- Die wichtigsten Infos und Gebietstipps zum Sportklettergebiet Kochel am Kochelsee
- Kochel zum Antesten
- Klettergebiet erhalten
- Story: Klettern in Kochel – Liebe auf den zweiten Blick
Schwere Routen, ungewöhnlicher Fels: Kochel hat seinen Ruf als Klettergebiet weg. Inzwischen gibt es dort aber eine große Auswahl an Routen in mittleren Graden. Wer Sportklettern gepaart mit Kreativität liebt, wird seinen Spaß haben.
"Die oft ungünstig angeordneten Griffe und Tritte zwingen zu ungewöhnlichen Bewegungen, und selbst kurze Touren wehren sich mit aller Raffinesse tapfer gegen Wiederholungen." so erklärt es treffend Toni Lamprecht, der das Klettergebiet Kochel geprägt hat wie kein anderer. Doch der kompakte Kalkfels und die verschiedenen Sektoren bieten die unterschiedlichsten Herausforderungen. Entlang des Ostufers und vor allem am südlichen Ende des Kochelsees wurden über die Jahre über 20 kleine und größere Kalkwände erschlossen. Wir präsentieren die besten Felsen mit Routen im sechsten und siebten Schwierigkeitsgrad.
Die wichtigsten Infos und Gebietstipps zum Sportklettergebiet Kochel am Kochelsee

Charakter: Steil, kompakt, schwer zu lesen: Der Kalkstein in Kochel hat seinen ganz eigenen Charakter. Die oben genannten ungünstigen Griffkombinationen, die oft helle Farbe und kaum erkennbare Strukturen stellen neue Besucher gern vor ein Rätsel. Aber gerade das macht den Reiz der Felsen von Kochel aus, denn die Lösung der Bewegungsprobleme ist extrem bereichernd. Die Sicherungen sind solide und befinden sich (meist) genau dort, wo man sie braucht – nicht darüber, aber auch nicht darunter.
Anfahrt: Mit dem Auto über die A95 München-Garmisch bis zur Ausfahrt 10 Kochel- Murnau. Auf der Kocheler Straße über Großweil und Schlehdorf nach Kochel am See. Von hier zu den verschiedenen Klettergebieten. Mit Öffis gelangt man über Tutzing nach Kochel. Weiter mit dem RVO-Bus Linie 9608, Haltestelle je nach Klettergebiet.
Ausrüstung: 60-Meter-Einfachseil, 12 Expressschlingen.

Stützpunkte: Campingplatz Kesselberg, geöffnet von Ende April bis Anfang Oktober, Altjoch 2 ½, 82431 Kochel am See, Tel. +49 8851 464, www.campingplatz-kesselberg.de. Tourist Info Kochel am See, Bahnhofstraße 23, 82431 Kochel am See, Tel. +49 8851 338, www.zwei-seen-land.de
Kletterführer: Toni Lamprecht – Kochel, Klettern und Bouldern am Kochelsee; 384 Seiten, Panico Alpinverlag, 2017, Preis 34,80 Euro. Kletterführer Kochel direkt hier bestellen
Kochel zum Antesten
Entlang des Ostufers und vor allem am südlichen Ende des Kochelsees wurden über die Jahre über 20 kleine und größere Kalkwände erschlossen. Ganz grob lassen sich die Sektoren mit Routen in gemäßigten Schwierigkeitsgraden in drei Bereiche einteilen.

1 Kienstein und Betongwand
Eine der offensichtlichsten Felswände, die einem am Kochelsee ins Auge fällt, ist der Kienstein: Aus dem unteren Drittel der Sonnenspitze leuchten uns seine schönen Kalkwände entgegen. Die meisten Linien sind Neun aufwärts und eignen sich für die meisten als Langzeitprojekte. Die Siebener und Achter sind schwer, aber lohnend. Etwas gemütlicher – allein vom Zustieg her – geht es an der Betongwand zu. Der Felsriegel bietet Routen vom fünften bis zum achten Schwierigkeitsgrad und liegt schön im Wald versteckt, so dass er sich auch für heiße Tage eignet.

