Leuchtend rote Felstürme, grüne Hügel und romantische Örtchen: Kaum ein Gebiet Deutschlands bietet eine solche Fülle an tollen Felszielen. Hier gibt's Info und einen Blick in die bewegte Klettergeschichte der Pfalz.
In diesem Artikel:
Informationen rund ums Klettern in der Pfalz
Allgemein: Das Klettergebiet Pfalz bietet viele klassische Klettereien, starke charaktervolle Wege aller Kletter-Epochen, von traditionell bis modern. Keile und Klemmgeräte sollten meist an den Gurt, vor allem in den Routen bis zum sechsten Grad. Von schlanken Felsnadeln bis zu großen Massiven gibt's in der Pfalz Kletterbares.
Der moralisch gefestigte Genusskletterer findet ein kleines Paradies vor. Besonders reizvoll: die teilweise recht anspruchsvollen Normalwege bis in den 6. Grad auf die 80 freistehenden Pfälzer Türme, der Rest spielt an Massiven. Wer Keile legen kann, muss sich hier meistens nicht fürchten. Der Sportkletterer findet ausreichend von schlecht bis gut gesicherte Routen bis in den 11. Grad.
Besonderheit: Nach den Pfälzer Kletterregeln sollte erst ab dem 7. UIAA-Grad gechalkt werden.
Beste Zeit: Das Klima in der Südpfalz ist mild, daher lässt sich teilweise sogar im Winter an den Südwänden klettern. Ideal sind Frühling und Herbst, im Sommer kann es an süd-ausgerichteten Wänden warm werden. Nach Regen sollte man ausreichend abwarten, da Feuchtigkeit den Sandstein weich (=brüchig) werden lässt.

Anreise: Das Zentrum der Südpfalz erreicht man über Landau auf der B10. Oder mit der Bahn bis Annweiler oder Hinterweidenthal und von dort weiter mit dem Bus. Viele Kletterziele lassen sich ab den Bahnhöfen auch mit dem Fahrrad erreichen.
Übernachtung: Zeltplätze finden sich zahlreich. Bei Kletterern beliebt ist die Zeltwiese oberhalb des Bärenbrunnerhofes (Busse / Wohnmobile nicht erlaubt). Daneben gibt es DAV-Hütten, Pensionen und Hotels in allen Preislagen.
Naturschutz: Die PK, die „Vereinigung der Pfälzer Kletterer“ gründete bereits in den 80er-Jahren zusammen mit dem DAV, führenden Sportkletterern und allen beteiligten Verbänden den „Arbeitskreis Klettern und Naturschutz (AKN) Pfalz“, um eine Lobby in Richtung der Politik zu schaffen. Erfolgreich waren sie schnell. Man einigte sich, Felsen zeitlich befristet zu sperren. Die aktuell gültige Liste der gesperrten Felsen findet ihr unter www.pfaelzer-kletterer.de. Die Wanderfalkenpopulation stabilisierte sich. Auch die Naturschutzbehörden gingen mit an Bord, was dem Ganzen politische Stabilität verlieh. Ein Rahmen, mit dem heute alle gut leben können. Dazu gehört als Kletterer aber, dass man auf den Zustiegswegen bleibt, seinen Müll wieder mitnimmt, Magnesia erst am dem 7. Grad benutzt und danach mit einer Zahnbürste wieder abbürstet. Die PK feiert übrigens 2019 ihr 100-jähriges Bestehen.
Absicherung: Die Pfalz bietet viele tolle Routen. Entweder sind sie respektabel abgesichert, oder sie lassen sich mit mobilen Sicherungsmitteln ganz gut zusätzlich sichern. Das Legen solcher muss man jedoch in der Pfalz beherrschen. Nur wenige Routen sind mit den Möglichkeiten, die der Fels hergibt, gefährlich abgesichert und im Führer mit E3 bewertet. Für einen Pfalz-Ausflug gehören ein Satz Klemmgeräte und ein Satz Keile zum Standard Repertoire, dazu 3 bis 4 kurze und 1 lange Bandschlinge.

