Das nennt man Motivation: Ende April gelang dem Schweizer Martin Keller der Durchstieg des sogenannten Fisch-Projekts. An dieser Linie in Chironico hat er über drei Jahre getüftelt und sie nun erstbegangen. "Der mit dem Fels tanzt" gehört nun zu den härtesten Bouldern im Tessin, Martins Bewertungsvorschlag lautet Fb 8c. Wir haben Martin ein paar Fragen gestellt.
Name: Martin Keller
Geboren am und in: 30.11.1977 in Horgen, Schweiz
Wohnort: Siebnen, Schweiz
Beruf: Lehrer
Sponsor: Moon
Ape Index: Leider null
Martin, Du hast das "Fisch-Projekt" nach Jahren klettern können. Wie ist es gekommen, dass Du den Boulder jahrelang projektiert hast?
Wenn man nicht mit dem Bouldern sein Geld verdienen muss hat das auch Vorteile. Ich muss nicht einen (schweren) Boulder nach dem anderen machen. Wenn mich einen Linie, bestimmte Züge, und/oder ein Bewegungsrätsel packen, dann spielt Zeit keine Rolle mehr, ich will das dann einfach machen. Da kommt es dann schon mal vor, dass ich über eineinhalb Jahre nix "schweres" klettere! Außerdem reizt es mich, meine eigenen Grenzen auszutesten und all diese Dinge kamen bei Der mit dem Fels tanzt wunderbar zusammen. Ich sah diese Linie schon vor über sechs Jahren, konnte aber keinen einzigen Zug klettern. Dann traf ich vor drei Jahren Markus Windisch aus dem Frankenjura beim "Fisch-Boulder" und wir diskutierten darüber wie genial es wäre, diese Linie zu klettern. Ich war gerade mit einem anderen Projekt beschäftigt, aber Markus begann zu tüfteln und ein paar Tage später hatte er dann die Beta für die meisten Züge tatsächlich zusammen. Seine Beta brachte mir aber leider nicht viel, ich konnte noch immer keinen einzigen Zug klettern... (grinst). Also schaute ich mir die Griffe und Felsstruktur noch genauer an, und ich hatte das Gefühl, dass es noch einen anderen Weg geben müsste, diese Griffe und Tritte zu verbinden. Ich musste einfach kreativ genug sein. Nach 15 Tagen tüfteln (fast zwei Monate) hatte ich dann tatsächlich eine grobe Beta zusammen. Die abgefahrene Kletterei und schlechtes Wetter in anderen Gebieten ließen mich immer wieder zurückkehren und mit der Zeit lief es dann immer besser. Die zweieinhalb Jahre, die es gedauert hat das Ganze an einem Stück zu Klettern waren damals aber nicht absehbar, am Anfang stand das Bewegungsrätsel im Vordergrund.

Was hat den Durchbruch gebracht, was war der finale Erfolgsfaktor?
Dieses Frühjahr bin ich über sieben Wochen letzen schweren Zug (dem Mantle) abgefallen. Es war jedes Mal richtig knapp. Es fehlten jeweils nur etwa ein bis zwei Zentimeter zum rettenden Griff. Obwohl der Zug einzeln überhaupt kein Problem war und ich ihn schon sehr gut optimiert hatte, knobelte ich dann nochmals einen ganzen Nachmittag an allen erdenklichen Varianten herum. Kurz vor dem Eindunkeln hatte ich dann plötzlich eine letzte Idee. Es war nur ein kleines Detail, aber es war das letzte kleine Puzzleteilchen das gefehlt hatte. Als ich dann eine Woche später wieder an diesen Zug geklettert bin, hat es dann auch funktioniert und ich erwischte den rettenden Griff und konnte dann den Boulder auch aussteigen.
Hast Du jemals darüber nachgedacht, aufzugeben? Warum hast Du nicht?
Es gab schon Tage an denen es nicht lief. Wenn ich an einem Tag bis an den letzten Zug geklettert bin und dann drei Tage später den ersten Zug auf einmal nicht mehr zusammenkriegte, dann wurde es auch mal Laut da unten. Aber das gehört dazu. Es geht nicht immer nur gut, wie im "richtigen" Leben halt. Und wie schon angesprochen, Zeit spielte eigentlich keine Rolle und so lange ich Spass hatte an der Kletterei bin ich hingegangen.
Soweit mir bekannt, boulderst Du ausschließlich. Warum?