2 Wiesenwand, Keltenwand und Untere Seewand
Direkt an der Straße zum Walchenseekraftwerk liegt der langgestreckte Felsriegel der Wiesen- und Keltenwand. Für gewöhnlich tummeln sich besonders an den Wochenenden Kletterer und Familien an der Wiesenwand, die Linien vom 5. bis zum 9. Schwierigkeitsgrad bietet. Um eine Schließung dieser Wand zu vermeiden, bitte unbedingt die vom DAV angebrachten Schilder und Regeln beachten. Bitte nicht Zaun und Wiese betreten oder Müll liegen lassen. Wenn die Pferde da sind, ist die Wand gesperrt. An der Keltenwand wartet neben einigen Neunern eine Reihe cooler Siebener und Achter, die kreative Bewegungen fordern und Spaß machen. Noch leichter geht es an der Unteren Seewand um die Ecke zu.

3 Jenseits des Walchenseekraftwerks
Die meisten Sektoren befinden sich in den Hügeln hinter dem eindrucksvollen Walchenseekraftwerk. Vom Frosch über die Schmied- oder Erdbeer- und Grashalmwand gibt es einige Sektoren mit leichten und mittelschweren Routen. Vor allem das Kochelmonster (5+) im Sektor Geronimo im Reservat ist ein Muss: Der ausgesetzte Kamin ist einmalig. Und dann gibt es da noch die anderen Wände, von Afrika und Neuseeland über Rocky bis zur Atlantis als "Wand der Superlative": schwer, überhängend, kompakt. In vielen Routen kann man selbst im Regen klettern, wenn man den Schwierigkeitsgrad beherrscht.
Klettergebiet erhalten

Die meisten Felsen in Deutschland liegen auf Privatgrund. Entsprechend müssen wir Rücksicht nehmen, damit das Klettern weiter geduldet wird. Dazu gehört:
- Kletterregeln beachten: Infos zu Regeln und Sperrungen findet ihr im Kletterführer und online bzw. auf Hinweistafeln vor Ort.
- Parkplätze: Bitte nicht wild oder auf Parkplätzen von Einheimischen parken, sondern nur die offiziellen im Kletterführer genannten Parkplätze nutzen.
- Zustieg: Bitte verwendet nur die auf den Hinweistafeln oder im Führer beschriebenen Zustiege. Nicht abkürzen.
- Selbstverständliches: Keinen Müll hinterlassen, keinen unnötigen Lärm veranstalten, rücksichtsvoll und freundlich sein.
Story: Klettern in Kochel – Liebe auf den zweiten Blick

Kochel ist ein Kraftort: Schon am Marktplatz erwartet den Ankömmling eine mächtige Statue des legendären "Schmied von Kochel", dem Helden mit "außergewöhnlichen Kräften – physisch wie mental". Eine Voraussetzung, die auch für Kletterer unabkömmlich sein mag, wenn man die Anhäufung schwerer Routen betrachtet. Dem Klettergebiet eilt ein gewisser Ruf voraus, der viele "Normalsterbliche" abhält. "Jeder Spanier oder Italiener würde sich mit Grauen abwenden und ins nächste Kaffee setzen", witzelt man. Und doch kommen sie alle wieder nach Kochel. Es gibt mittlerweile genügend Kletterrouten in mittleren Schwierigkeiten und sogar viele überzeugte Fans, denn mit Kochel verhält es sich ähnlich wie mit den Bayern selbst: Unter einer harten Schale steckt ein weicher Kern.
Gute Einstiegsrouten in Kochel
Es ist eine halbe Ewigkeit her, und doch kann ich mich an meine ersten Routen in Kochel gut erinnern. Vor allem daran liegt es, dass ich in diesen Gebieten immer noch und sehr gerne klettere. Felsen für Einsteiger wie Erdbeer- oder Grashalmwand waren damals schon aus der Mode gekommen, die Routen zu kurz und die Zustiege zu lang. Bei der Unteren Seewand hingegen verliert man keine Zeit durch allzu langes Wandern. Die Geduld muss aber erst einmal über die speckigen 5er hinaus reichen, danach beginnt ein klassisches Kochelmärchen: Rübenzahl (6+), Pinochio (6+) und Zwerg Nase (6+/7-) verlangen bereits in diesen Schwierigkeitsgraden hohes Ansteigen, gute Körperspannung und volle Streckung. Bei Rapunzel (7) wünscht sich aufgrund des hohen ersten Hakens manch einer, sie möge doch bitte ihr goldenes Haar herunterlassen. Die mit Abstand genialste Tour der Wand ist jedoch Tom Bombadil (7-). "Eine der originellsten Touren von ganz Kochel," findet auch Toni Lamprecht, der hier klettertechnisch ein "einschlagendes Erstes Mal" hatte. Dank natürlichen Eisen-Einsprenkelungen an den wichtigen Stellen bleibt der Zustand der Route trotz ihrer Beliebtheit konserviert. Eine gewisse Gelenkigkeit und athletische Begabung vorausgesetzt, kann die Route Herzen erobern.

