Österreich-Cross: Vier Tiroler überqueren Österreich in 16 Tagen

Berg, Land, Fluss
Vier Tiroler überqueren Österreich in 16 Tagen

Veröffentlicht am 27.05.2025

Eigentlich stand Alaska auf dem Plan, eine Wildnis, die wie keine zweite für Abenteuer steht. Hier wollten Stefan Ager (Aga), Andreas Gumpenberger (Gumpy) und Martin Sieberer (Mascht) und Hannes Hohenwarter (Fuzi)ihre Lieblingssportarten Skifahren, Bergsteigen und Paragliding noch um eine vierte erweitern: das Packrafting.

Aus Alaska wird Österreich

Der Plan scheiterte an der Pandemie, doch wie es mit einer aufregenden Idee nun einmal so ist: So ganz ging sie den vier Alpinisten nicht mehr aus dem Kopf. Aber musste es unbedingt Alaska sein? Warum nicht vor der Haustür anfangen? Einmal quer durch Österreich – zu Wasser, zu Land und in der Luft, auch wenn Österreich mit seinen meist gut erschlossenen Bergen und kulturreichen Städten nicht unbedingt das erste Land ist, an das man beim Begriff "Expedition" denkt. Aber letztlich kommt es doch nur darauf an, wie man es anpackt. Und wenn es um Perspektivwechsel geht, sind diese Bergfreunde immer vorne dabei. So seilten sie sich schon mal von einem Zeppelin auf einen Berggipfel ab, mit anschließender Tiefschneeabfahrt, oder krochen und kraxelten mehrere Tage durch eine Höhle (ebenfalls mit Ski-Abfahrt). Also nichts wie ran auch an den Österreich-Cross.

Österreich-Cross
Lensecape Productions

Beim Zusammenstellen der Ausrüstung wird klar: Für eine erfolgreiche Expedition kommt nur Highend-Material in Frage. Superleichte Gleitschirme und zuverlässige Packrafts ("TrekRafts" von Nortik, zum Beispiel über faltboot.de) finden sich schnell. Aber vielleicht wäre für die Flusskilometer etwas Erfahrung ratsam? Gut also, dass man mit Fuzi nicht nur einen weiteren top Alpinisten, sondern auch einen wildwasserversierten Paddler im Team hat. Der bringt den drei anderen dann schon die wichtigsten Kniffe für die neue Disziplin bei.

Derart motiviert starten die vier an einem warmen Maitag mit einem klaren Ziel vor Augen ihr außergewöhnliches Abenteuer durch Österreich: von der Bodenseeküste im Westen bis zum Wiener Stephansdom im Osten. Und das CO₂-neutral, allein durch Muskelkraft, angetrieben und unterstützt von den Kräften der Natur.

Die erste Paddeletappe hat es in sich

Die ersten drei Tage stehen im Zeichen klassischer Wanderschaft. Mit dem Bodensee im Rücken geht es quer durch Vorarlberg in Richtung Lechtal. 15 Kilogramm wiegt die Ausrüstung, unerwartet lange Altschneefeld-Querungen bei der Überschreitung von Schönenbach ins Kleinwalsertal und am Gemstelpass mit Kurs auf Warth bringen die vier Alpinisten auch ohne komplizierte Kletterpassagen kräftig ins Schwitzen. In Lech freuen sich alle über eine Abkühlung für die blasengeplagten Füße – und auf die erste Herausforderung in den Packrafts.

Die kleinen Leichtboote sind in kürzester Zeit einsatzbereit. Allerdings hat es die erste Etappe gleich in sich. Fuzi schüttelt bereits nach einigen Flussmetern den Kopf: "Keine 200 Meter und schon der erste Schwimmer!" Der Mascht, dem an den Big Walls dieser Welt kaum einer so schnell etwas vormacht, muss sich mit dem neuen, nassen Terrain erst einmal anfreunden. Diese neue Beziehung vertieft er einige Stromschnellen später direkt noch einmal.

Österreich-Cross
Lensecape Productions

Es gibt angenehmere Möglichkeiten, klatschnasse Kleider zu trocknen, als die eigene Körperheizung. Immerhin: Die wird bei der folgenden Bergetappe zum Hahntennjoch so richtig hochgedreht. "Prost!" – ein Schnaps oben in der Pfafflar-Berghütte erhöht das Wohlgefühl noch. Hüttenwirt Werner hat nicht nur eine warme Stube zu bieten, sondern bei einer Partie Schafkopf auch weitere Getränke in kleinen Gläsern.

