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Es ist in aller Kletterer Hände: Chalk oder Magnesia gehört in Kletterhallen und am Fels dazu. Doch was ist das weiße Zeug eigentlich und wo kommt es her?

KL Mustafa Eren in Duel, Fontainebleau
Foto: Ibrahim Güngör

In diesem Artikel:

  1. Was genau ist Chalk?
  2. Der Streit ums Magnesia
  3. Chalk in der Umwelt
  4. Chalk und Hautpflege
  5. Interview zum Thema Chalk
  6. Tipps & Tricks rund ums Chalk
  7. Fest, flüssig, staubig: Der große Chalk-Überblick

„Frei sein, high sein, Magnesia muss dabei sein.“ So ungefähr lautete das Motto der frühen Sportkletterer um Reinhard Karl, als sie Ende der 70er-Jahre die Idee, Chalk beim Klettern zu verwenden, von ihren USA-Besuchen in die Heimat mitbrachten. Dort hatte John Gill, Turner und besessener Boulderer, das als Chalk bezeichnete weiße Pulver ins Klettern eingeführt. Heute ist der Griff in den Beutel beim Sportklettern völlig normal, und es gibt ein kaum noch überschaubares Angebot an Chalk in Würfeln und Bällen, Pulver in Tüten und auch flüssiges Chalk.

Top-Artikel Klettern & Bouldern

Was genau ist Chalk?
Womit wir uns heute die Hände pudern, ist im wesentlichen Magnesiumkarbonat (MgCO3) mit etwas fest gebundenem Wasser drin. Dieses auch als „Magnesia alba“ (weißes Magnesia) bezeichnete Pulver ist hygroskopisch, nimmt also gerne Feuchtigkeit auf. Beim Klettern bewirkt es, dass die vom Handschweiß feuchten Finger trocknen. Gelöstes Magnesiumkarbonat ist basisch und neutralisiert damit den leicht sauren Handschweiß (pH-Wert 4,5). Dem reinen Magnesiumkarbonat mischen einzelne Hersteller beim Kletterchalk noch ein zusätzliches Trocknungsmittel bei.

Im Gegensatz zum Kletterchalk enthält das beim Turnen verwendete Magnesia Mittel, die es etwas gleitfähig machen. Schließlich will der Turner um die Ringe oder den Barren rotieren können. Kletterchalk enthält auch kein Kolophonium, ein aus Baumharz gewonnenes Pulver, das als „Pof“ zum Beispiel in Fontainebleau zum Bouldern verwendet wird. Magnesiumkarbonat wird aus Magnesium-haltigen Erzen gewonnen. Es gibt auf fast allen Kontinenten einige große Lagerstätten. Das weiße Pulver ist ungiftig und wird verbreitet in der Pharma- und Lebensmittelindustrie als Trägerstoff und Verdickungsmittel verwendet. Wer es löffelweise zu sich nimmt, kann eventuell Durchfall bekommen, Schlimmeres ist nicht zu erwarten.

Der Streit ums Magnesia

KL Chalk Boulder-WM Arco
Ralph Stöhr
Guillaume Clairon-Mondet chalkt beim Rockmaster 2010 in Arco.

Dennoch war Magnesia, wie es anfangs in Kletterkreisen nur genannt wurde, anfangs alles andere als willkommen. Die meistenteils noch in Trittleitern großgewordene westeuropäische Kletterszene stand dem neuen Hilfsmittel extrem skeptisch gegenüber. Leserbriefspalten in Bergsport-Magazinen füllten sich mit kritischen Zuschriften, vom „Lügenpulver“ und von „weißen Riesen“ war die Rede, „Wehret den Anfängen“ hieß es gar.

Von Anfang an gab es zwei Einwände gegen die Verwendung von Chalk, die in manchen Klettergebieten noch heute vorgebracht werden. Zum einen beklagen die Kritiker, dass Chalk das Klettern leichter macht und damit ein künstliches Hilfsmittel ist. Dass dieser Einwand im Prinzip richtig ist, davon kann sich jeder selbst überzeugen: einfach mal nicht chalken beim Klettern. Meist fällt es erstmal schwerer ohne. Chalk ist also ein künstliches Hilfsmittel, andererseits gilt das natürlich genauso für den Kletterschuh mit der Gummisohle. Folgte man den Argumenten der Puristen, müssten wir alle barfuß klettern. Ein anrüchiger Gedanke.

Aber es hilft nicht immer: zuviel Chalk führt zu „schlonzigen“ Griffen, statt besserer Reibung erzeugt zuviel Magnesia weniger Grip und die Griffe werden rutschig. Daher sollte eine weiche Bürste immer dabei sein und auch nach dem Klettern benutzt werden.

