Es sind oft die unscheinbaren Dinge, die große Wirkungen entfalten. So hat ein defekter Dichtring 1986 die Challenger-Raumfähre abstürzen lassen, führten kürzlich klemmende Gaspedale zu etlichen Autopannen und zwei Gänse zum Notwassern eines Passagierflugzeugs im Hudson River. Parallelen gibt es auch in der Wanderwelt, wenn auch nicht ganz so dramatische: Noch heute frieren nassgeschwitzte Wanderer bei Erreichen des Gipfels oder anderer Pausenziele, nur weil sie das falsche Unterhemd tragen, erkälten sich Blasen und Nieren, weil sie an der Unterhose sparen, und peinigen ganze Hüttenbelegschaften mit müffelnden Feinripphemden.
Dabei sollte es sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass ein simples Baumwollshirt ausreicht, um sich die Tour zu vermasseln. Mehr Freude hat man beim Wandern mit Funktionswäsche. Das beweist auch der Test von zehn Funktionswäsche-Sets für den Ganzjahreseinsatz. Die Sets bestehen aus Langarmhemd und kurzer Hose und kosten zwischen 45 und 185 Euro. Für die meisten Wetterlagen ist diese Kombination ideal: Das Langarmhemd schützt bei kühlem Wetter besser vor Auskühlung und bei warmem gut vor Sonnenbrand. Außerdem verhindert es, dass die Arme in einer Funktionsjacke am Futter oder an der Membran kleben.
Um ein aussagekräftiges Testergebnis zu erhalten, stattete outdoor sieben Tester mit den Sets aus, darunter drei Frauen. Zehn Wochen lang mussten sie damit wandern, Rad fahren, einkaufen, Treks bestreiten, schlafen und joggen – und über ihre Erkenntnisse Buch führen. Keine leichte Aufgabe, weder für die Tester noch für die Wäsche. Schließlich sind die Anforderungen an Funktionswäsche vielfältig und im Vergleich zu früher höher. Galt damals: »Hauptsache schnell wieder trocken«, muss sie heute wie eine Klimaanlage funktionieren. Nur Schweiß ableiten reicht nicht, der Körper schwitzt ja nicht grundlos. Er schwitzt, um die durch Muskelarbeit entstandene Wärme abzuleiten. Dabei muss ihn die Wäsche unterstützen, indem sie Schweiß gezielt auf der Haut verdunsten lässt – nur das kühlt. Lässt die Muskelarbeit aber nach, etwa bei der Gipfelrast, darf die Wäsche nicht weiterkühlen, sondern muss flott wieder wärmen.
Mit unterschiedlichen Methoden und Materialien versuchen die Hersteller, diesen Spagat aus Kühl- und Wärmeleistung zu erreichen. Manche, im Test Craft oder Schiesser, setzen alles auf eine Kunstfaser, andere wie Falke, Fuse, Odlo oder X-Bionic setzen auf einen Synthetik-Mix, Mammut und Woolpower auf einen Woll-Synthetik-Mix und Smartwool sowie Icebreaker auf Wolle pur. Zusätzlich teilen einige wie Falke oder X-Bionic ihre Wäsche in Zonen ein. Manche kühlen, andere wärmen, je nachdem, wie‘s der Körper gern hätte – schließlich schwitzt er nicht überall gleich stark. Während Rücken, Nacken und Brust vor Schweiß triefen, bleiben Ellbogen und Schultern staubtrocken.
Funktionswäsche im Test: Die Bedeutung von Körpergefühl, Hautklima und Material
Ein gut geregeltes Körperklima allein ist allerdings noch nicht die Lizenz zum Wohlfühlen. Auch Passform und Materialgefühl müssen stimmen. Leger geschnittene Shirts wie die von Icebreaker tragen sich zwar im Alltag angenehm, doch auf anstrengenden Touren hört der Genuss auf: Dann kullern unter dem Stoff Schweißtropfen um die Wette, und die Shirts können ihre klimaregulierende Wirkung nicht entfalten. Das schafft körpernah geschnittene Wäsche wie die von Craft deutlich besser, und auch die knalleng sitzenden Hemden und Hosen von Odlo, X-Bionic und Co. regeln das Körperklima gut. Durch den komprimierenden Sitz sollen sie außerdem zu mehr Leistung verhelfen. Der Effekt blieb von den outdoor-Testern jedoch unbemerkt. Im Gegenteil, viele fühlten sich eingeengt und unwohl. Allenfalls zum Sport, so das Fazit der Tester, lässt sich Kompressionswäsche tragen. Keinesfalls aber auf Tour oder im Schlafsack.

