Die Isle of Skye zieht Wandernde magisch an. Auch unser schottischer Fotograf Rupert Shanks reist immer wieder auf die Insel. Er weiß sogar, wo man dort noch Ruhe findet.
Die Isle of Skye zieht Wandernde magisch an. Auch unser schottischer Fotograf Rupert Shanks reist immer wieder auf die Insel. Er weiß sogar, wo man dort noch Ruhe findet.
Die Karten Landranger 23 – North Skye und Landranger 32 – South Skye & Cuillin Hills leisten gute Dienste, erhältlich zum Beispiel über mapfox.de, 13,50 Euro. Wanderführer: Walking the Isle of Skye, Cicerone 2015, ca. 17 Euro, zum Beispiel über Amazon.
Allgemeine touristische Informationen und Unterkünfte samt Buchung auf isleofskye.com. Die beste Quelle für Wanderrouten und GPS-Daten ist walkhighlands.co.uk/skye/
Die vorgestellten Wanderungen eignen sich für die Hauptsaison von Juni bis September. Noch ruhiger hat man es aber in der Übergangszeit von April auf Mai und September auf Oktober.
Ein kluger Mensch sagte einmal: »Die Isle of Skye ist kein Ort, sondern ein Rausch.« Seit Generationen zieht die Insel vor der sturmumtosten Westküste Schottlands Reisende, Wanderer und Kletterer mit magischer Kraft an und lockt sie mit ihrer spektakulären Landschaft und ihrer wechselvollen Geschichte. Weltweit populär wurde sie, als Hollywood sie entdeckte: In den letzten zehn Jahren konnte man Schauplätze auf Skye in großen Filmen wie Big Friendly Giant, Prometheus, 47 Ronin, King Arthur und Macbeth sehen. Das hat das Interesse noch verstärkt, die Insel landete auf unzähligen »Bucket-Lists«. Oft zählt sie zu den ersten Zielen, an die Besucher bei einer Schottlandreise denken. Zu Recht entstehen da Bedenken, dass Skye sich zu einem Touri-Hotspot entwickelt, an dem sich Fahrzeuge wie Instagrammer stauen. 2018 setzte der US-amerikanische Fernsehsender CNN die Isle of Skye auf eine Liste von Reisezielen, die wegen ihrer hohen Besucherzahlen zu meiden seien.
Seitdem wurden die Zufahrtsstraßen ausgebaut, um Einschränkungen durch zu hohe Besucherzahlen vorzubeugen. Aber je nach Jahreszeit kommt es an einigen Orten noch immer zu einem regelrechten Ansturm. Glücklicherweise ist die zweitgrößte aller 900 schottischen Inseln. Sie misst fast 80 Kilometer in der Länge, und die Küste erweist sich als so kurvenreich, dass man nie weiter als acht Kilometer vom Meer entfernt sein kann. Es findet sich immer eine ruhige Ecke, und für mich bleibt Skye einer meiner Lieblingsorte in meiner Heimat Schottland. Es weht ein Geist auf der Insel der sich schwer fassen lässt. Vielleicht ist es auch nur ein Gefühl. Aber Skye ist ein besonderer Ort. Das Wetter, nun ja – nennen wir es wechselhaft. Westwinde tragen mehr oder weniger ständig Feuchtigkeit vom Meer heran, die auf die steilen Berge trifft und heftige Schauer verursacht. Aber wie sagen die Schotten? – »Der Regen von heute ist der Whisky von morgen.« Und für mich als Fotografen bleibt Skye ein Traum. Das Licht ändert sich permanent, von klarem Blau über unheilvoll launischen Himmel bis hin zum faszinierenden Licht nach dem Regen. Zu einer noch tieferen Erfahrung wird der Besuch, wenn man in die Geschichte und Tradition der Insel eintaucht. Sie steckt voller alter Legenden, gälischer Geschichten und nordischer Sagen. Manchmal enthalten sie sogar geologische Wahrheiten: Die Cuillins zum Beispiel, die höchsten Berge auf Skye, sollen aus einer der alljährlichen Streitigkeiten zwischen der Göttin des Winters und der Göttin des Frühlings entstanden sein. Eines Jahres erbat die Göttin des Frühlings sich für den Kampf die Hilfe der Sonne, die einen flammenden Speer auf Skye warf. Worauf aus der Erde riesige Mengen Lava austraten – und tatsächlich ist das Gestein der Cuillins, Granit und Gabbro, vulkanischen Ursprungs.