Kletterführer: Auswahlführer „Pfalz – Klettern im Buntsandstein des Pfälzer Felsenlandes“ von Jens Richter und Sabine Tittel (Panico Alpinverlag, 2019). Ebenfalls bei Panico gibt es noch eine topografische Karte und einen Ergänzungsband mit weiteren Felsen. Kletterführer Pfalz direkt hier im klettern-Shop bestellen (44,80 €)
Die Bibel „Südpfalz – Klettern im Buntsandstein“ von Hans Jürgen Cron und Udo Daigger aus dem Jahr 2005 enthält nahezu alle bekletterbaren Felsen, ist aber vergriffen. Eine Neuauflage ist geplant.
Bildband: Noch in der Mache ist ein neues Buch vom Autor dieses Artikels, Alex Wenner. Wer sich für das Pfalzklettern interessiert, darf sich auf mehr als 300 Fotos von den Pionieren über Karl und Güllich bis Westphal, über Geschichte und Geschichten und Interviews mit Pfalz- und Nichtpfalz-Legenden freuen.
Die besten Routen: Empfehlungen
Im Grunde kann man an jedem Felsen in der Pfalz einen spannenden und erlebnisreichen Tag verbringen, denn meist gibt es an einem einzigen Massiv eine breite Vielfalt an Routen. Der Psycho-Thriller wartet da direkt neben der Bolt-Clipping-Route, die neben einem klassischen, ringlosen Riss gebohrt wurde. Wir wollen euch mit der gewaltigen Routenvielfalt nicht allein lassen und stellen euch deshalb Schmankerl aus der jeweiligen Epoche, die Top und Psycho Five sowie sechs besonders lohnende Felsen vor. Unbedingt die Sperr-Liste auf der PK Homepage beachten.

Aus der Gründerzeit:
Durstigfels Landauer Weg (4, 4 SL); Asselstein Normalweg (4-), Westwand (6) und Pfundstein-Schmidt-Riss (6+); Honigfels Normalweg (6-); Friedrichturm Erstersteigerweg (6-); Adelsnadel Normalweg (6-); Ludwigshafener Turm Matheis-Normalweg (6); Hochsteinnadel Nordriss (6); Hundsfelsen Östl. Nord-Riss (7-)
Aus der Techno-Phase:
Rödelstein Oliverweg bis zum Gipfel (6+); Heidenpfeiler Himmelsleiter (6+), Nonnenfels Jubiläumsriss-Idealausstieg (7-); Adelsnadel Talwand (7-); Lämmerfels Direkte Südwand (7-); Geierturm Sonnenweg (7); Jungfernsprung Franz-Seiler-Gedächtnisweg (7+), Jungturm Studentenweg (8-)
Aus der heißen Phase:
Luger Geierstein Geierwally (7); Honigfels Flug des Albatros (7+); Büttelfels Reibeisen (8-); Rödelstein Teamwork (7+), Direkter Dezemberweg (8); Bruchweiler Geierstein Superlative (8); Hochsteinnadel Herr der Ringe (8); Rötzenstein Maitrauer (8+)

Aus der Sportphase:
Bruchweiler Geierstein Peterchens Mondfahrt (7+); Buhlstein Zauberlehrling (8+/9-); Münzfels Alles unter Konzentrolle (9-); Burghaldefels Magnetfinger (9+); Fischfels Windjammer (10-); Retschelgrat TNT (10+); Nonnenfels Mekka Direkt (11-/11)
Die Psycho-Five:
Asselstein Nordpfeiler (8-/8 E3, Schulterstand), Nöltner/Güllich 1977, hier muss man genau wissen, was wo passt, ansonsten sehr gefährlich.
Pferchfeld Direkte Zentrale Südwand (8 E3), Güllich/Nöltner 1978, hier lauert die E3 Passage am Ausstieg nach den Waben, aber auch die Einstiegspassage zum ersten Ring kann haarig werden.
Eppenbrunner Altschlossfelsen Powerbär (9- clean E3), Wolfgang Kraus 1979, die erste 9- in Deutschland. Hier fehlen die Ringe seit dem Hakenstreit. Clean ist das eine sehr delikate Angelegenheit, besser im Toprope.
