehrere Minuten zu rasten. Ist die Belastungsintensität höher, sollte man längeres Ausharren vermeiden, da die Ermüdung sonst nur noch größer wird.
Ein kurzes Rasten (bis 15 Sekunden) kann aber auch dann sinnvoll sein, um die ATP-Speicher bedingt aufzufüllen und so trotz fortschreitender Ermüdung wenigstens für die nächsten Meter wieder mehr Kraft zu haben. In der Regel ergibt es Sinn, Rastpositionen in weniger steilen Wandbereichen einzunehmen, wo ihr viel Gewicht auf eure Füße bringt.
Zum Beispiel ist es meist effektiver, oberhalb einer Dachkante auf einem Tritt „abzusitzen“ und an kleineren Griffen zu ruhen als an einem Henkel im Dach zu verweilen.
Wann?
Wartet nicht, bis die Arme gepumpt sind. Sind die Unterarme einmal mit Laktat vollgelaufen, ist es zu spät. Warten oberhalb schwierige Kletterstellen oder ihr habt bereits einen harten Einstiegsboulder hinter euch, kann es durchaus sinnvoll sein, schon nach wenigen Metern eine gute Ruheposition zu nutzen.
Allerdings sollte man nicht das Zögern vor der Schlüsselstelle mit Schütteln tarnen. Ist es schwer, klettert zügig! Und haltet erst an, wenn es wieder leichter wird. Erfahrene Kletterer erkennen schon vom Boden aus mögliche Schüttelstellen - vielleicht eine Verschneidung, einen großen Griff oder einen Griff um die Kante. Und nicht vergessen: Nach dem Entspannen und Atmen am Ruhepunkt wieder auf Angriff umschalten!
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