Inzwischen ist das kletterethische Problem von Chalk eher, dass in vielen Routen und Bouldern die wichtigen Griffe gut angechalkt oder gar mit Tickmarks versehen sind, so dass ein echtes Onsight-Klettern kaum noch möglich ist. Vor allem in dunkleren Gesteinen führen einen Chalkspuren fast wie die bunten Griffe der Kletterhallen durch die Route.

Chalk in der Umwelt

KL Anna Stöhr chalkt beim Rockmaster 2010 in Arco
Ralph Stöhr
Anna Stöhr chalkt beim Rockmaster 2010 in Arco.

Womit wir beim zweiten Einwand der Kritiker sind: Chalk mache den Fels kaputt und sei unästhetisch, insbesondere in den deutschen Sandsteingebieten mit ihrem dunklen Gestein. Der Deutsche Alpenverein ließ zur Überprüfung dieser Vorwürfe 1985 ein Gutachten erstellen, das zu dem Schluss kam, dass Chalk im Kalk sogar den Fels schont (weil es den sauren Handschweiß neutralisiert), im Sandstein aber die Poren verschließen kann, so dass die Griffe eher rutschiger werden. Ein gründliches Reinigen der Griffe mit der Bürste nach dem Chalkeinsatz wurde deshalb empfohlen.

Hinzu kommt der ästhetische Aspekt, wenn die Chalkspuren dunkle Felswände durchziehen. Das ist natürlich Geschmackssache, auf jeden Fall gilt im Elbsandstein bis heute das strikte Chalkverbot, in der Pfalz wurde Chalk lange nur in den oberen Schwierigkeitsgraden geduldet. In vielen anderen Sandsteingebieten der Welt gibt es solche Einschränkungen nicht. Es gab mehrfach Versuche, den ästhetischen Auswirkungen des Chalks zu begegnen: Einmal wurde Farbe beigemischt, ein andermal Graphit, aber immer führte das zu einer deutlichen Verschlechterung der Eigenschaften. Inzwischen sind sogenannte Eco Chalks am Markt, die am Fels kaum Spuren hinterlassen.

Feinstaub in der Kletterhalle

Neben der ästhetischen Komponente rückte zuletzt auch ein gesundheitlicher Aspekt ins Blickfeld: In den Kletterhallen ist die Staubkonzentration zu Spitzenzeiten sehr hoch. Die Technische Universität Darmstadt untersuchte dies im Jahr 2008 in neuen Kletterhallen und fand heraus, dass die Konzentrationen „im Bereich industrieller Arbeitsplätze in staubbelas­teten Bereichen“ lag. Grenzwerte wurden allerdings nicht überschritten, sehr wohl aber ein Bedarf zur Reduzierung der Staubkonzentrationen erkannt. Ebenfalls wurde empfohlen, Säuglinge nicht mit in die Kletterhalle zu nehmen.

Chalk und Hautpflege

Nach einer Klettersession mit ordentlich Chalk-Gebrauch sollte man die Hände gründlich mit Seife waschen und das Chalk restlos entfernen. Die Haut wurde durch das Chalk üblicherweise über einige Stunden ausgetrocknet, daher ist es empfehlenswert, sie nach dem Waschen und trocknen einzucremen. Anbieter wie Kletterretter und Climb on haben hierfür spezielle Pflegecremes im Sortiment, aber reguläre Cremes funktionieren auch. Achtung, viele Handcremes enthalten weichmachende Substanzen („PEG-...“) – hier sollte man auf einfache Produkte oder Öko-Kosmetik zurückgreifen, die keine Weichmacher enthalten. Wir mögen Neutrogena Handcreme oder auch Weleda Skinfood, die anfangs etwas fettig wirken aber die Haut gut versorgen.

Interview zum Thema Chalk

„Es gibt große Unterschiede“ – Stefan Donner über Chalk

Stefan, du hast eine eigene Chalkmarke am Start. Wie kam es dazu?
Ich bin seit dem Abschluss des Studiums im Vertrieb von Klettersportartikeln tätig. 1999 haben wir erstmals einen Chalktest gemacht. Bis dahin kannten wir fast nur das Chalk, das wir aus Arco mitgebracht hatten, das war ziemlich schmierig. Wir haben dann festgestellt, dass es große Unterschiede gibt.

Worauf kommt es denn an?
Ursprünglich kommt das Chalk ja aus dem Turnen, und dort ist dem Chalk noch Talkum beigemischt, es wird also rutschfähig gemacht. Das geht beim Klettern natürlich gar nicht, da muss das Chalk sehr rein sein. Es sollte außerdem nicht zu fein sind, wobei über die Körnigkeit und Qualität des Chalks vor allem die Kombination aus Wärme und Zeit beim Trocknen entscheidet. Ansonsten ist die Bewertung von Chalk aber sehr subjektiv, auch weil der pH-Wert der Haut von Kletterer zu Kletterer etwas anders ist.

