Neulich in der Kletterhalle lehnte sich mein alter Kletterkumpel Hansi über den Bistrotisch und fragte mit skeptischem Blick: „Sag mal ehrlich, merkt man da wirklich einen so großen Unterschied bei den Kletterschuhen?“
Allerdings, behaupte ich, im direkten Vergleich spürt auch ein alpines Urgestein wie mein Freund Hansi einen Unterschied. Denn die Kletterschuhe sind heute fast so vielfältig wie der ganze Sport. Da gibt es Komfortschuhe für Einsteiger, Hallenkletterer und Alpinfuzzis, Präzisionsschuhe für den extremen Sportkletterer und supersensible Gummisocken für den Boulderer. Der Unterschied ist so groß wie der zwischen einem Sitzstart und der 90-Meter-Verschneidung in der Dru-Westwand.
Softies sind in
Insbesondere der starke Trend zum Bouldern und zum Hallenklettern hat den Schuhmarkt verändert. Die Rundum-Gummierung vorne gehört heute zum guten Ton, und eine hooktaugliche Ferse braucht man heute schon zum Schnupperkurs in der Boulderhalle. Vor allem aber soll der Schuh weich und sensibel sein, so dass man die Tritte gut spürt, gut auf Reibung stehen und im Überhang gut ziehen kann. All das ist gut für die Kurzstrecke und auf großen Plastiktritten, und gut die Hälfte des Testfelds kommt entsprechend weich daher: Boldrini, Lowa, Ocun, Red Chili, Scarpa und Tenaya haben ihre Schuhe auf viel Gefühl getrimmt.
Doch nicht in jedem Gelände sind weiche Treter besser. Beim Test in abgespeckten, senkrechten Wandklettereien in der Ardèche in Südfrankreich, wo Winztritte und schlechte Griffe dominieren, zeigten sich die steiferen Modelle im Vorteil. Mit dem Kataki von La Sportiva zum Beispiel steht man dort entspannter, und auf die rutschigen Tritte bringt der den Druck präziser als manch weicher Schlappen. Ansonsten verwischen die Grenzen zwischen Schnürverschluss, Velcro und Slipper zusehends.
Viele Schuhe kommen mit einem elastischen Einsatz über dem Rist statt der klassischen Zunge, sind also aufgebaut wie Slipper. Reine Slipper sind im Test allerdings nicht vertreten. Alle Modelle haben zusätzlich einen Verschluss, meist mit einem oder mehreren Velcros, im Falle des Chimeras von Scarpa sogar mit einer Schnürung. Dass die für einen festen Sitz des Schuhs auch am Vorderfuß nicht unbedingt nötig ist, belegt der Gambit von Five Ten: Obwohl ein Velcroschuh, und obwohl der erste Velcrostreifen relativ weit hinten angebracht ist, stehen die Zehen in der Schuhfront wie angenagelt.
Fazit: Ein guter Jahrgang
In Summe zeigte sich der 17er-Jahrgang auf hohem Niveau. In Sachen Passform gibt es wenig zu kritisieren, auch die Performance der Schuhe stimmt großteils. Unterschiede gibt es aber schon: Manche sind eher aufs Bouldern ausgelegt, andere aufs Klettern. Der Triop Genus Velcro und der Oxi QC von Ocun haben sich ihren Preistipp verdient. Beides sind grundsolide Schuhe, der Genus dabei eher der Allrounder, der Oxi eher Richtung Bouldern. Als Schuhe der schärferen Richtung haben zwei extreme Modelle – der härteste Schuh, der Kataki von La Sportiva, und der weichste, der Chimera von Scarpa – besonders überzeugt. Außerdem gefiel uns der Diabolo von Boreal als sehr guter und relativ günstiger Allrounder mit Drang zu Höherem.
Nachzügler
Mit etwas Verspätung haben wir noch den Boreal Alpha, den La Sportiva Miura XX und die Wild Climb-Geschwister Grip und Pantera S testen können. Sie waren leider nicht rechtzeitig eingetroffen, mittlerweile haben die Modelle aber auch ihre Testmeter an Fels und Plastik zurückgelegt.
Auch diese vier Kletterschuh-Modelle bewegen sich in Sachen Performance und Passform auf hohem Niveau. Von den Nachzüglern haben uns das "Ondra"Modell des Miura (der Miura XX trägt Adam Ondras Unterschrift) und der Pantera S besonders gut gefallen. Der Boreal Alpha ist ein sehr bequemer und günstiger Einsteiger- oder Zweitschuh.