"Genügend Kraft ist ein Zustand, den es gar nicht gibt", so soll es Wolfgang Güllich formuliert haben. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Andererseits könnte man sich fragen, welche Kraft er überhaupt gemeint hat. Pure Muskelkraft ist vielleicht das erste, was hier in den Sinn kommt. Im Kampf gegen die Schwerkraft hilft viel davon jedenfalls viel.
Doch beim Klettern und Bouldern ist auch noch Kraft anderer Art relevant: Fingerkraft, Durchhaltekraft, Maximalkraft... und manchmal auch Vorstellungskraft.
Kraft unserer Möglichkeiten haben wir hier jedenfalls alle in unseren Kräften stehenden Maßnahmen ergriffen, um die wichtigsten Kräfte für den Kraftsport klettern zusammenzusuchen.
Übrigens ist Kraft mehr als das Gegenteil von Schwäche - seht selbst:
Kraft
, die; Plural: ; auch bekannt als Power, Saft, Stärke oder Körner: kann man nie genug haben. Bestimmt leider oft, was wir festhalten können - und was nicht. Oberbegriff über die folgenden...
Muskelkraft
... bezeichnet alles, was unsere Muskulatur willentlich und unwillentlich mobilisiert, um an der Wand hängenzubleiben und im Idealfall gar, sie zu erklimmen.
Kontaktkraft
... von Spezialisten bezeichnete Mischung aus ->Fingerkraft und ->Körperkraft, die letztlich darüber entscheidet, ob wir es schaffen, unseren Körper an den Wandstrukturen halten zu können.
Geisteskraft
... oftmals nötig, um die nötige Fantasie und Konzentration aufzubringen, Bewegungsrätsel zu lösen, zu erkennen wie etwas zu klettern ist und damit Boulder oder Routen durchsteigen zu können.
Fingerkraft
... ist die vielleicht wichtigste Determinante beim Klettern: ob wir bestimmte Griffe festhalten können oder nicht, entscheidet, ob wir überhaupt versuchen können, die fraglichen Züge zu machen.
Schwerkraft
... der leidige Gegner. Doch ohne die Schwerkraft wäre unser Spiel ein langweiliges!
Schmerzkraft
... von Kletterern entdeckte Kraft-Variante: Das Aushalten von Schmerzen spielt keine geringe Rolle beim Klettern von schweren Zügen - ob nun an scharfen Griffen oder beim Stehen auf winzigen Schmiertritten.
Durchhaltekraft
... nicht zu verwechseln mit ->Kraftausdauer; ohne Durchhaltekraft kein Training, kein Kämpfen und letztlich auch kein Durchstieg. Habe ich lange Zustiege erwähnt?
Fliehkraft
... (auch: Zentrifugalkraft) gerade bei dynamischen Zügen eine oft unterschätzte Komponente im Kraftmix. Verletzungsgefahr besteht bei Fehleinschätzung und Unterschätzen des Ausmaßes der Fliehkraft. Schon mal vom Griff abgerutscht, als die Füße mit Schwung nach außen schossen?
Körperkraft
... auch Körperspannung genannt, bezeichnet die Körperkraft vor allem die Kraft der Rumpfmuskeln und das Zusammenspiel der großen Muskelschlingen, die idealerweise quer durch den Körper Spannung aufbauen können.
Kraftausdauer
... Ausreißer, der auch schon das wichtigste in der Formulierung trägt. Eigentlich geht es darum, wie ausdauernd wir unsere Kraft parat haben. Leider beim Klettern auch nicht ganz unwichtig.
Mentalkraft
... in der Kletterhalle selten nötig, doch fürs Klettern im Elbsandstein, in Mehrseillängenrouten, bei Runouts und bei jeglicher dürftiger Absicherung hilfreiche Kraftform.
Widerstandskraft
... entscheidet oftmals darüber, ob wir aufgeben oder dranbleiben. Noch Fragen?
Schnellkraft
... hilft vor allem für Raketenstarts und Dynos. Also Sprünge und dynamische Moves jeder Art.
Maximalkraft
... das Ausmaß unserer Fähigkeiten, maximale Anstrengungen zu erbringen. Benötigt beim Bouldern und maximal schweren Zügen; erwerbbar beim wiederholten Versuchen von ebenjenen.
Vorstellungskraft
... oftmals unterschätzte Fähigkeit. Denn was wir uns nicht vorstellen können, machen wir erst gar nicht. Vorstellungskraft hilft außerdem beim Visualisieren von bestimmten Kletterstellen, ob im Onsight oder beim Projektieren.
Bonus: wo Kraft herkommt
Der Ursprung des Wortes Kraft liegt vermutlich im Germanischen: *krafti- = Kraft, Macht; vergleiche altenglisch: cræft, altfranzösisch: kreft, kraft, altnordisch: kraptr, kroptr; aus der indogermanischen Wortwurzel: *ger- = winden, „sich zusammenziehen“ gebildet; die Bedeutung folglich ursprünglich „Zusammenziehung (der Muskeln)“
.Und die Kraft selbst? Kommt vom Kampf gegen die Schwäche...