Entspannt nimmt das Team an Tag fünf mit dem Inn den nächsten Fluss in Angriff. Allerdings schleicht sich ein eigentlich eher wasserscheues Haustier mit in die Packrafts. Zum Glück gewährt der etwas breitere und gemächlichere Fluss die Möglichkeit, den Kater schnell wieder abzuschütteln, unter anderem mit Konterbier. Sogar eine Partie "Kanupolo" gönnen sich die nun schon erfahreneren Paddler mit einem vorbeitreibenden Fußball. Dass sich dann die Durchfahrt ihrer Heimatstadt Innsbruck in den späten Abend verzögert und sie hier sozusagen im Blindflug vorbeigleiten: gebongt.

In den Kitzbüheler Alpen verabschiedet sich das gute Wetter, Dauerregen drückt etwas auf die Moral. Und der vom Nebel getrübte Blick vom Gipfel des Steinkogels (2299 m) in Richtung Salzburg verspricht kein Fliegerglück. Eine Übernachtung in einem Heuschober (dicht belegt mit Landmaschinen) soll den Elementen Zeit geben, sich auszutoben. "Erst mal mit dem Traktor kuscheln, und über Nacht wird alles wieder gut", prophezeit Aga.

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Der nächste Morgen beginnt zwar trockener, und es klart etwas auf, allerdings hat auch der Bergwind um einige Knoten zugelegt. Also noch mal abwarten und Tee trinken. "So. Jetzt könnt ma fliegen", beschließt Mascht schließlich. Und so packen sie bei immer noch heftigen Böen unterhalb vom Steinkogelgipfel erstmals die Gleitschirme aus. "Wir haben schon elegantere Starts hingelegt", wird Gumpy später kommentieren. Aber die Thermik stimmt, und beflügelt erreichen alle noch am selben Tag die Salzach.

Über eine Woche arbeitet sich die Gruppe nun schon in einer stetigen Abfolge aus Bergwandern, Paddeln und gelegentlichen Flügen durch Österreich: Auf der Enns geht es mitten durch den Nationalpark Gesäuse bis nach Altenmarkt, zu Fuß im Naturpark Eisenwurzen über den Tanzboden (1727 m) und den ausgesetzten Panoramagipfel Stumpfmauer (1770 m) bis nach Hollenstein an der Ybbs.

Adrenalin für den würdigen Abschluss

"Endspurt!", freuen sich alle, als sie an Tag 15 mit der Donau den letzten Fluss der Expedition erreichen. Aber von wegen Spurt – die geringe Fließgeschwindigkeit der "schönen Blauen", kombiniert mit der wildwasseraffinen Drehfreudigkeit der Boote, kann adrenalinverwöhnte Bergsportler glatt in den Wahnsinn treiben. "Erinnert mich an ein Schlechtwetter-Biwak, wenn man eine fetzige Rinnenabfahrt geplant hatte", so Aga. Da kann man schon mal zur Mundharmonika greifen. Oder, wie Gumpy, den Kameraden Fritz Steiners Liebesgedichte ("In dir ertrinken, geliebter Fluss") vorlesen. Und die wichtigste Frage stellt Fuzi: "Wann kommt denn eigentlich der erste Buschenschank?" Aber weder der wiederkehrende Regen noch die vorbeiziehenden Touristendampfer können die Donaumatrosen entmutigen. Mit einer Mischung aus Euphorie und Erschöpfung fahren sie an Tag 16 schließlich in die Hauptstadt ein. Ein kleiner Schritt vom Wasser ans Land am Fuße der Sternwarte Urania, und man ist zurück in der Zivilisation.

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Was natürlich ein zu zahmes Tourende für die gestandenen Alpinisten bedeuten würde. Und deshalb meistern sie in einer ihnen vertrauten Disziplin die letzten Höhenmeter mitten in der Wiener Innenstadt: Kein geringeres "Gipfelkreuz" als das auf der Spitze des Stephansdoms (136 m) markiert den emotionalen Höhe- und Endpunkt dieser gelungenen und vorbildlich umweltfreundlichen Tour durch alle sieben österreichischen Bundesländer. Wenn das kein guter Grund zum Jubeln ist!