Klettern an der Keltenwand
Wer sich mit dem siebten Grad in Kochel vertraut gemacht hat, ist bereit für die Keltenwand. Sie ist die erste Wand, die man von der Straße aus sieht, und doch wurde sie erst spät als Kletterfelsen wahrgenommen. Dank Linien wie Per Aspera ad Astra (9-) und Keltic (9) wurde sie schnell bekannt, die Linien mittlerer Schwierigkeitsgrade fristen unberechtigterweise ein Schattendasein. Generell mögen die Routen an der Keltenwand etwas härter bewertet sein, schließlich handelt es sich um eine Felswand der einstigen Keltenburg "Joch Birg", und Kelten waren nicht als nette Gesellen, sondern als blutrünstige Barbaren mit grausamen Opferriten bekannt – zumindest bei den Römern. Gewitztheit, Mut und Stolz zählen seit Asterix und Obelix aber genauso zu ihren Eigenschaften: Wer sich an die Griffe und Bewegungen gewöhnt hat, kommt an der Keltenwand auch ohne Zaubertrank hoch. Strategien der Niedertracht (6+) ist kein ideales Aufwärmprogramm, der Name weist bereits auf die Gemeinheit hin. Ich empfehle den Kaltstart in einer meiner Lieblingsrouten Haldengut (7+) oder Feuchtfröhliches Vergnügen (7+), die athletischen Bewegungen bringen einen direkt auf Betriebstemperatur. Unvergesslich ist auch der Offwidth Bolt d’Or (8-) mit dem luftig-abdrängenden Wechsel in die kompakte Wand. Es könnte sein, dass es an der Keltenwand nur bei wenigen Routen bleibt. Die Feierabendhalbe hat man sich aber dennoch wohl verdient.
Klettern an der Wiesenwand
Wer von der Keltenwand in Richtung Campingplatz streunte, musste sich früher wundern, warum ein schönes Stück Fels noch relativ unberührt war. Das Hindernis war eine große Weide, die man damals wie heute besser nicht betritt. Wie zu Anfang erwähnt: Anführer des berühmten Bauernaufstandes von 1705 soll der "Schmied von Kochel" gewesen sein. Er besaß außergewöhnliche Kräfte, zudem eine mit Nägeln gespickte Keule. Inzwischen droht zwar eher eine spitze Mistgabel und saftige Moralpredigt, aber mit den Nachfahren des Schmieds legt man sich besser nicht an. Und doch muss jemand das Herz des Bauern irgendwann fürs Klettern erwärmt haben, denn Kletterer sind bis auf Widerruf geduldet. Vernunft und Menschenverstand der Besucher vorausgesetzt: Wer die Weidewiese nicht zertrampelt oder Picknick-ähnliche Gelage veranstaltet, den Zaun nicht besteigt und seinen Müll mitnimmt, ist willkommen. Die anderen werden von einheimischen Kletterern gelyncht oder vom Bauern verbal gekeult. Sind die Pferde auf der Weide, ist die Wiesenwand gesperrt!
Die schönsten Routen der Wiesenwand
Aus dem rechten Teil der Keltenwand wurde mit der Zeit das wunderbare Klettergebiet Wiesenwand mit wirklich schönen Routen mittlerer Schwierigkeit. Sieben tolle Siebener im Wandteil La vache qui rit: der Wechsel zwischen Leistenkletterei und Piaz in Bleib geschmeidig (7) ist genauso cool wie der Henkelüberhang von La vache qui rit (7-). Im benachbarten Wandteil folgen Linien zwischen dem 5. und 7. Grad, mittendrin der Analtrakt (7-) aus der Kategorie "originellste Touren von Kochel". Namensgebend ist hier das oft etwas feuchte Fingerloch am Einstieg. Es ist aber nicht der einzige Grund, warum die Route schon manch Kandidaten abgeworfen hat: Die Linie ist ein Kochelklassiker. Athletische Kraftzüge an Leisten und Henkeln warten auch in Oma Bea (7-/7) und Opa Fri (7) im gleichnamigen Wandteil, und selbst danach reißt die Reihe toller Linien nicht ab. Wiesnrowdy (7+), Petite Illusion (7+) und Crackline (8-) sind genauso kletternswert wie die kraftvollen Sechser Kleiner Atraktor (6+) und Zappelphilipp (6+). Ja, die liebe Wiesenwand, ich kann nicht verschweigen, dass ich zu ihren Fans und selbsternannten Hausmeistern zähle. Umso wichtiger ist mir daher die abschließende Bitte: Haltet euch an die Regeln und klettert, statt die Routen zu belagern. Zukünftige Generationen werden es uns danken.