Burghaldefels Premiere in Blei (8+/9- E2/3), Rainer Scharfenberger 1986. In der Kieselplatte zum Band sehr gut aufpassen, eigentliche Crux darüber ist perfekt gesichert.
Asselstein Wilde Jagd (8- E2), Scharfenberger 1989. Eine starke Linie, die sich moderat absichern lässt.

Die Top-Five
Buchholzfels Gegen den Strom (11), Julius Westphal 2014; Nonnenfels Mekka Direkt (11-/11), Westphal 2005; Hohle Felsen Papa-Dach (11-/11), Westphal 2009; Retschelgrat Neues aus Absurdistan (11-/11), Westphal 2014; Gambaxplosion (10+/11-), Lutz Limburg 2001
Plaisir gibt es hier zwar nicht, aber mit ein paar Keilen und Klemmgeräten lassen sich die meisten Führen entschärfen. Vom Normalweg – Ney-Schlemmer-Weg (4) abgesehen, gibt es Pflichtrouten wie den Fritz-Mann-Kamin (5+), Rolf-Kamin (6+), Wilde Jagd (8-) und Utopia (8), ein weiterer Güllich-Klassiker.
Lage: Bei Annweiler direkt oberhalb der Asselsteinhütte.
Drei Felsen
Hier kann der fortgeschrittene Genußkletterer etliche Klassiker mit Format austesten, leider unter dem Rauschen der B10 nebenan. Neben dem Lineal (7-), das als erste Route im 7. Grad in deutschen Mittelgebirgen gilt, sind die Bogen- (6+) und Falkenverschneidung (6) den Ausflug wert. Am Ostgipfel darf die steile Aqua Minerale (8) in keinem Tourenbuch fehlen.
Lage: Bei Rinnthal, oberhalb der Unterführung unter der B10 hindurch.

Langenfels
Die neueste „alte“ Pfälzer Errungenschaft. Nach der Eröffnung von Spurlos 1981 lief da keiner mehr hin. Kein Wunder. Überall gab es Bruch vom Feinsten. Die meisten Routen müssen zwar noch stark abgeklettert werden, aber bieten jetzt eine wunderbare Alternative für diejenigen, die abseits der Modefelsen in einem tollen Ambiente klettern wollen. Ein Helm sollte mit im Gepäck sein, auch für den aufmerksamen Sicherer. Optisch beeindruckend schön ist die mittige Führe in der Talwand, die Lange Anna (8), die benachbarte Dancing Queen (7) bietet eine bessere Felsqualität. Gut sind der Pälzer Fiez (6), Direkte Südwand (6+), Belzniggls Reibung (6+), Spurlos (8-) und Long Lord Lä (9+).
Lage: Bei Rinnthal an der B48 Richtung Johanniskreuz.
Rödelstein
Hier griffen Anfang der 80er, als es losging mit dem Sportklettern in Deutschland, internationale Stars wie der US Amerikaner John Bachar oder der Australier Kim Carrigan an. Ein Fels mit vielen Klassikern und Extremrouten. Eine Auswahl zu treffen ist schier unmöglich, denn ähnlich wie am Trifels bietet der Rödelstein sehr festen Sandstein und ist zudem steil. Neben den bereits erwähnten Routen dürfen Klassiker wie Sperber (6+), Reinhardweg (7), Höllenfahrt (8-), Ameisentrail (8), Norddach (8+), Vollstreckung (9) und Gerüchte (9+) nicht fehlen.
Lage: Bei Vorderweidenthal.
Hochstein
Hier kann es voll werden. Kein Wunder, denn das Massiv bietet massig Genußtouren in guter Qualität. Leider blockieren Egoisten gerne ganztägig Routen mit ihren Topropes. An der Nadel lohnen die PK-Kante (6- E1/2), Nordriss (6), Nordlicht (8-) und Herr der Ringe (8). Am Massiv gibt es so viele gute, dass eine Aufzählung schwer fällt. Ich versuche es mal mit Dornenriss (5), Herbstpfeiler (6), Solaris (6+), Rebell Yell (7-), Inselfreuden (8) und weit rechts am Massiv die neue Dahn Wall (6) sowie die Lagerwand (6).