Einhellige Begeisterung hingegen beim Hautgefühl. Hier haben die Hersteller ganze Arbeit geleistet. Selbst Polypropylen, noch vor 20 Jahren nur in kratzigen Varianten erhältlich, schmeichelt heute der Haut. Doch es gibt auch Kritik: Die Achselnähte am Mammuthemd scheuern, wenn es nicht perfekt passt, und die oft gelobte Merinowolle von Icebreaker und Smartwool kribbelt im feuchten Zustand einigen Testern störend auf der Haut.
Doch einen Trumpf lassen sich Smartwool und Icebreaker nicht nehmen: Ihre Wäsche müffelt nicht. Selbst dann nicht, wenn man sie drei Tage und Nächte ununterbrochen trägt. Einigen Kunstfasermodellen wie Craft oder Falke reicht eine Stunde Sport, um so zu riechen wie die Wollshirts nach einer Woche.
Unterm Strich zeigt der Test: Die perfekte Wäsche gibt es nicht. Dazu unterscheiden sich individuelle Vorlieben und Empfindungen einfach zu stark, vor allem, was Hautgefühl und Passformwünsche anbelangt. Eines aber steht fest: Der Preis von Funktionswäsche sagt wenig über ihre Güte aus. Das zeigt etwa Hersteller Schiesser, dessen Wäsche sich angenehm trägt und gut klimatisiert. Sie trocknet rasch und fängt spät an zu müffeln, was sie voll tourentauglich macht. Ihr Preis: 45 Euro. Ebenfalls top: das Craft-Dress. Aufgrund seiner noch besseren Klimatisierungsfunktion empfiehlt es sich auch für sehr sportlich ambitionierte Outdoorer.
Verfrorene und solche, die ein Shirt fürs Kühle suchen, greifen zum Woolpower. Gut eignet sich das warme Hemd für hochalpine Touren und lange Treks in kühlen Regionen, da es im Nu trocknet und erst nach Tagen müffelt. Und die Wollwäsche von Icebreaker und Smartwool? Sie empfiehlt sich
wegen langer Trockenzeit und geringer Kühlwirkung für weniger schweißtreibende Einsätze. Und in einem ist sie sogar perfekt: als Chill-Outdress für Zelt und Hütte. Damit schlagen Sie die Feinrippfraktion um Längen!
outdoor-Kaufguide für Funktionsunterwäsche
Einsatzzweck
Setzen Sie die Wäsche vor allem zum Sport oder auf sportlichen Touren ein? Dann schauen Sie nach körpernah geschnittenen Modellen aus Kunstfasern, wie zum Beispiel von Craft, Odlo oder Schiesser. Da sie unterschiedlich eng ausfallen und auch die Ärmellängen sich gravierend unterscheiden, sollte man sie nur nach Anprobe kaufen.
Kurz oder lang?
Shirts mit langen Ärmeln sind vielseitiger. Sie schützen besser vor Auskühlung und bei Sonnenschein zusätzlich vor UV-Strahlung und damit Sonnenbrand. Wird‘s zu warm und sind die Ärmel weit genug, schieben Sie sie einfach hoch. Wer viel unterwegs ist, sollte zur Langarm- und Kurzarmversion greifen. Auf Tour trägt man dann je nach Temperatur kurz, lang oder beides übereinander.
Eng oder leger?
(Berg-)Sportler greifen am besten zu körpernah geschnittener, anliegender
Wäsche. Sie leitet den Schweiß am besten ab und reguliert das Körperklima effektiv. Liegt die Wäsche knalleng an, spricht man von Kompressionswäsche (im Test: Falke, Fuse, Odlo, X-Bionic). Untersuchungen zufolge kann sie die Leistungsfähigkeit steigern – es gibt aber auch gegenteilige Ergebnisse. Hier gilt: Vor dem Kauf anprobieren, nicht jeder fühlt sich darin wohl.
Gut zur Haut?
Ob Schadstoffe in der Wäsche stecken, lässt sich nicht riechen oder am Etikett ablesen. Hier helfen allein Ökotex- und Bluesign-Safety-Siegel. Beim Ökotex-Standard 100 liegen die erlaubten Grenzwerte jedoch kaum über den gesetzlichen. Schärfer: die Bluesign-Safety-Zertifizierung.

outdoor-Kaufguide: Wolle vs. Kunstfaser
Gute Gründe für Wollwäsche
Gute Merinowolle liegt angenehm kuschelig auf der Haut, fühlt sich natürlich an und wärmt dabei superb. Ideal eignet sie sich für gemütliche Wandertouren. Oder auch für Hüttenwanderungen, hier kann sie nach Ankunft in Ruhe trocknen und peinigt dabei nicht andere Gäste mit beißendem Kunstfasergemüffel. Angenehm ist auch, dass man darin nicht aussieht, als wollte man einen Wettkampf bestreiten.

Gute Gründe dagegen

Wolle ist nicht gleich Wolle. Vom Querschnitt der Fasern und von der Behandlung – oft mit Chlor – hängt ab, ob sie sich weich trägt oder auf der Haut juckt. Im Laden lässt sich das nicht prüfen, viele Shirts »kratzen« erst dann richtig, wenn man anfängt zu schwitzen. Schwitzt man weiter, wie etwa bei langen Aufstiegen oder unter dem Rucksack, wird‘s noch unangenehmer: Nasse Wolle trocknet sehr langsam und klebt dabei stundenlang unangenehm auf der Haut – bei sportlichen Touren muss deshalb stets ein Wechselhemd mit – am besten eines aus Kunstfasern.