Klettern an der Betongwand
"Da, wo leichte Routen sind, ist man eher an Steingarten als an Kletterfelsen erinnert", schrieben Thomas Bucher und Toni Lamprecht in der Erstauflage des Kochel-Kletterführers. In der Zweitauflage folgten anerkennende Worte für die intelligente Steinbruchpflege der Erschließer. Eine der resultierenden Wände war unter anderem die Betongwand am Ostufer des Kochelsees. Wer an den Bierhenkeln von Tigerwäsche (7+) durch die senkrechte Wand turnt und noch immer an Steingarten denkt, darf getrost an den Kienstein weiterziehen. Alle anderen erwarten feine Linien und Klassiker mit scharfen Einstiegsbouldern: Char-Lis Way (7+) und Kamasutra (6) mögen zu einem Bewegungsrepertoire führen, das auch an anderer Stelle von Nutzen sein könnte. Auch das Feuchte Loch (8) mit seiner Würze in der Kürze sollte meines Erachtens nicht unerwähnt bleiben. Der Name bezieht sich auf die Tatsache, dass die mitten im Wald gelegene Betongwand nach Regentagen lange ein feuchtes Loch bleibt. An heißen Tagen hingegen ist sie der perfekte Zufluchtsort, auch weil der Parkplatz an einem kleinen Strand direkt am Kochelsee liegt und ein Sprung ins kühle Nass das Sahnehäubchen eines schönen Klettertages darstellt. Der See ist selbst im Sommer so erfrischend wie ein Eispool nach dem Saunagang. Der Temperatursprung entfesselt Urkräfte!
Klettern in Kochel: nicht leicht zu haben
Kochel ist für viele Kletterer keine Liebe auf den ersten Blick, denn onsight-freundlich ist etwas anderes. Die harte Schale kann zuweilen ganz schön dick sein: Selbst leichte Routen sind schwer, weil die "ungünstig angeordneten Griffe zu ungewöhnlichen Bewegungen zwingen", wie Toni Lamprecht so schön sagt. Knifflige Passagen und langes Tüfteln ist nicht jedermanns Sache. Eine Ego-Erdung ist in Kochel sehr wahrscheinlich. Wer sich aber die Zeit nimmt und eines der vielen Probleme löst, will meistens mehr.
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