Lage: Südlich von Dahn an der B427.
Bruchweiler Geierstein
Ein attraktives Ziel mit viel Platz vor der Superlative. Neben dem Schartenweg (5), dem DAV-Weg (6), bieten sich Niemansland (6+) und der Likörweg (7-) an. Auf der Nordseite der Eulenweg (6+), Plattenschußweg (7-) und die Hühnerleiter (9 bis 10-, je nach Spannweite).
Lage: Nordöstlich von Bruchweiler.

Klettergebiet Pfalz – Heimat Wolfgang Güllichs mit Rissen, Türmen und Geschichte
Einmal im Leben in der Pfalz eine anständige Route hochsteigen und dabei den roten, bunten Sandstein streicheln. Nur einmal ein Klemmgerät in einem sandigen Pfalz-Riss versenken. Einmal im Leben sich überwinden, nicht alle zwei Meter einen Bolt zu klippen wie in den Modegebieten unseres Planeten oder in der Kletterhalle. Einmal in einem schönen Buchen-Eichen-Kiefernwald auf weichem Boden federnd beim Zustieg zu einem der unzähligen Sandsteintürme wandern und dabei den Duft des Waldes und den Duft des Moders der verfault feuchten Blätter inhalieren. Oder wollt ihr das etwa nicht? Einmal sollte man die Pfalz als Kletterer schon erlebt haben.
Ein Riss für Generationen
Weniger federnd und jugendlich liefen Dieter Klan und ich mit unseren alten Knochen im letzten Dezember zum Riss aller Pfälzer Risse. Dieter, ein Sportkletterpionier der 80er-Jahre, der Wege wie Herr der Ringe am Hochstein oder am Bockturm den Pfälzer Neo-Klassiker Batman erstbeging und der auch heute mit Ü50 noch prächtig zupacken kann. Wir begleiteten Hans Laub zu seinem Riss – zu seiner bekanntesten Erstbegehung im Pfälzer Wald. Hans, knapp 90 Jahre alt, war hier schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Und der Boden riecht an diesem Dezembertag auch gar nicht, hartgefroren ist er zudem. Bei dem kalten Sauwetter lockt es keine Kletterer an die schönen Türme des Bärenbrunnertales, mit dem Sternfels, der Klosterwand, der Nonne und dem Honigfelsen, der vom Wald regelrecht verschluckt wurde über die Jahrzehnte. 1960 gelang Hans Laub zusammen mit dem damaligen Ausnahmekletterer Fred Frey die Erstbegehung des Jubiläumsrisses am Nonnenfels, technisch mit Knotenschlingen und Haken zur Fortbewegung.
Laub und Frey waren nach dem zweiten Weltkrieg ohne Wenn und Aber die erfolgreichste Pfälzer Seilschaft und erschlossen so wunderbare Führen wie den Oliver- und den Dezemberweg am Rödelstein, den Franz-Seiler-Gedächtnisweg am Jungfernsprung, den DAV-Weg am Bruchweiler Geierstein oder die Himmelsleiter am Heidenpfeiler. Überall, wo ein Knoten oder ein Schnürchen um eine Felsnase passte, wurde die Strickleiter eingehängt, freigeklettert wurde nur, wo es notwendig war, so wie zu der Zeit eben üblich. Fred war Schmied, daher hatten die beiden auch Haken mit am Gurt.
Reinhard Karl, einer der Freikletter-Revolutionäre der 70er-Jahre, der Klemmkeile wie den Hexentric oder den Rock aus den USA in die Pfalz importierte, einer, der die Idee des Freikletterns mit anderen konsequent wiederbelebte, nahm den jungen Pfälzer Wolfgang Güllich 1977 mit zum Nonnenfels an den Jubiläumsriss – 17 Jahre nach dessen Erstbegehung. Nachdem sich alle Anwesenden versucht hatten, kletterte Wolfgang als erster a.f. („alles frei“, also frei, aber mit Ruhen) durch die beeindruckende Führe. In den folgenden 14 Jahren wurden die Kletterschwierigkeiten dann vom siebten bis in den elften Grad gesteigert. Die Uhr fing an sich schneller zu drehen, und Karls progressive Akte in der Pfalz und im Wilden Kaiser, wo er im gleichen Jahr bei der Erstbegehung der Pumprisse dabei war, waren die Zünder für eine Bewegung, die bis heute den Zeitgeist trifft. Reinhard Karl starb 1982 in einer Eislawine am Cho Oyu im Himalaya, Wolfgang Güllich, der jahrelang das Sportklettern auf der ganzen Welt bestimmte, bei einem Autounfall 1992.