Voll null auf tausend
Weithin sichtbar erheben sich die Cuillins im Südwesten von Skye auf knapp 1000 Meter Höhe. Erschreckend steil und ohne Vorgeplänkel ragen die Flanken des vierzehn Kilometer langen Gebirges mitunter auf, dort, wo die Gipfel zum Meer hinabfallen, wirken sie wie eine Festung. Wandern in den Cuillins erfreut sich großer Beliebtheit, doch überlaufen sind die Wege trotzdem nicht. Dafür erweisen sich die Touren als zu anspruchsvoll, einige von ihnen erfordern Schwindelfreiheit und Klettererfahrung, und nur wenige bieten eine Beschilderung.
Eine meiner Lieblingswanderungen dort bleibt die auf den 965 Meter hohen Sgùrr na Banachdich. Sechs Stunden sollte man für sie schon rechnen, und wenn es einem unterwegs anstrengend vorkommt, tröstet man sich damit, dass man gerade den einzigen Gipfel der Cuillins besteigt, der keinen Handeinsatz erfordert. Oben raubt einem die Aussicht entlang des Gebirgsrückens den Atem, den einem der Anstieg noch übrig gelassen hat. Richtung Meer liegt einem weit unten der Loch Coruisk zu Füßen liegt. Eingebettet zwischen den Bergen zieht sich der See wie ein Fjord Richtung Küste, an dunklen Tagen wirkt sein Wasser fast schwarz – auch er das Ziel für eine großartige Wanderung. Loch Coruisk zählt zu den abgelegensten Plätzen Großbritanniens und lässt sich nur zu Fuß erreichen. Vom Dorf Elgol mit seinen 150 Einwohnern führt auf zehn Kilometern ein schmaler Pfad entlang der Küste zu ihm. Kurz vor dem Ziel erfordert allerdings der sogenannte »Bad Step« volle Konzentration: eine Felsplatte mit 30 Grad Neigung direkt über dem Wasser – nur etwas für trittsichere und nervenstarke Wanderer. Wem das zu heikel vorkommt, der lässt sich mit dem Boot von Elgol zum See fahren und umrundet ihn auf einer 7-Kilometer-Tour. Um nasse Füße kommt man auf dem extrem sumpfigen Untergrund zwar kaum herum, doch das erscheint einem als ein kleiner Preis für den Anblick des Sees, den die Berge fast wie ein Canyon umrahmen.
In der schottischen Folklore steht der Loch Coruisk für seinen »Kelpie«, einen im Wasser lebenden Geist. Wer nach einer langen Nacht im Pub am nächsten Tag verkatert zur Arbeit kommt, von dem heißt es auf Skye gerne, er schwimme wohl noch mit dem Kelpie. Nicht verkatert sollte man hingegen auf zwei schwierigeren Wanderungen in den Cuillins sein: Die Routen auf den Bla Bheinn (924 m) und den Garbh-bheinn (808 m), beide um die sechs Stunden, erfordern beide kurzen Klettereinsatz unter dem Gipfel. Zwanzig Kilometer südöstlich der Cuillins, ganz am Ende von Skye, stößt man auf den abgelegenen Küstenort Kylerhea. Drei runde Gipfel wölben sich in seinem Hinterland in den Himmel: Beinn na Caillich, Sgùrr na Còinnich und Ben Aslak – alle einsam, wild und um die 700 Meter hoch. Das klingt harmlos, doch wer die Gipfel von Kylerhea aus zu einer Tour verbinden mag, sollte sich mindestens acht Stunden Zeit nehmen und eine gute Portion Kraft in den Beinen mitnehmen. Und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr Zeit, schon allein für die Aussicht über den Atlantik und hinüber zu den düsteren Cuillins. Allzu vielen anderen Wanderern werdet ihr auf eurem Streifzug nicht begegnen, sollte aber ein Reh euren Weg kreuzen, denkt an die Riesenfamilie der Fiennes, die hier früher ihre Heimat hatte. Oben auf dem Beinn na Caillich fällt einem sogar ein Grabhügel ins Auge, der für die Frauen der Familie Fiennes angelegt worden sein soll. Eine der riesigen Töchter der Fiennes jedoch, erzählt man sich, hat ein Zauberer in ein Reh verwandelt, das noch heute durch die Hügel streift.