Ich habe zuerst sechs Jahre mit Seilklettern verbracht und viel gelernt. Aber mir hat dieses Ausdauergepumpe an "guten" Griffen, das ewige Schütteln und das damit verbundene Klettern mit schmerzenden Unterarmen nie richtig getaugt. Beim Bouldern fällt das weg und was bleibt ist der spannende Teil am Klettern. Ausserdem ist Bouldern viel spielerischer und unkomplizierter als das Klettern. Mann hängt nicht den ganzen Tag zwanzig Meter auseinander, zusammen an Blöcken rumzutollen, auf den Pads herumliegen, Essen, Lachen, oder auch mal alleine losziehen zu können ist einfach genial! Ich klettere schon noch ab und zu mit dem Seil, sogar in Mehrseillängen, aber dann nicht am Limit sondern schön gemütlich im 4ten bis 6ten Grad. Die eine oder andere - kurze - schwere Tour habe ich aber schon noch im Kopf. Aber alles zu seiner Zeit, ich bin ja noch jung (lacht).
Wo oder was kletterst Du am liebsten?
3-D-Boulder wo man auch ein wenig Grips braucht um auf eine kletterbare Lösung zu kommen und natürlich Linien wo man einfach rauf "muss"!
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Herzlicher Dank geht an Angela Wagner für die Fotos in diesem Artikel
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"Dranbleiben ist das wichtigste" - Martin Keller im Interview
Was sind Deine Stärken?
Mein Kopf. Scheint ab und zu härter zu sein als Granit (grinst).
Schwächen?
Alles für das man richtig rohe Kraft braucht. Ich kann mich kaum einarmig an einem Henkel blockieren.
Wie wird man so stark wie Du es bist?
Hehe, das ist jetzt tricky. Ich bin ja gar nicht so stark. Es gibt tonnenweise Jungs (und Mädels) die hängen mich am Campusboard locker ab. Wenn man also stark werden will, dann sollte man ans Campusboard (aber nicht als Anfänger!) und richtig trainieren.
Meine Motivation war und ist aber eine andere. Ich wollte und will an den Fels, raus in die Natur, bestimmte Linien und Züge klettern. Dranbleiben ist das wichtigste, dann kommt das mit dem Starkwerden automatisch. Das Bouldern an meinem Limit (am Anfang war das 6a) hat mir gezeigt, dass wenn du etwas wirklich willst und du alles dafür tust, dann klappt es auch (meistens auf jeden Fall) und das gilt nicht nur fürs Klettern!
Trainierst Du systematisch?
Ich mache ab und zu Ausgleichstraining und zwei Mal im Jahr ein paar Wochen Pause. Meistens mache ich zwei oder drei volle Ruhetage. Ich bin nicht mehr der Jüngste und man wird nicht im "Training" stärker, sondern während den Ruhephasen. Ich war diesen Winter zwei, drei Mal am Campusboard. Dann war wieder schönes Wetter im Tessin und das mit dem Campusboard auch schon wieder Geschichte...
Was steht als nächstes auf dem Plan?
Ich habe da noch zwei, drei Dinge bevor ich mich zur Ruhe setzen kann (grinst). Auf dem Sustenpass bin ich seit über acht Jahren an einer Linie dran wo ich letzten Herbst über sieben Wochen am letzten schweren Zug abgefallen bin. Daher ist eigentlich das oberste Ziel, gesund zu bleiben. Gestern hätte ich um ein Haar den Sitzstart zum Riverbed im Avers gemacht, aber wie es scheint, habe ich mir dabei die Kapsel am Mittelfinger gekillt. Ich war wohl mal wieder übermotiviert und trotz feuchten Griffen und Rumrutschen habe ich voll zugepackt, das war wohl zu viel... "Anfängerfehler", wie wir so schön sagen (grinst zerknirscht).






Dein Lieblingsessen?
Hmmm, ich liebe Essen - da gibt es so vieles: Nach dem Klettern/Surfen in Sydney in jedem Fall in Crows-Nest "Sushi" und/oder ein "Curry" einfahren. Im Avers das Thaiycurry im Edelweiss geniessen. In Chironico den Risotto im "Defanti" in Lavorgo, einfach himmlisch. Unbedingt einen Giornico d'oro probieren, best Merlot ever! Im Zillertal beim "Griener" in Mayrhofen gibt es die besten Kässpätzle und den besten Kaiserschmarrn, den ich je hatte. Und in der Fränkischen gibt es natürlich das beste Bier, die besten Würste und den besten Kuchen. Wieso gibt es eigentlich noch keinen Kletter/Boulder/Essen-Führer???
Lieblingsmusik?
Quer durch - außer Schlager und HitparadenDSDSgesülze.
Dein Tipp an Kletter-Anfänger?
Geht Klettern und macht was euch Spass macht. So bleibt man motiviert und das ist mit Abstand der wichtigste "Muskel"!!! Wenn ihr ambitioniert seid, dann kauft euch "Lizenz zum Klettern/Bouldern". Da steht alles Grundlegende drin und wenn ihr motiviert bleibt, dann könnt ihr irgendwann fast alles Klettern was euch über den Weg läuft...
Wer oder was inspiriert Dich?
Jeder und Jede, die dieses Glänzen in den Augen hat wenn man miteinander vom Klettern spricht!
Danke Martin!
Herzlicher Dank geht an Angela Wagner für die Fotos in diesem Artikel//
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