Es geht rund am Cerro Torre. Erst vollendeten der US-Amerikaner Hayden Kennedy und der Kanadier Jason Kruk am 17. Januar eine zuvor schon oft versuchte Route über den Südostgrat und die Südostwand, die in den entscheidenden Passagen nicht den Bohrhaken von Cesare Maestri aus dem Jahr 1970 folgt. Unter Verwendung von fünf Bolts konnten Kennedy und Kruk ihre Linie im Grad 5.11 mit einer Passage A2 klettern. Im Abstieg entfernten sie dann rund 100 Bolts von Maestris "Kompressorroute" – die gesamte Headwall und eine Seillänge darunter sind nun bohrhakenlos. Kommentar des Patagonienspezialisten Rolando Garibotti: "The Compressor route is no more."
Daraufhin entwickelte sich eine wilde Diskussion in zahlreichen Alpinforen, zum Beispiel bei www.supertopo.com. Während vor allem US-amerikanische Kletterer die Ausnagelung begrüßten, gab es nicht nur von italienischer Seite kritische Stimmen gegenüber der Aktion des kanadisch-amerikanischen Duos. Womöglich hat das Ganze auch noch juristische Folgen: Die Provinzpolizei in El Chalten hat die ausgenagelten Bohrhaken angeblich konfisziert.
Geschichte wird gemacht

Nur wenige Tage später machte David Lama zusammen mit Peter Ortner seinen Traum, die "Kompressorroute" frei zu klettern, endlich wahr. Im folgenden eine Übersetzung aus dem Englischen von David Lamas eigener Schilderung auf seiner Facebook-Seite:
"Ich kann es nicht glauben … Mehr als drei Jahre hat mich die Idee, die "Kompressorroute" am Cerro Torre frei zu klettern, umgetrieben – und nun ist dieser Traum Wirklichkeit geworden! Am 19. Januar starteten Peter Ortner und ich in El Chalten und wanderten zum Nipo Nino, unserem ersten Camp. Am nächsten Morgen kletterten wir hinauf zum Col de la Paciencia. Dort erholten wir uns eine Weile, bevor wir gegen 13 Uhr aufbrachen. Wir kletterten zum Beginn der Bohrhakentraverse, doch anstatt dieser nach rechts zu folgen, kletterten wir geradeaus an der technisch schwierigen Kante weiter, nur einige Meter links des "Salvaterra Crack". Ich hatte einige Stürze, bevor ich die richtige Sequenz fand, dann konnte ich diese Länge im zweiten Versuch vom Standplatz punkten. Einige Seillängen weiter oben erreichten wir die "Iced Towers" wo wir uns einen schmalen Sims zum Biwakieren ins Eis pickelten.
Am nächsten Morgen kletterten wir früh los und erreichten den Beginn der Headwall. Dadurch, dass Hayden und Jason einige Tage zuvor dort alle Bohrhaken entfernt hatten, wurde meine Unternehmung noch anspruchsvoller – speziell mental, da die Absicherung nun sehr bescheiden wahr und ich lange Runouts hinlegen musste. An hohlen und wackligen Schuppen kletternd folgten wir der originalen "Kompressorroute" für drei Seillängen. Etwa 20 Meter unterhalb des Kompressors traversierten wir nach rechts und erreichten ein Riss- und Verschneidungssystem, dem wir zum Gipfel folgten. Um die Route im Alpinstil zu klettern benötigten wir vom Col 24 Stunden.
Für mich ist diese erste freie Begehung des Südostgrats am Cerro Torre das Ende meines bislang wohl größten Abenteuers. Ganz besonders stolz bin ich, dass ich dazu keine weiteren Bohrhaken gesetzt habe. Ich habe viel gelernt in den letzten Jahren, und es war einfach großartig, in diesem fantastischen Gebirgszug zu klettern. Träume zu realisieren – es gibt nichts Besseres!"