
Ausnahmen bestätigen die Regel und bereichern das Leben: So jedenfalls unsere Tour mit Eselin Pomme. Normalerweise gehen, wandern und zelten wir, wo es uns gefällt. Völlig unerfahren im Eseltrekking, haben meine Frau Yvonne und ich jedoch beschlossen, bei der Premiere in Südfrankreich lieber auf einer geplanten Route zu wandern. Dadurch braucht man an den Etappenzielen keine Weide zu suchen und kann die einwöchige Runde vom kleinen Ort Vallon-Pont-d‘Arc um die wilde Ardèche-Schlucht entspannt genießen.
Täve, unser vierjähriger Sohn, freut sich auf den Esel nicht nur als Lastenträger und Kuschelkumpel, sondern auch als Reittier. Als ein "langsames Gemüt" stellt uns der Besitzer (trekane.com) Eseldame Pomme bei der halbtägigen Einweisung vor. Was mag das wohl heißen – faul? Stur? Dumm? Blödsinn! Höchstens ihre Gelassenheit könnte gemeint sein, beschließen wir nach dem ersten Kilometer.

Auf dem Fernwanderweg GR4 geht es zwischen sattgrünem Buschwald voran, immer wieder weht uns der Duft von Oregano, Rosmarin und Thymian um die Nase. Es ist Mitte Mai, die Sonne brennt schon heiß. Pomme aber stört das wenig, erst am Abend im Camp "tankt" sie einen 20-Liter-Eimer in zwei Minuten. Was für ein Wüstentier! Gerste und Heu, Striegel- und Streicheleinheiten gehören zur anschließenden Versorgung von Pomme. Schon am ersten Tag wächst sie uns so ans Herz, dass nicht nur Täve bedauert, in dieser Nacht mehrere Gehminuten von ihrer Weide entfernt zelten zu müssen.

Mit 20 Kilometern steht tags drauf die längste Etappe an. Ob aus Spaß oder aus Anstrengung, öfter als erwartet möchte Täve reiten, anstatt zu laufen. Und da Pomme maximal 30 Kilogramm tragen darf, wandern jedes Mal etliche Mengen Proviant aus ihren Packtaschen in meinen Rucksack. Wer ist hier der Esel?! Aber dafür fasziniert Yvonne und mich die Chemie zwischen unserem Sohn und dem Tier: Der Knirps macht eine Ansage, Pomme folgt. Mit Sicherheit festigen auch die Möhren, mit denen Täve sie regelmäßig füttert, die Freundschaft.

Im Etappenziel St. Martin kommt dann riesige Freude auf, als wir abseits des regulären Camps unser Zelt neben Pomme auf der Weide aufschlagen dürfen. Klar, dass sie uns nach dem Essen auch noch bei einem Abendspaziergang an der Ardèche begleitet. Nachdem wir dem Fluss zwei Tage stromabwärts gefolgt sind, überqueren wir ihn am dritten. An seinem südlichen Ufer nehmen wir Kurs auf den Ausgangsort Vallon-Pont-d‘Arc – immer wieder mit atemberaubenden Blicken auf die tiefe Ardèche-Schlucht.

Wir haben reichlich Zeit im Gepäck, die Etappen werden kürzer, die Mittagspausen länger. Im abgelegenen Camp Mille Étoiles bleiben wir sogar zwei Nächte und genießen einen Bade- und Relaxtag an der unglaublich klaren Ardèche. Weiter geht es tags drauf nach Orgnac, wo wir uns die berühmten Tropfsteinhöhlen nicht entgehen lassen: Kunstwerke der Natur und mit etwa 11 Grad eine höchst willkommene Abkühlung. Das Beste an dieser Tour voller Highlights ist aber zweifellos Pomme. Unser nächster Outdoor-Urlaub steht schon fest: vier Wochen Wandern in Kirgistan. Mit zwei Eseln.
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