Geburtswehen der Moderne
Die Zeit, als das Freiklettern wiedererfunden wurde, sehen kletternde Pfalz-Historiker als „bewegt“ an. Denn nicht bei allen kam die Idee des freien Kletterns gut an. Das Traditionalistenlager wollte nach wie vor die Strickleiter in der Schlinge oder in alten Haken. Die Freikletterer forderten dagegen sichere Ringe und das Erschließen von oben. „Das Ganze hier ist ein Spiel. Ok, ich bin kein Vogel, deshalb verwende ich Seil und Sicherung, das leuchtet mir ein. Also nieder mit der Technik, es leben meine Fähigkeiten“, formulierte Reinhard Karl später. Es war ein Generationenkonflikt, der eine Kletterrevolution in der Pfalz auslöste. Während in Franken Kurt Albert rote Punkte an die Wand pinselte und das Rotpunkt-Klettern seinen Lauf nahm, schufen Kletterer wie Reinhard Karl, Thomas Nöltner und andere neue Freiklettertouren in der Pfalz im damals üblichen a.f .-Stil. Meist waren das glatte Wände, die mittels Schlaghaken nicht mehr gesichert werden konnten. Doch obwohl er von den Altvorderen forderte, Ringe setzen dürfen, kletterte Nöltner das Reibeisen (8-) kühn ohne einen einzigen Bohrhaken. Und dafür gab es einen Grund.
Es kam zum Streit der Traditionalisten mit den Freikletterern, der geschichtlich als Pfälzer Hakenstreit in die Annalen einging. Neue Ringe wurden morgens aus dem Abseilsitz gesetzt, die Tour ausgecheckt und danach geklettert. Und abends kamen die Absäger, entfernten die Ringe mit Generator und Flex, so wie beim Flug des Albatros. An ringlosen Routen wie dem Reibeisen oder am Nordpfeiler am Asselstein konnte keiner sägen, so Nöltners kühle Kalkulation.
Erich Schunk, der bei Richard Mühes Erstbegehung des Flug des Albatros am Honigfelsen beteiligt war, wird in „Am Anfang war der Konflikt“, einem alten Artikel aus dem Jahr 1989 von Tilmann Hepp, wie folgt zitiert: „Der Konflikt, der sich Mitte der siebziger Jahre herauskristallisierte, entsprach soziologisch gesehen einer Polarisation zwischen altem Ordungsdenken und unorthodoxer Lebensweise, zwischen kurzen und langen Haaren, um bildlich zu sprechen zwischen herumgammelnden Studenten und rechtschaffenen Bürgern, kurz: zwischen zwei Lebensstilen.“ Am Ende hatten die langhaarigen Freikletterer gewonnen. Es ging danach stets voran, die Entwicklung konnte nicht verhindert werden.

Alles schon mal da gewesen
Dabei war die Freikletter-Idee nur ein Reaktivieren von altbekanntem Gedankengut. Denn schon lange vor den „Revoluzzern“ der 70er-Jahre kletterte am Anfang des letzten Jahrhunderts etwa ein Paul Preuß in den Alpen sogar ganz ohne Seil, und erfolgreiche Brüderseilschaften wie Fritz und Theo Mann oder Otto und Wilhelm Matheis meisterten in der Pfalz beachtlich hohe Schwierigkeiten frei bis in den sechsten Grad. Nehmen wir als Beispiel den Östlichen Riss am Hundsfelsen aus dem Jahr 1922 von den Mann-Brüdern. Auch in heutigen Führern steht er immer noch mit Sechs drin. Es traut sich wohl kein Führer-Autor, den aufzuwerten. Macht den mal bei Gelegenheit und denkt dabei daran, dass Fritz diesen Riss ohne Zwischensicherung frei hochstieg. Das Seil zog man in der Zeit nur hinterher, um später wieder abseilen zu können. Jedenfalls war das lange, bevor Helmut Kienes und Reinhard Karls Pumprisse im Wilden Kaiser 1977 die damals gültige Welzenbach-Skala öffneten und damit bevor die Skala der Grade von Sieben aufwärts salonfähig wurde.