Was hältst du von Flüssig- und von Eco-Chalks?
Das Flüssig-Chalk eignet sich vor allem zum Bouldern sehr gut. Dass man damit, wie manche Hersteller behaupten, damit zwei Seillängen ohne Nachchalken klettern kann, bezweifle ich aber stark. Ich würde sagen, dass sein Nutzen beim Routenklettern begrenzt ist. Bei den Eco-Chalks kenne ich nur das von Metolius, weil ich selbst den Metolius-Vertrieb in Deutschland mache. Beim Eco Ball ist kein Magnesiumkarbonat drin, sondern nur Carbosil, ein Mittel, das extrem trocknet, aber keine Spuren hinterlässt. Es gibt Hallen wie das Magic Mountain in Berlin oder das Edelweiß in Wien, in denen fast ausschließlich diese Eco Balls verwendet werden.

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Ralph Stöhr
Stefan Donner

Tipps & Tricks rund ums Chalk

  • Chalk auf der Hose: Die Profis machen es vor: Wer wie beim Bouldern ohne Beutel unterwegs ist oder keine Zeit mehr findet, die Hand in den Chalkbag zu führen, schmiert das weiße Pulver dick auf die Kleidung, bevorzugt den Oberschenkel. Im Eifer des Gefechts kann dann dort blitzschnell nachgechalkt werden, ein kleiner Klatsch auf das vorher großzügig aufgetragene Chalk wirkt Wunder.
  • The French Blow: So nennt die englischsprachige Szene das demonstrativ lässige Abblasen überflüssigen Chalks von den Fingern. Den Franzosen wurde früher gern vorgeworfen, sie seien Poser. Wahrscheinlich weil sie besser kletterten. Das Abblasen ist jedenfalls sinnvoll – zuviel Magnesia macht die Griffe nämlich wieder rutschig.
  • Tickmarks: Wer sich an der Crux die Griffe oder Tritte nicht merken oder sie nicht sehen kann, weil sie hinter einem Felsvorsprung liegen, markiert ihre Position mit Chalk. Das reicht vom kleinen Punkt bis zum langen Strich. Es zeugt vor Respekt vor dem Fels und den anderen Kletterern, diese Markierungen hinterher wieder zu entfernen. Eine Chalk-Bürste gehört daher immer an den Chalkbag.
  • Hippies hate Water: Nasse Griffe sind nicht schön. Aber zugeschlonzte auch nicht. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, zugechalkte Griffe, die nicht vom Regen gereinigt werden, weil sie vom überhängenden Fels abgeschirmt sind, mit einem weichen Schwamm und Wasser zu behandeln. Zusatztipp: Am besten abends anrücken, und nur wenn es in der Nacht nicht friert.
  • Die Sache mit der Bürste: Natürlich tut es eine Zahnbürste auch. Doch besser bürsten, darin sind die „Vielbürster“ sich einig, können spezielle Griffbürsten fürs Klettern. Am allerbesten solche mit Naturborsten. Erhältlich von Lapis, Black Diamond, So Ill und Laubwald.
  • Reisen mit Chalk: Dass man die Vorratspackung im Rucksack in mindestens eine zusätzliche Plastiktüte packt, versteht sich von selbst, denn irgendwo staubt‘s immer raus. Beim Fliegen ist es besser, das Chalk ins große Gepäck zu packen. Im Handgepäck können Produkte wie „Chalk is my Dope“ oder gar „Cocaine“ (aus Deutschland) bei humorlosen Zöllnern zu vermeidbaren Verstimmungen führen.

Fest, flüssig, staubig: Der große Chalk-Überblick

Chalk gibt es in verschiedenen Varianten; hier stellen wir die gebräuchlichsten vor. Plus: Ein paar Kuriositäten wie Eco Chalk und After Chalk-Creme.

Klassisch: Der Würfel
In Würfel gepresstes Chalk ist der Klassiker unter den Chalkformen und meist sehr preiswert. Für den Hersteller hat es unter anderem den Vorteil, dass es gut stapelbar und damit beim Transport platzsparend ist. Damit es die Würfelform beibehält, wird allerdings ein Bindemittel beigemischt, meist Seifenpulver. In den Chalkbag kommt es in Bruchstücken, die dann je nach Belieben weiter zerkleinert werden (zum Beispiel, indem man auf den Chalkbag steht – bitte vorher schließen!). Wenn man den Block im Chalkbag nicht gänzlich zerreibt, staubt das Würfel-Chalk etwas weniger als offenes Chalk.