Hoch im Norden der Insel
Riesen spielen auch in Steven Spielbergs Fantasyfilm The Big Friendly Giant eine Rolle, der ganz am anderen, am nördlichen Ende von Skye, gedreht wurde: in der Wildnis der Trotternish-Halbinsel. Dort fällt sofort ein Bergkamm ins Auge, der sich fast 30 Kilometer lang in den Norden zieht und stellenweise 450 Meter tief abfällt – der Trotternish-Kamm. Grüne Hänge und Heideland durchsetzen die schroffen Abbrüche, Felsvorsprünge und riesigen Felsbrocken.
Der Kamm beginnt kurz hinter Portree, mit gut 2000 Einwohnern die einzige Stadt auf Skye. Wer von dort an der Ostküste der Trotternish-Halbinsel immer zu Füßen des Kamms entlangfährt, entdeckt linker Hand oben am Hang bald eine 50 Meter hoch aufragende Felsnadel: den berühmten Old Man of Storr. Der Legende nach war er, erraten, ein Riese beziehungsweise nur dessen Daumen, der von der Grabstätte nicht vollständig bedeckt wurde. Man kann direkt von der Straße aus hochwandern, und oben stellt man fest, dass der Old Man hier längst nicht das einzige bemerkenswerte Felsgebilde ist. Die Wege schlängeln sich durch eine ganze Reihe von ihnen – großartig, aber alleine wird man dabei nur selten sein. Auf einem viel ruhigeren Weg nähert man sich dem Trotternish-Kamm von Westen. Zu meinen Favoriten zählt die Tour von Glen Uig auf den Beinn Edra (609 m), eine elegante Erscheinung im Kamm mit einem geschwungenen Gipfelplateau und einer standesgemäß steil abfallenden Kante. Auf dem Weg wird man hier und da wieder Bekanntschaft mit Morast machen, aber die insgesamt vier Stunden für Hin- und Rückweg lohnen trotzdem, denn auf dem Beinn Edra reicht der Blick an klaren Tagen bis hinüber zu den Torridon Mountains auf dem Festland.
Wieder zurück am Start, bietet sich ein Abstecher zur einsamen Waternish-Halbinsel an, die noch ein Stück weiter westlich liegt. Von ihrer hügeligen Küste aus sichten Wandernde manchmal Wale und Orcas, die in Landnähe Fischschwärme jagen. Vor Hunderten von Jahren sollen sie noch häufiger zu beobachten gewesen sein – allerdings geschah es damals nicht aus Freude am Naturschauspiel: Im 17. Jahrhundert ernährten sich die Bewohner von Skye zu großen Teilen von Wal- und Robbenfleisch. Mein Vorschlag: Versucht euer Glück als Whalewatcher auf einer Küstenwanderung von der Ruine der Trumpan-Kirche zum Leuchtturm am Waternish Point – vielleicht treffen wir uns ja. Jedes Mal, wenn ich Skye besuche, suche ich solche Orte abseits der ausgetretenen Pfade. Schottland hat viele von ihnen, aber auf Skye spüre ich eine besondere Energie. Ich hoffe, euch wird es genauso gehen. Denn die Welt braucht mehr von dieser Skye-Magie.