Bis 1975 war jedenfalls der sechste Grad definitionsgemäß auch in der Pfalz die Grenze des Menschenmöglichen, und die wurde in der Zeit durch das technische Klettern nur um viel Metall, Haken und Schlingen in den Routen bereichert.
Vom Topspot in die Vergessenheit
1978 wurde Thomas Nöltners und Wolfgang Güllichs Superlative am Bruchweiler Geierstein zu einem weiteren Pfälzer Denkmal, aber auch zum Anschlagsziel und Opfer einer weiteren Absägeaktion nach dem Albatros. Die größte Demütigung erfuhren diese Route und ihre Erstbegeher durch Karrenfett am Einstieg, das ein Aktivist in einer Nacht- und Nebelaktion in den Riss schmierte. Die Route war dadurch erstmal unkletterbar. Durch die Sanierung wurde die Superlative dann zur Trainingsrennbahn degradiert, und neue Akteure betraten die Pfälzer Freikletterbühne. Auch Nöltners Reibeisen bekam ein paar Ringe verpasst. Und während die Pfalz noch Anfang der 80er-Jahre gerne von Spitzenkletterern aus Frankreich, den USA oder Australien besucht wurde und als führendes Freiklettergebiet Aufsehen erregte, das Toprouten aufzuweisen hatte wie Tuxedomoon (9) am Buchholzfelsen oder Hühnerleiter (9+) am Bruchweiler Geierstein, erlosch die Flamme auf dem pfälzischen Olymp schleichend nach 1983. Just in dem Jahr schuf Jerry Moffat mit The Face im Altmühltal den ersten Zehner in Europa. Dabei muss es den Pfälzern die Sprache und den Elan verschlagen haben, denn die Entwicklung lag danach erstmal auf Eis. Der Wind blies aus einer anderen Richtung. Nord- und Südfranken wurden zu den neuen deutschen Top-Arenen.

Eine Linie für Jahre
Lohnend oder unlohnend, Toptour oder Bruchhaufen – darauf haben die Natur, der Regen, das Wasser und der Wind in den letzten paar Millionen Jahren nie Rücksicht genommen. Ist ein Stück Fels erst dann von Interesse, wenn entlang seiner Oberfläche eine Klettertour führt? Ist es ihre Linie, ihre Schönheit oder ihre Schwierigkeit, die sie zu dem Markstein macht, der sie von den benachbarten Routen mit gleichem geologischen Entstehungsprozess abhebt? Wird der Nimbus von Kletterrouten durch bloßes mediales Bombardement geboren, welches beim Magnetfinger am Burghaldefels Mitte der 80er seine noch sehr zarten Anfänge nahm? In allen Ländern dieser Erde ging es voran, neue Grade wurden entwickelt, nur in der Pfalz waren alle Toprouten mit 9 bewertet, selbst dann noch, als Güllich ´87 mit seiner Wallstreet in Franken bereits den unteren elften Grad kletterte. Das blieb für einige Jahre so. So wurde der Magnetfinger über mehrere Jahre als eine der schwersten Pfalzrouten gehandelt und ist heute durch seinen Bekanntheitsgrad und Hype über die Jahrzehnte der abgefingertste Schatz Pfälzer Kletterkunst. Die einst choreografisch schönen Bewegungen in dieser Route haben durch Griffausbrüche an Eleganz verloren. Die Politur, die eher selten im Sandstein auftritt, trägt ihr übriges dazu bei. Immerhin blieben dem „Finger“ die schöne Linienführung und die gute Absicherung.