Indoor-Päckchen: Ein- und Mehrweg-Bälle
Bei den Chalk-Balls wird das Chalk in einer Art Socke geliefert. Diese gibt es in unterschiedlichen Größen und Ausführungen. Chalkbälle kommen mit Füllungen zwischen circa 30 und 60 Gramm. Es gibt sie als Einwegbälle und mit Verschluss zum Wiederbefüllen mit offenem Chalk. Bei manchen Herstellern ist das Chalk im Ball extra fein, damit es besser durch das umgebende Textil dringen kann. Beim Wiederbefüllen mit gröberem Chalk kann allerdings die Funktion leiden. Durch die umgebende Socke ist die bei jedem Chalk-Vorgang abgegebene Chalkspende dosiert. Das Abblasen der Finger entfällt, außerdem fällt weniger Chalk zu Boden. Deshalb schränken viele Hallenbetreiber die Chalknutzung auf solche Bälle ein. Ob das feine Chalk aus den Bällen in Sachen Staubbelastung der Hallenluft allerdings viel besser ist, bleibt zu überprüfen. Zudem ist das Nachchalken mit Bällen etwas gewöhnungsbedürftig.

KL Chalk zum Klettern Magnesia
Ralph Stöhr
Chalk oder Magnesia zum Trockenhalten der Hände beim Klettern.

Staubig und stark: Die offene Variante
Sei es, dass man gerne richtig tief im Chalk badet oder einen der großen Boulderbags bis zum Rand füllen will: Wer Chalk in größeren Gebinden braucht, greift zur offenen Variante. Die kommt mehr oder weniger grobkörnig daher und wird von allen Chalkherstellern angeboten. Rechnet man die Preise auf 100 Gramm Chalk um, liegt offenes Chalk mit Preisen ab 2,30 € preislich deutlich unter den Chalkballs, bei denen auf 100 Gramm gerechnet rund das Doppelte fällig wird. Kein Wunder, kosten bei den Chalkballs doch der Beutel und das Befüllen extra. Allerdings ist bei Bällen durch die dosierte, feine Abgabe auch der Chalkverbrauch und der wortwörtliche Streuverlust geringer.

Flüssig: Grip aus der Flasche
Flüssig-Chalk ist mittlerweile von vielen Herstellern zu haben. Dabei wird Chalk in schnell verdunstendem Reinigungsalkohol (wie Isopropylalkohol) gelöst – nur zur externen Anwendung, versteht sich. Teilweise mischen die Firmen noch andere Bestandteile (wie Trocknungsmittel) dazu. Die Flüssigkeit wird auf die Haut aufgetragen und hinterlässt nach dem Trocknen einen dünnen Chalkfilm, der für einige Klettermeter ausreicht. Häufig wird es auch in Kombination mit normalem Chalk eingesetzt, von dem man dann weniger braucht, weil die Hände nach der Behandlung mit dem Flüssig-Chalk länger trocken bleiben als sonst. Nachchalken beim Klettern geht mit Flüssig-Chalk natürlich nicht, wobei diese Einschränkung beim Bouldern keine Rolle spielt. 100 Milliliter kosten zwischen rund 4,00 Euro und 7,20 Euro.

Spezialisten: Eco-Chalks
Wer auf Chalk wegen der Optik oder empfindlicher Haut gereizt reagiert, dem versprechen zwei Eco-Produkte Linderung. Der große Eco Ball von Metolius enthält kein Magesiumkarbonat, sondern ein fast farbloses Trocknungsmittel („Carbosil“), das Metolius auch seinem Super Chalk beimischt. Etwas gewöhnungsbedürftig, aber es hält die Haut anhaltend sehr trocken. Das Eco Grip Gel ist eine Art Chalk-haltige Creme, bei der die tragende Creme nach dem Auftragen auf die Haut verdunstet und einen leichten Chalk-Film zurücklässt. Im Gegensatz zu den Liquid-Chalks kommt dieses Gel ganz ohne Alkohol aus.

Interessant: After-Chalk
Trockene Haut nach dem Magnesia-Einsatz soll die Handcreme Revive von Rock Technologies wieder mit Feuchtigkeit versorgen. Auch die Heilung von Rissen und Abschürfungen soll Revive beschleunigen. In der stark parfümierten Creme ist vieles drin, was sich zum Teil auch in anderen Hautcremes findet.

Erprobt: Die Bürste
Es wirkt vielleicht ein bisschen albern, wenn muskelbepackte Erwachsene wie wild mit einer lilablassblauen Bürste die Griffe bearbeiten. Aber: Es hilft.

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Erscheinungsdatum 07.03.2023

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