Mehr Ringe und Haken, mehr Spaß
Mitte der 80er-Jahre hatte Peter Lischer einen Kletterladen mitten im schönen Busenberg, der ein beliebter Treffpunkt der Kletterer abseits des Bärenbrunnerhofs und der Reichenbach war. Und außerdem hatte er eine richtungsweisende Vision. Peter hinterließ der Kletterwelt in seiner märchenhaften Zeit Wege wie Wintermärchen am Kuckucksfels, Peterchens Mondfahrt am Bruchweiler Geierstein, Hans guck in die Luft an den Fladensteinen aber auch die Intensivstation am Krankenhausfels. Märchen nicht im Sinne von märchenhaft verträumt, sondern im Sinne von märchenhaft schön. Eine Wende im Pfälzer-Ideal-Routen-Erschließen, und alle diese Routen hatten eines gemeinsam: mehr Ringe als gewohnt und traumhaft guten Fels. Peter sagte sich damals: „Ich mache ab jetzt Touren, die oft geklettert werden, hier und da mal ein schöner Ring rein, sodass auch die, die nix checken, nicht so weit fliegen. Dadurch entsteht ein wunderschöner Kletterfluss, und in meinen Touren soll keiner so weit fliegen, dass er sich verletzt. Ich will, dass man meine Touren genießen kann.“
In der Pfalz sollte es bis 1988 dauern, bis man an die mittlerweile weltweit breit aufgestellte, starke Szene aufschließen konnte. Mit Ursprung am Rödelstein kletterte Wolfgang Kraus, mit Denkmalpflege am Friedrichturm Hans Jürgen Cron erstmals Routen im unteren zehnten Grad in der Pfalz, beide im gleichen Jahr. Typisch dabei war, dass die Routen von ihren Erstbegehern pfälzisch hart nur mit 9+/10- respektive mit 9+ bewertet wurden.
Angekommen auf Topniveau
Erst in den 90er-Jahren legte die Pfalz in Sachen hartes Klettern im glatten zehnten Grad und darüber hinaus zu. Florian Eigler war in diesen Jahren mit seinen Routen Mekka am Nonnenfels, Gamba am Retscheldach, Hookipa und dem leichteren Zauberlehrling am Buhlstein der sicherlich kreativste Pfälzer Kopf. Erst 2001 wurde durch Lutz Limburg mit der Lösung eines alten Problems am „Retschel“ der elfte Grad tangiert. Gambaxplosion stand solange an der Spitze des Pfälzer Schwierigkeitskletterns, bis Julius Westphal auf der Bildfläche erschien. Es dauerte nur vier Jahre, bis Gambax seinem Mekka Direkt weichen musste. Julius bestimmt exklusiv seit 15 Jahren, was in der Pfalz im Highend Bereich mitspielen darf. Darunter fällt das Papadach am Hohlen Fels und seit 2014 die Toproute Gegen den Strom am Buchholz im elften Grad. Auch letztere spiegelt eine Eigenheit des Pfalz-Kletterns in klarer Weise wieder. 25 Meter Klettern im oberen fünften Grad in der Verschneidung des Alten Dachweges führen zu einem rund fünf Meter langen Boulder im horizontalen Dach. Extreme Einzelstellen sind typisch für die Pfalz.

Pfalzklettern hat Zukunft
Ein gutes Klettergebiet hat seit eh und je ein gutes Entwicklungspotenzial. Dies erfordert aber auch, dass sich alle Kletterer an die Vorgaben halten, die ein umweltverträgliches Klettern fördern. Wer glaubt, dass sich die Pfälzer Erstbegeher im letzten Jahrzehnt nur um die Toptouren gekümmert haben, irrt. Es kamen mehr als 250 neue Routen dazu, die Mehrzahl davon im mittleren bis gehobenen Schwierigkeitsbereich. Dazu wurden auch einige in Vergessenheit geratene Felsen wie der Langenfels gegenüber dem Frohndellpfeiler mit neuen Ringen bestückt. Auch wenn da in der einen oder anderen Route noch Griffe wackeln und eine sandige Patina den Spaß derzeit noch etwas mildert, werden sich auch diese Touren entwickeln. Meine Meinung: Alles wird gut! (Alex Wenner)